Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1911 Nr. 20

Spalte:

632-634

Autor/Hrsg.:

Smend, Julius

Titel/Untertitel:

‘Dem Volke muß die Religion erhalten werden’. Rede 1911

Rezensent:

Knoke, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

631

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 20.

632

Sprache und durchfichtigen Formen dargebotenen Inhalt,
vielleicht mit Ausnahme der Reflexionen über die Willensfreiheit
, rückhaltlofen Beifall zollen zu dürfen und bedauert
nur das eine, daß gelegentlich die unglückliche
Formel, vor der er fchon einmal zu warnen Anlaß hatte,
.Theologie fei ohne Metaphyfik nicht möglich', erneuert
wird. Ift fle doch irreführend und geeignet, die in der
proteftantifchen Theologie fo dringend nötige Ver-
ftändigung zu erfchweren. Denn was fle, nach dem in
der Theologie und erft recht in der Philofophie prädominierenden
Sprachgebrauch, zu fagen fcheint, daß die
Theologie ohne eine theoretifch erwiefene Weltanfchauung
unmöglich fei, ift nicht die Meinung des Autors, glücklicherweife
nicht. Was fle aber befagen foll, daß das
Intereffe der Theologie auf eine ,Glaubensmetaphyfik', auf
eine im Glauben und Vertrauen wurzelnde, ins Transzendente
hinüberreichende Weltanfchauung gerichtet fei,
ift eigentlich felbftverftändlich, wird wohl auch von keinem
Einfichtigen beftritten, fpeziell nicht von denjenigen, die
den Kampf gegen die Metaphyfik in der Theologie eröffnet
haben oder weiter führen.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Thieme, Prof. D. Karl: Von der Gottheit Chrifti. Gegen
den religiöfen Rückfehritt in Grützmachers Dreieinigkeitslehre
. Ein theologifches Bedenken. (78 S.) 8°.
Gießen, A. Töpelmann 1911. M. 1.60

,Vater, Sohn und Geift find ad intra nicht abfolut,
denn keine der drei — ad extra abfoluten — Perfönlich-
keiten war ohne die andere exiftenzfähig. . . . Gott ifl:
in feinem ewigen Wefen Kraft innerer Notwendigkeit der
dreieinige Vater, Sohn und Geift, Kraft innerer Notwendigkeit
fowohl feiner Liebe als auch feiner Perfönlichkeit.
Vater, Sohn und Geift find die drei Geftalten, deren es
bedarf, fowohl damit Gott in feinem Leben Liebe, als
auch damit Gott Perfönlichkeit fei.' — ,Wo ifl: das Sym-
bolum Quicunque? Gebt es mir! ich will es zehnmal be- I
fchwören, ehe ich die Sätze unferer Philofophen nur einmal
anders als Aberwitz nenne.' Es ift fchade, daß |
Thieme der Verfuchung widerftanden hat, diefe Worte j
Straußens über Weiße gegen Richard Grützmachers neuefte ;
Trinitätslehre zu wiederholen. Denn, bei der beklagens-
werten Kürze unferes Lebens und bei den der heutigen
Theologie und Kirche geftellten Aufgaben, bieten auch j
Th.s intereflante Beiträge zur Trinitätslehre Auguftins und j
Luthers, fowie feine wertvollen Erörterungen über das
Selbftbewußtfein Jefu und einzelne chriftologifche Probleme
Kants keinen genügenden Erfatz für das Opfer, das Grützmachers
Betrachtungen über ,das, was für das einheitliche
Wefen der Trinität constitutiv ift oder nicht,' dem Theologen
zumuten. Es fcheint, daß es noch Lefer gibt, die
in folchen Betrachtungen ein Mufter fpekulativen Tiefflns
bewundern; wer von Kant, Schleiermacher und Ritfehl
gelernt hat, wird vorausflchtlich eine andere Sprache
fuhren.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Zwei Denkfchriften zurMiliionsgefchichte: I. Schmidlin, Prof.
Dr.: Über die Herausgabe miffionsgefchichtlicher Quellen
. II. Streit, Pat. Rob., O. M. L: Über die Herausgabe
e. Mifflonsbibliographie. (25 S.) Lex-8°. Freiburg
i. B., Caritas-Verlag 1911. M. —80

Eröffnung des Akademifchen Miffionsvereins zu Münlter i. W.
Ein Beitrag zur Gefchichte der katholifchen Miffions-
bewegung in Deutfchland. Den katholifchen Kommilitonen
an allen deutfehen Hochfchulen gewidmet vom
Vereinsausfchuß. (49 S.) 8°. Münfter i. W., Afchendorff
1910. M. —50

Diefe Schriften find Zeugniffe des Auffchwungs, den

der Miffionsfinn der Katholiken in den letzten Jahren
durch die Tätigkeit der Miffionskommiffion der Katholikentage
unter der Führung des Fürften von Löwenftein
genommen hat. In der zweiten Denkfchrift legt Pater
Robert Streit O. M. I. den Plan einer umfaffenden katholifchen
Mifflonsbibliographie nach Zweck, Inhalt, Anlage
Ausführung und Finanzierung dar; er hofft, daß dies
Unternehmen durch einen jährlichen Betrag von etwa
7000 M in etwa 6 Jahren vollendet werden könne. Bedeut-
famer noch ift die erfte Denkfchrift, in der Profeffor Dr.
Schmidlin in organifcher Verbindung mit jener Mifflonsbibliographie
die ebenfalls befchloffene Herausgabe miffionsgefchichtlicher
Quellen erörtert. Nachdem er die
Notwendigkeit und Schwierigkeit des Unternehmens und
die finanziellen Deckungsmittel befprochen hat, entwickelt
er bis ins Einzelne den Gedanken eines miffionshiftorifchen
Inftitutes mit einer engeren und weiteren Kommiffion und
einer miffionswiffenfchaftlichen Zeitfchrift; er behandelt
die Quellengattungen und Quellenfundorte, wobei er vor-
fchlägt, fleh auf die Miffion unter Nichtchriften, auf das
fpätere Mittelalter vom 13. Jahrhundert und auf das 16—18.
Jahrhundert zu befchränken, und gibt Winke für Materialaufnahme
und Publikationsform, wobei ihm als Vorbild
die Monumenta Germaniae historica vorfchweben. Der
ganze Plan entfpricht den Anforderungen der modernen
Wiffenfchaft; feine Verwirklichung wäre mit Freuden zu
begrüßen, zumal Schmidlin auch nicht den Einwand fürchtet
, daß auch alle Blößen und Schwächen der katholifchen
Miffionen fo an die Öffentlichkeit gezerrt werden
müßten und fo die von der Gefchichte um die Stirn der
katholifchen Miffion gezogene Aureole zu verblüffen drohe.
Bezüglich der Koften rechnet er weniger auf die Mifffons-
vereine, als vielmehr auf ftaatliche Zuwendungen und auf
Unterftützung feitens des Papftes, der Propaganda, der
Bifchöfe, der Orden und einzelner katholifcher — vielleicht
auch akatholifcher — Mäzenaten. Zu Anfang müffe man
mindeftens über 20000 Mark verfügen.

Die dritte Schrift berichtet von der Entftehung und
Eröffnung des akademifchen Miffionsvereins zu Münfter,
deffen Urfprung ebenfalls auf eine Anregung des Katholikentages
von Breslau und auf die Tätigkeit von Profeffor
Schmidlin zurückgeht. Beigefügt find die Satzungen des
neu gegründeten Vereins, die Einladung zur Eröffnungs-
verfammlung, fowie folgende Anfprachen: Fürft Löwenftein
über Student und Miffion; Prof. Mausbach über
Heidenmiffion und Religionsgefchichte; Abt Weber über
die kulturelle Hebung der Eingeborenen unferer Kolonien
und ein Teil der Eröffnungsanfprache von Prof. Schmidlin
. Erwähnt fei, daß die Neugründung ein bewußtes
Gegenftück zu den 27 proteftantifchen akademifchen
Miffionsvereinen bildet, und fleh rühmt, gleich in ihren
Anfängen mehr Mitglieder zu zählen als jene 27 zufammen,
nämlich 276 Angehörige der theologifchen, 231 der phi-
lofophifchen, 33 der juriftifchen und 31 der medizinifchen
Fakultät; davon entfallen 244 auf katholifche Korporationen
und 186 auf das Kollegium Borromaeum und das
Priefterfeminar. Der Verein fordert zweckmäßiger Weife
keine Geldbeiträge, fondern will Intereffe und Verftändnis
wecken unter den zukünftig führenden Kreifen der Katholiken
. Das Heftchen enthält mancherlei Beherzigenswertes
.

Frankfurt a/Main. W. Bornemann.

Smend, Prof. Dr.Julius: ,Dem Volke muß die Religion erhalten
werden'. Rede zur Feier des Geburtstags Sr. Majeftät
des Kaifers am 27. Januar 1911 in der Aula der
Kaifer-Wilhelms-Univerfität Straßburg geh. Straßburg,
J. H. Ed. Heitz 1911. (32 S.) gr. 8» M. 1.20

Das Thema diefer Rektoratsrede bezeichnet eine unzweifelhaft
aktuelle Kulturaufgabe der Gegenwart. Bei
der vorliegenden Behandlung derfelben wird die Er-