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Ausgabe:

1911 Nr. 2

Spalte:

41

Autor/Hrsg.:

Steinmann, Alphons

Titel/Untertitel:

Aretas IV., König der Nabatäer 1911

Rezensent:

Holtzmann, Oskar

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41

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 2.

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des Paulus, eine Frage, die ja bis in die neuefte Zeit die
Geifler befchäftigt hat. K. fetzt fich ausführlich mit den
verfchiedenen Hypothefen auseinander und fucht ihre
Unhaltbarkeit nachzuweifen; nur eine Löfung wird den
verfchiedenen Textftellen nach K. gerecht, nämlich die
von ihm vertretene, daß P. an Conjunctivitis granulofa
litt. Bei ftärkerer Granulofe habe der Kranke das Gefühl
, als ob fich ein Fremdkörper in feinem Auge befinde
, daher fage P. 2 Kor. 12,7 söod-tj u.01 Oxöloip xfi
oagxi ufw. Es würde zu weit führen, die ganze eigenartige
Begründung und Kritik zu geben, nur das fei getagt
, daß m. E. ihm weder eine wirkliche Erfchütterung
der jetzt von den meiden vertretenen Anfchauung, noch
eine überzeugende Begründung feiner Pofition gelungen ift.

Aber trotz aller Ausftellungen, die ich zu machen
habe, will ich nicht unterlaffen, noch einmal den ftaunens-
werten Fleiß und die Sorgfalt herauszuheben, mit der
hier alles irgend in Betracht kommende Material zu-
fammengetragen ift, fo daß der Lefer in der Lage ift,
fich ev. ein eigenes Urteil zu bilden.

Straßburg i. Elf. W. Nowack.

Steinmann, Prof. Dr. Alphons: Aretas IV., König der Naba-

täer. Eine hiftorifch-exegetifche Studie zu 2 Kor 11,
32b [Aus: Biblifche Zeitfchrift VII, 2—4.] Freiburg i. B.,
Herder 1909. (VI, 44 S.) gr. 8° M. 1 —

In gründlicher Arbeit befpricht der Verf. den zeit-
gefchichtlichen Hintergrund von II. Kor 11, 32f. DieLitera-
tur ift reich verwertet. Doch dürfte ausdrücklich gefagt
fein, daß Schürer in feinem großen Werke einen eigenen
Abfchnitt über die Gefchichte der nabatäifchen Könige
(4. Aufl. I 72(3—744) eingefügt hat, der alles Material
bringt; St. verweift doch im Einzelnen öfters auf diefe
Seiten. Seltfamerweife ift S. 5 Anm. 2 ein nach dem
Thefaurus des Stephanus gegebenes Zitat aus Stephanus
Byzantinus nur nach dem zufälligen Fundorte bezeichnet.

Das Intereffe der Schrift liegt bei dem Verhältnis
Aretas IV. zu Damaskus. Noch in der letzten Zeit des
Tiberius gehört Damaskus nicht zu Arabien, fondern zu
Syrien (Jofeph. antt. 18, 125.153); aus der Zeit desCaligula
und Claudius fehlen die fonft vorhandenen Kaifermünzen.
St. entnimmt nun aus II Kor 11,32, daß die Stadt von
Caligula an Aretas IV. verfchenkt wurde auf Betreiben
des Herodes Agrippa, der feinen Onkel Antipas damit
ärgern wollte. Das hält St. für ficher, weil der Ethnarch
des Aretas zwar kein Statthalter, aber ein in den Dienft
des Aretas getretener Stammesfürft (Scheich) fei. Das
ift richtig. Bei dem Nachweis fällt nur auf, daß Hyrkan
II. fälfchlich S. 18 als Johannes Hyrkan bezeichnet wird.

Aber mit alledem ift nicht gegeben, daß diefer Ethnarch
des Aretas in Damaskus irgendwelche Hoheitsrechte
dauernd ausübte. Nach II Kor 11,32 befetzte er (icpgovgai)
die Stadt der Damaskener, aber nur, um Paulus zu greifen
(jtiäöai pe). Der Sinn, den St. herauslieft, forderte
den Ausdruck: Der Ethnarch, welcher befetzt hielt, wollte
mich greifen (oc eqjgovgsi, ?]&£).£ sciaöai). Ob der Hand-
ftreich gegen die civitas libera ungeftraft hinging, wiffen
wir nicht. Als gefährlicher Friedensbruch erfchien es
wohl kaum, wenn der Scheich mit einer Anzahl Leute
in die Stadt kam, um den läffigen Mann in feine Gewalt
zu bringen.

Es ift doch ungleiches Maß, wenn St. aus II Kor
11, 32 eine Zugehörigkeit von Damaskus zu Arabien herauslieft
, aber aus Gal 1,1^ (ajtrjld-ov elg Agaßlav xai Jtäfav
VTieorgeya elg AapaOxöv) nicht das Gegenteil entnimmt.
Wenn Paulus von Arabien nach Damaskus zurückkehrt,
fo gehört eben Damaskus nicht zu Arabien: — folche
einfache Dinge follte man nicht durch Klügeleien verwirren
.

Gießen. Oskar Holtzmann.

Batiffol, Pierre, Orpheus et l'Evangile. Paris, V. Lecoffre
1910. (XV, 284 p.) 12° fr. 4 —

Die Schrift des auch unter uns wohl bekannten und
hochgefchätzten katholifchen Gelehrten ift die Wiedergabe
eines Zyklus von acht Vorträgen, die im Januar
und im April 1910 zu Verfailles gehalten wurden. Sie
handeln von der Glaubwürdigkeit der evangelifchen Überlieferung
{Quelles sont les garanties critiques de l'histoire
de Notre Seigneur en generali 011 plus brievement, De
la croyance due a l'Evangile). Sie wollen zugleich die
Antwort der Katholiken auf das Buch Salomon Rei-
nach's liefern, welches unter dem Titel Orpheus den Ur-
fprung aller Religionen auf abergläubige Scheu zurückführt
und in eine histoire universelle des tabous auflöft.
Es darf fofort feftgeftellt werden, daß die gegen Reinach
gerichtete, ebenfo fcharfe als vornehme, meift in den
Anmerkungen durchgeführte Polemik als eine wohl gelungene
bezeichnet werden kann. Im Anfchluß an Loify,
Lagrange, Grandmaifon, weift B. die erreurs d Information.
fowie die erreurs de methode et de jugemcnt im Buche
Reinachs nach. Von größerer Wichtigkeit und von allgemeinerem
Intereffe find indeffen die pofitiven Ausführungen
des Verf.s.

Die Anlage des Buchs entfpricht vollkommen dem
von B. verfolgten Ziel. Der Gang der Unterfuchung
führt von den Außenwerken der evangelifchen Gefchichte
allmählich in den Mittelpunkt derfelben hinein. Die zwei
erften Vorträge handeln von Jofephus, den Ausfagen der
Rabbinen und den Zeugniffen der römifchen Hiftoriker.
Die Unechtheit der Jofephusftelle, Anliq. 18,63—4 fleht
für den Verf. außer Frage. Die Stimmung, die Plinius
und Tacitus dem Chriftentum entgegenbringen, charakteri-
fiert B. fehr treffend. Der dritte, dem katholifchen
Kanon gewidmete Vortrag, geht zunächft die von der
Kirche verworfenen fog. apokryphifchen Evangelien durch,
um fodann den Prozeß der Kanonifation der Evangelien
zu erklären: le criterhtm de l'Eglise etait un criterium
d'autorite, . . le criterium de la garantie apostolique (77—8).
Diefes Ergebnis will B. nicht durch die Anwendung des
j dogmatifchen Machtfpruchs eines providentiellen Kanons,
fondern durch eine forgfältige Unterfuchung der aus der
Gefchichte erkennbaren menfchlichen Faktoren gewonnen
haben. Der vierte Vortrag, der der Stellung des Apoftels
Paulus zum hiftorifchen Jefus gilt, enthält u. a. eine in-
tereffante Auseinanderfetzung mit Joh. Weiß' .Paulus und
Jefus', namentlich mit feiner Erklärung von 2 Kor. 5, 14—16.
Das nun folgende Kapitel über die Apoftelgefchichte
lehnt fich im wefentlichen an Harnacks Arbeiten an.
Die drei letzten Vorträge handeln von den Evangelien,
der Echtheit der Worte Jefu und der Gefchichtlichkeit
der Tatfachen feines Lebens.

Der Verf. erhebt den Anfpruch, objektive Kritik zu
treiben. Nous nous informons de ce que voient et pensent
les gens de bon sens de notre temps et de notre metier;
nous verifions et nous restituons avec respect, avec patience.
avec prudence, la tradition; chacun de nous voudrait
meriter le titre imaguie dans un autre sens par Tertullicn
d'illuminator antiquitatum (XIV). In der Tat, was bei
allem Unterfchied der erzielten Refultate, jeden unbefangenen
Lefer und befonnenen Beurteiler tympathifch
berühren wird, ift das Beftreben B.s, der gefchichtlichen
Methode treu zu bleiben und die von ihm erörterten
Probleme nicht unter der Hand in das dogmatifche Gebiet
hinüber zu fpielen. Seine Vertrautheit mit den
älteren und neueften Forfchungen der proteltantifchen,
vor allem der deutfchen Gelehrten verdient unbedingte
Anerkennung. Er weiß ihnen, zur Begründung der von
ihm vertretenen traditionellen Anficht, Gefichtspunkte
und Argumente abzugewinnnn, die der Überlieferung zugute
kommen. Wenn er Harnack, Jülicher, Joh. Weiß
zuweilen als Bundesgenoffen gegen Reinach heranzieht,
fo übt er dabei nicht das Verfahren eines auf gefchickte

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