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Ausgabe:

1911

Spalte:

615-616

Autor/Hrsg.:

The John Rylands Library, Manchester: Catalogue of an Exhibition of Manuscript and printed Copies of the Scriptures

Titel/Untertitel:

illustrating the History of the Transmission of the Bible 1911

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 20.

616

of the Bible in English, 1525—1611. Edited, with an
introduction. London, H. Frowde 1911. (XII, 387 p.)
8» s. 5 —

Auf 300 Seiten find 53 Urkunden hier vereinigt, mit
einer Einleitung von 76 Seiten. Die letzte geht von der
Wyclif-Bibel, die man eigentlich Oxford er Bibel nennen
follte, fofort auf Tyndales Neues Teftament von 1525 über,
weil es fich wefentlich um die Gefchichte der gedruckten
Bibel handelt. Auch von den Urkunden ftammt nur die
erfte aus vorgutenbergifcher Zeit, die Beftimmung eines
Oxforder Provinzialkonzils von 1408: Scriptura sacra non
transferatur in linguam vulgarem nec translata interpre-
tetur donec rite fuerit examinata sub pena excommuni-
cationis et nota hereseos. Rückficht auf den Raum verhindert
ausführlicheren Bericht; hingewiefen fei auf die häufige
Erwähnung Luthers; Nr. XI der Urkunden ift Heinrichs
VIII Antwort auf Luthers Brief vom 1. Sept. 1525
(englifch). Vermißt habe ich eine Beziehung auf Reufch,
die Indices librorum prohibitorum Nr. I ff. u. Fredericq's
Corpus document. inquis. haeret. prav. Neerlandicae V,
184 (S. 135 lies 1526 ftatt 1525 u. Wilsenaken ftatt Wilse-
raken).

Ob wir auch einmal ähnliche Arbeiten zur Gefchichte
der deutfchen Bibel erhalten?

3) Aus Anlaß des Jubiläums wurden Ausftellungen
veranftaltet, deren Kataloge und Einleitungen zum Teil
bleibenden Wert haben. Ich erwähne

a) British Museum Bible Exhibition 1911. Guide to the Manu-
scripts and Printed Books Exhibited in Celebration of
the Authorized Version. Withs eight Plates. Printed
by Order of the Trustes 1911. 64 S. d. 6

b) The John Rylands Library, Manchester: Catalogue of an Exhibition
of Manuscript and printed Copies of the
Scriptures, illustrating the History of the Transmission
of the Bible, shown in the Main Library from March
to December, MCMXI. Trecentenary of the .Authori-
sed Version' of the English Bible A.D. 1611 —1911.
London, B. Quaritch 1911. (XIV, 128 p.) gr. 8° d. 6

c) Glasgow University Library. Catalogue of an Exhibition of
Bibles in commemoration of the Trecentenary of the
Authorized Version 1611—1911 with a prefatory sketch
and notes by George Milligan, DD. Glasgow, James
Maclehose and Son 1911. 39 S. 3 Pence.

Aus der unvergleichlichen Sammlung des Brit. Mus.
find 27 Handfchriften, 60 Drucke, 20 Briefe und Urkunden
zur Schau geftellt. Nur Nr. 38, der Wormfer Druck von
Tyndales N. T. von 1525/6, von dem nur noch ein zweites
defektes Exemplar in der St. Paul's Cathedrale exiftiert,
ift vom Baptiften-College in Briftol geliehen.

Am reichhaltigften ift der Rylands-Katalog. Von
S. 99—117 gibt er eine Auswahl von Werken für das
Studium der Bibel in den Originalfprachen und Über-
fetzungen, mit einer fpeziellen Unterabteilung für die
englifche Bibel. Unter den ausgeftellten Schätzen ift eine
famaritanifche Hdf. von 1211, eine fyrifche von c. 550, eine
andre von 1208, Unikum, weil vollftändiges N.T. mit Apo-
kalypfe in der harclenfifchen Überfetzung. Unter den
Fakfimiles ift die Spalte der He- und She-Bible.

Milligans Einleitung ift gleichfalls gut

In b ift noch vorausgefetzt, daß Tyndale in Marburg
gewefen fei. Hat diefe Annahme einen andern Grund
als den fingierten Druckort ,Marburg in Heffen', unter dem
man jetzt meift Antwerpen fucht?

Heiter ift, daß die Engländer fich noch nicht über
die Orthographie ihrer AV vereinigen können; Oxford
und Glasgow fchreibt z, Cambridge und Manchefter s.

Luthers Einfluß auf die englifche Bibel genauer,
als es bisher gefchah, feftzuftellen, wäre eine hübfche

Aufgabe, die durch diefe Veröffentlichungen nahe gelegt
wird.

Maulbronn. Eb. Neftle.

Sellin, Prof. DD. Ernft: Die israelitifch-jüdirche Heilandserwartung
. 3. Taufend. (Biblifche Zeit- und Streitfragen.
V. Serie. 2./3. Heft.) (84 S.) gr. 8°. Gr. Lichterfelde-
Berlin, E. Runge 1909. M. 1 —

Sellin verlieht es, die viel verhandelten Probleme der
früher fogenannten ,meffianifchen Weisfagungen' in anziehender
, oft fehr lebendiger Form vor einem breiteren
Kreife zu erörtern. Er knüpft an die gewonnenen Re-
fultate an und fucht zugleich über fie hinauszuführen.
Obgleich er vielfach betont, von Anderen gelernt zu haben,
fpürt man doch überall trotz der populären Darfteilung
den Geift des felbftändigen Forfchers, der die Gefchichte
nach feiner eigenen Erkenntnis geftaltet. Die .Heilands-
erwartung' wird von der altisraelitifchen Zeit bis in die
Apokalyptik verfolgt; darüber hinaus weift § 5 auf den
altorientalifchen Hintergrund der israelitifchen Ideen,
während der Schluß ihre Erfüllung durch Jefus darlegt.
So entfaltet fich vor den Augen des Lefers ein anfchau-
liches Bild von dem allmählichen Wachstum ,der einen
großen, die ganze israelitifch-jüdifche Gefchichte durchziehenden
, aber fehr verfchiedene Formen annehmenden
Rettererwartung, die in Jefus Chriftus ihr gottgewolltes
Endziel erreicht hat'.

Sellin vermeidet den irreführenden Ausdruck ,Meffias'
und redet lieber von einem .Heiland' (auch .Erlöfer', .Retter').
Aber heißt das nicht, den Teufel mit Beelzebul austreiben,
zumal in einer populären Darfteilung? Paffender, weil
weniger technisch, fcheint mir die von Breyfig geprägte
Bezeichnung .Heilbringer'. Aber wichtiger als dieser Streit
um den Namen ift der um die Sache. Das Hauptbedenken
des kritifchen Lefers richtet fich gegen die Ausführungen
im erften Teil, wo die traditionelle Auffaffung, wenngleich
in anderer Form, erneuert wird. In Gen. 12,2f.; 26,4;
27,27 fr. liegt nach Sellin .abftrakte, ideale Zukunftserwartung
, Heilseschatologie' vor (S. 8). In Gen. 49,22 ff; Dtn.
33,13 fr. werde Jofeph ,mit den Farben des im Volke
lebenden Bildes einer eschatologifchen Rettergeftalt gezeichnet
' (S. 8). Ferner hält er für möglich, daß in den
mannigfachen Erzählungen der Gefchichtsbücher über
gottgefandte Richter und Könige, die Israel aus feiner
Not befreien, .Motive entlehnt feien von einem ganz be-
flimmten, großen Erretterbilde' (S. 9). Der Stern, der
nach Num. 24, 16 ,aus Jakob' aufftrahlen werde, fei ,himm-
lifcher Herkunft, ein Wundermenfeh' (S. Ii). In Pf. 2. 21.
45. 110 werde der regierende König als .Heiland' gefeiert
(S. I3ff). Neben den Gedanken, daß der König felbft
der erfehnte Retter fei, trete II Sam. 23,5; 7,12—16 der
andere, daß fein Geschlecht Träger der Verheißung fei
(S. 17 f.). In allen diefen Fällen läßt fich die von Sellin
behauptete Thefe fchwerlich beweifen; denn die zitierten
Stellen laffen fich auch ohne die Annahme einer dahinter
flehenden Tradition aus den jeweiligen Umftänden begreifen
. Meift handelt es fich einfach um die Anwün-
fchung einer glänzenden Zukunft oder die mit orientalischem
Überschwang gefeierte Gegenwart. Will man trotzdem
vermuten, daß hier eine ältere Uberlieferung nachwirke
, fo dürfte man vielleicht mit größerem Recht an
eine urzeitliche als an eine endzeitliche Geftalt denken;
man vergleiche die ägyptifche Tradition von dem Gottkönig
Re, oder die babylonifche von dem Priefterkönig
Adapa. Die erfte fichere Stelle, wo ein .Heilbringer' bezeugt
ift, bleibt Gen. 49, ioff. Die Forschung muß Sellin
dankbar fein, daß er zu diefen und anderen Bedenken
Anlaß gibt und dadurch ihren Fortfehritt fördert, zumal
er in vielen Partien der Zuftimmung gewiß fein darf.

Berlin-Wellend. Hugo Greßmann.