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Ausgabe:

1911 Nr. 22

Spalte:

676-677

Autor/Hrsg.:

Rothstein, J. Wilhelm

Titel/Untertitel:

Moses und das Gesetz. I. Hälfte: Gesetzgebung in Israel und Babel. II. Hälfte: Moses, sein Leben und sein Lebenswerk 1911

Rezensent:

Gressmann, Hugo

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 22.

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fcheinlich fchon in den alterten unferer Beobachtung zugänglichen
Phafen der Menfchheitsgefchichte weit verbreitet
gewefen fei. Daran zu zweifeln liegt keinerlei
Grund vor; und es wäre am Ende nicht unmöglich, die
Entftehung des betreffenden Gefühls, etwa im Anfchluß
an Heinrich Maier, pfychologifch zu erklären. Freilich,
wer der Anficht ift, daß wir bei der Bildung unferes
Religionsbegriffs auszugehen haben von einer höheren,
nämlich der von uns felbft erlebten Religion, wird be-
ftreiten müffen, daß das bloße ehrfürchtige Abhängigkeitsgefühl
und die damit verknüpfte bloße Vorftellung eines
Ubernatürlichen an und für fich fchon ,religiös' feien. Er
wird das Vorhandenfein von ,Religiofität' erft da anerkennen
, wo das Abhängigkeitsgefühl durchkreuzt oder
ergänzt wird von einem Gefühl des Vertrauens zu jener
übernatürlichen Macht, die infolgedeffen dann auch als
perfönlich vorgeftellt wird: eine Kombination, die uns
übrigens, ob man fie nun als Anfatz oder als Uberbleibfel
deute, auch fchon bei den Naturvölkern begegnet.

Intereffant ift fchließlich noch, daß Marett, wie fo mancher
moderneVertreter der anthropologifch-pfychologifchen
Religionsphilofophie im Unterfchied von den älteren, das
Wefen und die Grundlage der Religion gleichfalls nicht
mehr in der .wechfelvollen Mannigfaltigkeit der Vor-
ftellungswelt', fondern in der ,feften Bafis emotionaler
Vorgänge' glaubt fachen zu müffen, ohne allerdings damit
ein günftiges Urteil über den Wert der Religion ausdrücklich
verknüpfen zu wollen.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Frank, Priv.-Doz.Dr.Carl: Studien zur babylonifchen Religion.

1. Bd. (1. u. 2. Heft.) (VIII, 287 S. m. 1 Lichtdr.-Taf.)
gr. 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1911. M. 20 —

Frank, der fich fchon durch mehrere archäologifche
Arbeiten vorteilhaft bekannt gemacht hat, fchenkt uns
nun zwei Hefte Studien zur babylonifchen Religion. Im
erften werden uns zuerft die Klaffen der verfchiedenen
Priefter und ihre Funktionen vorgeführt und daran die
Belegftellen aus der Literatur angefchloffen. Es folgen
dann Texte aus der religiöfen, befonders der Omenliteratur
inUmfchriftundÜberfetzung, die allerdings zu dem eigentlichen
Thema nicht immer fichtbare Beziehungen haben.
Darauf ftellt der Verfaffer aus den fumerifchen Königs-
infchriften die Angaben zufammen, die fich auf den Tempelbau
beziehen. In einem Anhang behandelt er den elami-
fchen Tempel, die Tempelbibliothek, den e-dub und die
Mufikinftrumente. Ein zweites Heft gibt fehr wertvolle
Unterfuchungen über fakrale Tiere und Tierkult nebft
den dazu gehörigen Belegftellen. Befonders hier hat der
Verf. die Gelegenheit benutzt, feine reichen archäologifchen
Kenntniffe mit den literarifchen Angaben zufammen zu
verwerten. In philologifcher Beziehung wird mancherlei
zu ändern fein, trotzdem feine Angaben mit großer Sicherheit
vorgetragen werden.

S. 5. Zu sangü beachte auch die Schreibung sä-gu-um (CT. VI,
36, 11a.). Der ganze Text ift intereffant als Beifpiel der frommen Stiftung
. Überhaupt ift die Kontraktliteratur faft gar nicht berückfichtigt.

— S. 21 Auch King Chron. II, 74, 5 übernimmt der urigallu die
Vertretung des Königs beim Opfer. — S. 45 Anm. 14. Für die
Störung des Feftes und die verfchiedenen Urfachen dafür gibt der eben
erwähnte Text King, Chron. II, 70ff. mehrere Beifpiele. S. 80, 4 konnte
der König wegen eines Aramäeraufftandes nicht nach Babylon kommen.
Die Refidenz muß alfo damals nicht in Babylon gewefen fein. — S. 49 m.
Anftatt UD (il).Samas wird immer SAL+ME gelefen werden müffen. —
S. 95, 34. Die Lefung a-a-lim fcheint mir doch recht unficher, da all,
foweit wir wiffen, tert. infirm. (Delitzfch HW. 66), nicht aber med. infirm
, ift — ib. 29. Zu paräsu sa arkäti vgl. Code Hammur. VIII, 64 etc.

— S. 99. Die Lefung sil war auf Grund diefer Stelle fchon lange von
Thureau-Dangin angewendet — S. 99 Z. 17. Daß deki eine Vulgär
form von damik ift, hat fchon Delitzfch AL4, 163 (vgl. auch AJSL
XXVII, 173) erkannt; dann habe ich ZA XVII, 247 diefe Frage behandelt,
darauf Behrens, Affyr.-bab. Briefe S. 48 — S. IOO, I f. Wie foll klrati
,Fruchtbäume' und uppas ,er hat hergerichtet' bedeuten? — S. 107, 9
kann nitmä nicht ,wir wollen fchwören' heißen. — S. 107, 19 lies
ümakal; vgl. außer SAI. no. 5940 noch Rev. d'Assyr. VIII, 67, 8. — S.
108, 8 halte ich limneta für die 2. Terf. Perm.; alfo: du bift fchlecht

gewefen. — S. 108, 9. (il) sil-la ift vielmehr das zuerft von Zimmern
ZA. X, 12 erkannte an zillu = Miffethat. — S. 119 Rs. 7. Das ,Wild-
ochfengetreide' wird wohl nur eine andre Schreibung von .Rindsgetreide'
fein, deffen Lefung nach SAI. no. 5466 arsuppu ift. — S. 129, 36. Die
Lefung sa-suk-kat, an deren Richtigkeit F. S. 138 zweifelt, ift ficher; vgl.
Supplem. 96 b. Das Mask. sassukku s.K. 11773, 11 (CT. XVIII, 14); vgl.
K. I4I35, 2 (CT. XIX, 40). — S. 145, 27. Statt ubbutam ift doch ar-
butam zu lefen, da auch die Schreibung mit ar (neben AT, ub) vorkommt;
vgl. Babyloniaca IV, 117. — ib. 31. Statt lu-ku-nu ift mit Zimmern
lu-üb-nu = Verfall zu lefen. — S. 146, 7 wird sibäti doch wohl ,graue
Haare' bedeuten. — ib. 25 lies tur gi-mil-lu-u = Vergeltung. — S. 165
no. XII hätte auch auf die Bearbeitung durch Jaftrow, Rel. II, 335ff.
hingewiefen werden können. — ib. 21. Für mungu vgl. auch Babyloniaca
IV, 106, 38. — S. 167, 10, 19 überfetze: wird Adad dein dürftendes
(samttu; vgl. Code Hammur. XXVII r, 40) Heer mit Regenwaffer tränken.
— S. 235 Was foll die Bemerkung: Diefe Stelle jetzt auch SAI. 4670f.
bedeuten? Das vierte Heft der SAI. gelangte 1907 zur Ausgabe, des Ver-
faffers Buch 1911 — S. 248. Über Vögel als Schutzgottheiten s. jetzt
Koldewey, D.Tempel v. Babylon u. Borfippa S. 7; 19 und Ungnad-
Peifer OLZ. 1911, 289fr. — S. 271 Anm. 58. Zur Frage nach der Zeit
der Einführung des Pferdes in Babylonien vgl. noch Heuzey-Thureau-
I) angin, La restit. materielle de la Stele des vautours S. 18; 20; Thureau
-Dangin, Inventaire des tabl. de Tello S. 2. Auch Reisner,
Tempelurkunden no. 57, 3 ift vielleicht heranzuziehen.

Druckfehler find in großer Anzahl flehen geblieben, aber zuweilen
zeigt F. Methode darin. So fchreibt er regelmäßig Attaru (S. 20; S. 120)
ftatt Addaru; Tesrltu (S. 119; S. 121) ftatt Tiärltu; kä'riu (S. 56 zwei Mal)
ftatt kanü; sit Samäi (S. 66; S. 224) ftatt slt Samsi; kinni (S. 102 fünf
Mal) für kinni. S. 122, 4 lies: feine Hände nicht bedecken.

Breslau. Bruno Meißner.

Rothftein, Prof.D.J. W.: Mofes und das Gefetz. I. Hälfte:
Gefetzgebung in Israel u. Babel. (Mofes u. Hammurabi.)
— II. Hälfte: Mofes, fein Leben u. fein Lebenswerk.
(Biblifche Zeit- u. Streitfragen. VI. Serie. 9—11. Heft.)
(46 u. 71 S.) 8°. Gr. Lichterfelde-Berlin, E. Runge 1911.

M. 1.50 (I: M. —60; II: M. —90)

Im erften Heft fchickt R. eine kurze Charakteriftik
der beiden Gefetzgeber Mofe und Hammurabi voran und
vergleicht darauf die beiden Gefetzgebungen nach ihrer
formalen Seite. Beide ftimmen in Prolog und Epilog
überein, obwohl fachliche Unterfchiede vorhanden find:
In Babylonien tritt das königliche ,Ich' ftärker hervor,
während in Israel der Gefetzgeber faft ganz hinter feinem
Werke verfchwindet; dort herrfcht Poly-, hier Monotheismus
. Dann erft gibt der Verf. eine Gefchichte der israe-
litifchen Gefetzgebungen, auf Grund der allgemein tinerkannten
Pentateuchkritik. Vergleichbar find nur Bundesbuch
und Codex Harn. Aber auch hier ift eine ,glatte
Vergleichung gefchichtlich überhaupt nicht angängig'
(S. 33); denn eine genauere Erforfchung der Einzelheiten
lehrt, daß die Kultur in Altbabylonien um 2000 v. Chr.
fehr viel höher war als in Altisrael, das erft in den Anfängen
feiner Entwicklung ftand. Die verfchiedene Höhenlage
wird befonders dadurch charakterifiert, daß die erb-
und eherechtlichen Beftimmungen im Bundesbuch faft
gänzlich fehlen, während fie im Cod. Harn, einen großen
Raum einnehmen, ferner daß in Babylonien die Blutrache
bereits überwunden ift, die in Altisrael noch überall vorausgefetzt
wird. Ethifch zeichnet fich die israelitifche
Gefetzgebung durch die Betonung der Nächftenliebe und
die Überbrückung der fozialen Unterfchiede aus. Beide
Gefetzgebungen find nicht unmittelbar von einander abhängig
, fondern find wie zwei Stämme aus derfelben
urfemitifchen Wurzel erwachfen. — R. unterfchätzt wohl
die formellen und fachlichen Übereinftimmungen zu fehr;
bedauerlich bleibt jedenfalls, daß er trotz der Breite der
Darfteilung und trotz der Fülle von Einzelheiten grade
diejenigen Punkte vernachläffigt, die von der bisherigen
Forfchung für eine Abhängigkeit des israelitifchen Rechtes
vom babylonifchen geltend gemacht worden find.

Im zweiten Heft beginnt R. mit einer Darfteilung
der älteren Quellen (E um 850; J um 820), die von der
mofaifchen Zeit weit entfernt find. Aber fie fchöpften
aus ,einer literarifchen Vergangenheit' und einer wohl
,nicht armen Poefie gefchichtlichen Inhalts'; zudem .mußte'