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Ausgabe: | 1911 |
Spalte: | 647-648 |
Autor/Hrsg.: | Edghill, Ernest Arthur |
Titel/Untertitel: | The Revelation of the Son of God 1911 |
Rezensent: | Hennecke, Edgar |
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Theologifche Literatlirzeitung 1911 Nr. 21.
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chene Theten werden wieder kurz vorgetragen: Pirke Aboth 2, 6, wo wir
lefen, wie Hillel einen auf dem Waffer fchwimmenden Schädel apoftro-
phiert, beweift die Sympathie des großen Rabbinen für den Täufer, denn
deffen Haupt ift gemeint. Jefu Verurteilung erfolgt, weil Jefus den verborgenen
Gottesnamen Ani we-Hu gebraucht hat, denn £ym slfii Mk. 14, 62
ift fchlechte Überfetzung von Ani we-Hu.
So wird der Lefer vielerlei Fragezeichen fetzen und
doch für manche Erweiterung feines Gefichtskreifes dankbar
fein.
Berlin. Martin Dibelius.
Edghill, Ernest Arthur, B. D.: The Revelation of the Son of
God. Some Questions and Considerations arising out
of a Study of Second Century Christianity. Being the
Hulsean Lectures for 1910—1911. (IX, 156 p.) 8°.
London, Macmillan and Co. 1911. s. 3 —
Der urfprüngliche Titel diefer zu Cambridge gehaltenen
Vorlefungen war ,Firm Foundations'. Ihr Verfaffer nimmt
feinen Standpunkt im zweiten Jahrhundert, um von da
aus die Kontinuität der neuzeitlichen Auffaffung des
Wefentlichen im Chriftentum im Verhältnis zu deffen
Urfprüngen ficher zu ftellen. Sein Studium des Chriften-
tums im zweiten Jahrh. beanfprucht nicht, Originelles zu
bieten (p. VII); die befonderen Fragen, die ihm am Herzen
liegen, verfolgt er mit Vorliebe an der Hand der altchrift-
lichen Apologeten, deren bedeutfame Stellung innerhalb
der chriftologifchen Entwicklung er gegen Harnack in
der III. Vorlefung (Christ the Lord and Christ the Word)
pofitiv zu verwerten unternimmt. In der Formulierung
diefes Untertitels geht er auf Ritfehl zurück, deffen Haupt-
fedanken er abgeneigt ift (p. 82; vergl. die frühere Arbeit
aith and Fact. A Study of Ritschlianism). Die Verteidigung
der altkirchlichen Pofition gefchieht unter Bevorzugung
der Ausfagen der Apoftel über das, was Jefus
war, gegenüber den Selbftausfagen Jefu als noch nicht
endgültigen vor feinem Tode (fie find nur ,the expression
of His unfinished seif p. 106). Die IV. Vorlefung (Christ
and the Christian Creeds, mit dem Motto Matth. 22,41 f.)
variiert den Satz, daß die Kirche auf das Bekenntnis der
Gottheit Chrifti (im Nicaenum, Apostolicum bis rückwärts
zum zweiten Jahrhundert) gegründet ift, das auch gegenwärtig
feine Macht zu entfalten habe. Freilich fei es
nicht im abftrakten Sinne zu nehmen und feine meta-
phyfifche und philofophifche Einkleidung vorzugsweife
durch die Abwehr bei feiner Entftehung zu begreifen.
E. faßt das Bekenntnis als Ideal, als eine Infpiration
(p. 150), nicht als eine Laft, die ohne jegliche Kritik hin- ;
zunehmen fei (p. 155). Ein warmherziger Appell fchlägt
hier und da durch, fodaß die Ausführungen gelegentlich
den Charakter einer Predigt annehmen (p. 85 die Anrede
,My brothers').
Die I. Vorlefung (Reason, Religion and Revelation)
liefert den Unterbau für die letzten. Hier wird das Chriftentum
des zweiten Jahrhunderts in feiner Stellung zwifchen ;
den religiöfen und fonftigen geiftigen Mächten (Stoizismus,
Myfterien, Judaismus) mit wenigen Strichen gezeichnet
zum Nachweife, daß es felber nicht als Philofophie, Vernunftfache
, fondern als Glaube, wirklich wertvolle Religion,
Offenbarung fittlicher Stufe gefaßt fein will, aber, da
deren .Probe die Wahrheit' ift, eben der rationalen Begründung
des eigentlich Autoritativen in ihr nicht ent-
raten kann.
Der wertvollfte Beitrag fcheint mir in der II. Vorlefung
(Miracle and Character, nämlich Chrifti) vorzuliegen.
Wunder und Offenbarung hängen dergeftalt zufammen,
daß jenes öfter als Garantie für diefe aufgefaßt wird. Dem
will E. entgegenwirken. Die philofophifche und hiftorifche
Kritik mag manches von dem überlieferten Wunderbaren
beifeite legen, wenn nur der wunderbare Charakter der
Offenbarung felbft gewahrt bleibt! (Und das Johannesevangelium
?) ,Faith in Christ is a thing far greater than
belief in miracles' (p. 86). Hier werden den Apologeten
des zweiten Jahrhdts. wertvolle Richtlinien für die Beurteilung
der Wunderfrage entnommen (p. 58 ff.), ,1t was
just because the Church of the second Century had faith,
that miracle continued and did not cease' (p. 81, vgl. die
fchönen Sätze über jene Geiftgewappneten p. 76T.). ,The
final and fundamental question is rather this, — Do
miracles happen? Can faith still see the hand of God in
the occurences of every day?' Hier trifft Verf. zugeftan-
denermaßen auch mit Ritfehl zufammen (p. 82) und zeigt
fich in der Tat als einer von denen ,who feel the imperious
needs of this straining age' (p. VIII).
Betheln (Hann.). E. Hennecke.
Pfättilch, Subrekt. Pat. loa. Maria, O. S. B.: Der Einfluß
Piatos auf die Theologie Juftins des Märtyrers. Eine dog-
mengefchichtl. Unterfuchg., nebft e. Anh. üb. die Kom-
pofition der Apologien Juftins. (Forfchungen z. chrifti.
Literatur-u.Dogmengefch. X.Bd. i.Heft.) Paderborn,
F. Schöningh 1910. (VIII, 199 S.) gr. 8° M. 6 —
In diefer Schrift fucht Verf. den Nachweis zu liefern,
daß Juftin in Bezug auf die Tranfzendenz Gottes des
Vaters, die Mittlerrolle und die zeitliche Geburt des Sohnes,
des Logos, die Subordination des Logos, die Ewigkeit
der Materie von Plato abhänge (fo wie er Piato verftanden
habe). Dabei habe er aber die Perfönlichkeit Gottes, die
Perfönlichkeit und Göttlichkeit des Logos und des Geiftes
angenommen, die letztere aber nicht weiter verwendet.
Er habe geglaubt, die Einheit von Wiffen und Glauben,
von Philofophie und Chriftentum gefunden zu haben und
überfehe die Kluft, die feine platonifchen Anfchauungen
von der chriftlichen Lehre fcheidet. Die Lehre von dem
,keimhaften' Logos und von der Seele habe er auf pla-
tonifch-ftoifcher Grundlage aufgebaut.
Ich muß darauf verzichten, im Einzelnen die Beweife
des Verfaffers für feine Pofition anzuführen, die zum Teil
auf Interpretation einzelner Stellen ruhen, wobei er fich
mit den Gegnern eingehend auseinanderfetzt.
Aber einige Bedenken kann ich doch nicht unterdrücken
. Mir ift fraglich, ob Juftin nicht doch weit mehr
mit Philo in Verbindung fteht als der Verfaffer anerkennt
(57), weil er ihn nicht erwähne. Statt deffen meint er, Juftin
finde den Sohn Gottes in der Weltfeele Piatos (59), aber
nur fofern fie vovq ift ,Logos von Gott' (61), nicht fofern
fie Weltfeele fei. Das fcheint mir fehr künftlich. Jedem
falls wird der Gottesbegriffjuftins ebenfo fehr der jüdifchen
1 Tranfzendenz gerecht, wie der platonifchen. Ebenfo ift
mir zweifelhaft, ob Juftin wirklich dualiftifch eine ewige
Materie angenommen habe; nicht einmal fein Schüler
Tatian hat die Materie für ungefchaffen erklärt, obgleich
er ftark gegen das Hylifche eifert. Auch was er über
den Logos OJtEQfiaxixog und die Seele fagt, ift nicht
gerade übermäßig klar. Der Logos onaQiiaxtxög foll wie
! die Seele ein Teil des ganzen Logos fein. Juftin habe als
Platoniker die Seele für einen Teil des göttlichen Logos
gehalten und auch als Chrift diefe Meinung beibehalten
(120). Der Logos foll fich der Seele nur foweit mitgeteilt
haben, als es die menfehliche Natur geftattet und der
keimhafte Logos fei ein Teil des ganzen Logos wenigftens
der Wirkung nach (117); bei Chriftus fei an die Stelle
j des keimhaften Logos der ganze Logos getreten (123).
Ich vermag keine klare Vorftellung mit diefen Ausfagen
zu verbinden. Es fehlt auch eine gründliche Auseinander-
1 fetzung mit dem ftoifchen Begriff des Xoyog ajtEQfiaxixog
oder der Xoyoi ßxeQ^iaxixoi. Wenn der Logos göttlich
und perfönlich ift, wie kann der Logos ßjitQfiaxixuq ein
Teil des ganzen Logos fein. Der Verfaffer beachtet nicht
genug, daß es Juftin darum zu tun ift, zu zeigen, daß der
Logos fich immer in der Welt betätigt, in der Schöpfung,
in der Seele des Menfchen, und vollkommen erft in Chriftus
. So dient ihm die Logoslehre dazu, die Einheit der
Schöpfung und Erlöfung — von der der Verf. viel zu
! wenig redet — von Vernunft und Offenbarung begreiflich