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Ausgabe:

1911 Nr. 20

Spalte:

617-618

Autor/Hrsg.:

Krauß, Samuel

Titel/Untertitel:

Talmudische Archäologie. Bd. I u. II 1911

Rezensent:

Strack, Hermann L.

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 20.

618

Krauß, Prof. Dr. Samuel: Talmudifche Archäologie. Band I.
(II). Mit 29 (35) Abbildungen im Text. (Schriften,
hrsg. von der Gefellfch. z. Förderg. der Wiffenfchaft
des Judentums. Grundriß der Gefamtwiffenfch. des
Judentums.) Leipzig, Buchhandlung G. Fock G. m. b. H.
1910 (1911). (XIII, 720 u. VII, 722 S.) gr. 8°

je M. 20 —; geb. M. 21 —

Je mehr ich mich bemühte, teils zu eigener Belehrung,
teils zum Nutzen Andrer die Monographieen über die ver-
fchiedenen Gebiete der talmudifchen Archäologie zu
fammeln (vgl. die in meiner Einleitung in den Talmud,
4. Aufl., Leipzig 1908, Kap. XII genannte Literatur), defto
mehr wuchs mir der Wunfeh nach dem Befitze eines zu-
fammenfaffenden Handbuches. Diefer Wunfeh wird jetzt
erfüllt durch Dr. Samuel Krauß, Profeffor an der Ifraeli-
tifch-theologifchen Lehranftalt in Wien. Der Verfaffer
ift, von kleineren Veröffentlichungen abgefehen, bekannt
geworden durch das zweibändige Werk ,Griechifche und
lateinifche Lehnwörter in Talmud, Midrafch und Targum'
(Berlin 1898.1899), deffen zweiter Band, obwohl leider
Handfchriften und ältefte Drucke nicht im genügenden
Maße benutzt find, doch eine wertvolle Wörterfammlung
mit teilweife recht nützlichen Erläuterungen ift, und durch
,Das Leben Jefu nach jüdifchen Quellen' (Berlin 1902),
eine fleißige Arbeit über die Tholdoth-Jefchu-Literatur.
Zwei Bände feines neuen großen, auf drei Bände berechneten
Werkes liegen vor (der Schlußband foll in etwa
Jahresfrift erfcheinen). Sie berechtigen zu einem Urteil
über das Ganze, und dies kann bei Jedem, der die gewaltigen
zu überwindenden Schwierigkeiten auch nur
einigermaßen kennt, nur dahin lauten: Prof. Krauß hat
fich nicht nur um alle, welche die Talmude und die talmudifche
Zeit wiffenfehaftlich erforfchen wollen, fondern
auch um die Altteftamentler wie die Neuteftamentler ein
großes Verdienft erworben, und fie find ihm für feinen
aufopfernden Bienenfleiß warmen Dank fchuldig, wie fie
feiner ftaunenswerten Belefenheit und feiner Geftal-
tungskraft freudige Anerkennung zollen müffen. Der
Verfaffer bemerkt befcheiden, er gebe fich bezüglich der
Kenntnis fo verfchiedenartiger Realien, über die noch ;
dazu in einem fremdartigen Idiom und nur in gelegentlichen
Notizen berichtet werde, keiner Täufchung hin.
,Man kann nicht zugleich Theologe, Philologe, Archäologe
und auch Maurer, Schneider, Landwirt, Schmied, Mufiker
ufw. fein'. Aber beim Lefen feines Buches empfindet man
kaum, daß man nicht von einer ganzen Menge von Spezia-
liften geleitet wird. Ein gutes Zutrauen erweckt fchon
in Jedem, der Immanuel Löw-Szegedin kennt, die Bemerkung
des Vorworts, daß diefer ausgezeichnete Gelehrte,
dem das Buch auch gewidmet ift, dem Werke feine fördernde
Teilnahme gewidmet habe. Eine faft überwältigende |
Fülle von Anmerkungen (fie füllen trotz kleinem Drucke
753 von 1442 Seiten!) gibt die Möglichkeit, jede Angabe
des Textes nachzuprüfen, enthält auch nicht wenig Weiter-
führendes. Der Text lieft fich gut. Unbequem ift nur, j
daß die Anmerkungen nicht neue Paginierung haben und
daher nicht leicht befonders gebunden werden können.

Auf Einzelheiten einzugehn fcheint mir folchen Werken
gegenüber an diefer Stelle nicht recht. So will ich nur
bemerken, daß ich gern häufigere Verweifungen auf das
Alte Teftament gefehen hätte, z.B. II, 71 Ablegen der
Sandalen Jef. 20, 2; II, 319 Dürft der Karawanen Hiob 6,
15 ff; II, 321 das Zufammentreffen mit einem Mädchen aus
der fremden Stadt glückliche Vorbedeutung Gen. 24.
Merkwürdig, daß der 101 Seiten füllende grundgelehrte
Artikel ,Koimeterien' von Nik. Müller in PRE, 3. Aufl.,
Bd. X ohne Erwähnung geblieben ift (II, 71 ff. u. 486 ff.)

Die beiden bis jetzt erfchienenen Bände behandeln
in acht Abteilungen: I, Wohnung und Hausgerät: Höhle,
Hütte, Zelt; Haus und Hof, Baumaterial; Bau; Umgebung
des Haufes (Garten, Malen, Verkauf, Miete); Hausgerät.

1 II, Nahrung und ihre Zubereitung. III, Kleidung und
Schmuck. IV, Körperpflege: Wafchungen und Badewefen,
Kosmetik, Medizin. V, Familienleben: Familie (Kind, Erziehung
, Ehe, Erbfchaft); Trauerriten; Sklaven und Lohnarbeiter
; Haustiere, Hirten, Jagdleben. VI, Landwirtfchaft:
Klimatifches, Ackerbau; Wald, Garten; Öl und Wein.
VII, Gewerbe: Allgemeines: Leder und Holz, Ton und
Stein, Metallarbeiten. VIII, Verkehr und Handel: Reifen,
Straßen, Märkte; Maße, Gewichte, Münzen; Zeitrechnung.

Berlin-Großlichterfelde W. Herrn. L. Strack.

Kritzinger, Hans-Hermann: Der Stern der Weifen. Aftrono-
mifch-kritifche Studie. Mit einem Geleitwort von Gen.-
SuperintD.Wilh.Faber. (VII, 120S. m.Abbildgn.) 8°.
Gütersloh, C. Bertelsmann 1911. M. 2.50

Eine aftronomifch-kritifche Studie über den Stern der
Weifen begegnet heute mit gutem Grund von vornherein
ernften Bedenken. Verfaffer diefer Studie weiß das; er
fragt, ob der Zug der Magier nicht als eine Ausfchmük-
kung der Kindheitsgefchichte Jefu im Geifte der damaligen
Zeit anzuflehen fei, ,zumal die naive Erzählung des Evan-
geliften von einem Stern, der über einem beftimmten
Haus ftehen bleibt, doch für eine aftronomifche Deutung
keinerlei fefte Grundlagen zu bieten fcheint'. Aber folche
Bedenken werden niedergefchlagen. _ ,Man muß fich vor
Augen halten, daß die fchlechtefte Überlieferung immer
noch beffer als die fchönfte Hypothefe ift' (S. 6. 7). Und
fo baut denn der Verf. eine fchöne Hypothefe auf eine
fehr fchlechte Überlieferung auf.

Zu dem Zwecke wird der Text des Matthäus klar-
geftellt. Zwar heißt fiäyoi axo avaxoläv 2,1 .Magier von
Morgenland'. Aber ihre Rede 2,2 tidofttv-Tov aOtiQa
avrov iv t% dvaro^fj weift mit avaioXi] nicht auf das
Land hin, aus dem fie kommen, fondern auf die Himmelsgegend
, in welcher der Stern erfchienen ift, und zugleich
auf die Tageszeit feines Erfcheinens: .haben wir doch
feinen Stern im Frühaufgang gefehen'. Nur auf diefe
Änderung kann es fich beziehen, wenn Kritzinger S. 79
meint, daß in feinem Text der kindlich naive Charakter
der Erzählung in der Lutherfchen Überfetzung bedeutend
verändert fei. Das ift hier kein Vorzug.

Aber im Jahr 7 v. Chr. erfolgten drei Konjunktionen
der Planeten Jupiter und Saturn am 29. Mai, 1. Oktober
und 5. Dezember, die bei der großen Annäherung beider
Sterne an einander einen höchft auffälligen Anblick boten.
Dazu kam am 25. März die Bedeckung eines hellen Sterns
im Sternbild der Jungfrau durch Mars, was die Aftrologen
auf die Erzeugung des Meffias, und zwar in Jerufalem und
nicht in Rom hätten deuten können. Die Konjunktionen
treten ein im Sternbild der Fifche, was aftrologifch wichtig
erfchien.

Für die Gefchichte Jefu trägt das alles nichts aus. Die
Erzählung des Matthäus redet nicht von einer Konjunktion
von Planeten, deren allmähliches Zufammenrücken die
aftrologifchen Magier doch beobachtet hätten, fondern von
einem und demfelben Stern, den die Magier zuerft im
Morgenland gefehen haben und nun zu ihrer freudigen
Überrafchung wieder auf dem Weg nach Bethlehem fehen.
Der überkindlichen Auffaffung Kritzingers, daß der Stern
fie geführt habe, folange fie gingen, und ftehen geblieben
fei, wo fie ftehen bleiben, hat fchon Schmiedel entgegengehalten
, daß hier doch ein Wunder berichtet fein ferne.
Darauf erwidert Kritzinger: ,uns erfcheint aber die erfte
Deutung viel natürlicher zu fein' (S. 95).

Gisßen. Oscar Holtzmann.

Daechfel, Superint. H. Theob.: Kulturgefchichtliche Streifzüge
durch die paulinifchen Schriften. Erweiterter Vortrag
auf der fchlef. Prediger-Konferenz Breslau, am

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