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Ausgabe:

1911 Nr. 19

Spalte:

603-604

Autor/Hrsg.:

Toussaint, C.

Titel/Untertitel:

Epitres de Saint Paul. Leçons d’exégèse. I. Lettres aux Thessaloniciens, aux Galates, aux Corinthiens 1911

Rezensent:

Windisch, Hans

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 19.

604

fcharfe Logik in fich vereinigen. Freilich find fie keineswegs
nachzumachen. Sie find fehr lang und muten den Zuhörern
viel Abftraktion und angeftrengtes Nachdenken
zu. Dabei ift aber bewundernswert die Fähigkeit, aus
reichlich verftandesmäßigen Gedankenentwickhmgen zu
praktifchen Anwendungen überzugehen. Höchft anziehend
ift die Textbehandlung. Brooks gibt niemals eine fortlaufende
Auslegung; er kehrt auch im Verlauf der Predigt
feiten zum Text zurück. Gewöhnlich entwickelt er fogleich
in der Einleitung aus dem Text einen Gedanken, der dann
zum Thema der Predigt wird. Diefe Benützung des Textes
ift außerordentlich geiftreich, fo z. B. wenn er Jef. 60, 19
entnimmt, daß alle geiftigen Fortfehritte des Lebens
Fortfehritte find von einem Symbol zur Wirklichkeit, oder
2. Mof. 14, 30, daß alle Übel, gegen die die Menfchheit
kämpft, einmal tot hinter ihr liegen werden, oder wenn
er nach 1. Kor. 15, 24 fragt: Was bedeutet die Tatfache,
daß alles fein Ende findet? Nicht zu leugnen ift, daß
diefe Schriftbehandlung zuweilen künftlich und gewaltfam
wird, z. B. wenn er aus dem Wort von den Brunnen im
Jammerthal Pf. 84, 7 ableitet, daß Jammer in Freude verwandelt
, nicht bloß durch Freude erfetzt werden foll, oder
von Jef. 34, 5, daß die Waffen der Gerechtigkeit auf Erden
die gleichen feien müffen wie die der Gerechtigkeit im
Himmel. Dies führt auf Brooks Schriftgebrauch. Der ift
ganz unhiftorifch. Er gebraucht z. B. die Erfcheinungen
vor Stephanus und Paulus als Beweife dafür, daß die
Menfchheit Jefu auch noch über feinen Tod fortdauere,
in der überhaupt ganz unfruchtbaren Predigt über das ewig
Menfchliche. — Brooks bekennt fich als Anhänger einer
.gemilderten Theologie' und fagt feinen Zuhörern, was er
darunter verfteht. Mit deutfeher moderner Theologie
hat das nichts zu tun. Es ift eine Theologie, die den
gütigen Gott predigt im Unterfchied von dem ftrengen
Richter des alten Teftaments und des Puritanismus und
die Orthodoxie weniger in der verftändigen Überzeugung
von den Sätzen der Glaubenslehre als in der perfönlichen
Treue zu Jefus fucht. Befonders charakteriftifch für feinen
Standpunkt ift die Predigt über Matth. 22, 37, daß Gott
auch mit dem Denken geliebt fein will, ein Proteft gegen
eine Frömmigkeit, die bloß Gefühl oder Gehorfam ift.
Die Predigten wenden fich demgemäß nachdrücklich an
den Verftand und beweifen viel. Aber fie enthalten auch
eine Fülle von feinften Lebensbeobachtungen und tiefen
fchönen Einzelgedanken. Allein um der beiden Predigten
willen über die Malzeichen des Herrn Jefu (Gal. 6, 17)
und über den Kampf des Lebens (Eph. 6, 12) war die
Sammlung wert, überfetzt zu werden.

Die Überfetzung ift fchwierig gewefen, und es gibt
Stellen, bei denen man den lebhaften Wunfeh hat, das
Original einzufehen. Ganz unverftändlich ift mir ein Satz
auf S. 23 geblieben: ,Es ift ein gewaltiger Unterfchied,
zu fagen, es fei nicht beffer für uns alle, wenn der Glaube
eine Möglichkeit wäre, oder aber, es bedeute Troftlofig-
keit und Ruin iür das menfchliche Leben, wenn es der
Möglichkeit des Glaubens beraubt wird'.

Frankfurt am Main. E. Foerfter.

Referate.

TouMaint, Prof. Dr. C: Epitres de Saint Paul. Legons d'exegese. 1.

Letlres aux Thessaloniciens, aux Galates, aux Curinthiens. Paris,
G. Beauchesne & Co. 1910. (XXIII, 506 p. av. I carte des voyages
de S. Paul.) gr. 8" fr. 5 —

Diefes exegetifche Werk, das in feinem erften Band die fünf älteden
Briefe des Paulus umfaßt (Theff., Gal., Kor.i, gibt zunächd eine längere
Einleitung über Paulus, fein Leben und feine theologifche Entwicklung.
Dann werden die einzelnen Sendfehreiben abfehnittweife überfetzt und
kurz erläutert; eine Überficht über die literarifchen Verhältn.fle des
Briefs geht jeder Erklärung voran. Die geringfügigen exegetifchen Fragen
werden in .Noten entfehieden, die fchwierigen Probleme nach dem bisherigen
Gang der Diskuffion erläutert. Auch die deutfehe kritifche
Forfchung ift berückfichtigt, doch nicht erfchöpfend. Wichtige neuere
Arbeiten und Aufftellungeu fcheinen dem Verf. noch unbekannt. Gewundert
hat mich, daß Zahn, der doch fonfl gern als ,proteMantifcher
Kirchenvater' zur Verteidigung der katholifcheu Tradition herangezogen

wird, nur ganz feiten genannt wird. Das Buch wird die katholifche
Exegefe fördern, für die proteßantifche Wiffenfchaft hat es keine be-
fondere Bedeutung.

Leipzig. Hans Windifch.

Groich, Dr. Hermann: Der Im Galaterbrief Kap. 2,11—14 berichtete

Vorgang in Antiochia. Eine Rechtfertigung des Verhaltens des
Apoftels Petrus. Berlin, G. Nauck 1911. (40 S.) gr. 8° M. I —
Derfelbe Grofch fucht fich weiter um Petrus verdient zu machen,
indem er ihn gegen Paulus in Schutz nimmt, der ihn im Galaterbrief
der Heuchelei und Menfchenfurcht bezichtigte. Die Entladung wird
folgendermaßen geführt. Paulus hat nicht nur das eine Mal gezeigt,
daß er kein Menfchenkenner war. Er war beim Niederfehreiben der
[ Worte in Erregung, daher außerftaude, feine Worte auf die Goldwage
zu legen, was auch andre Stellen in Gal. beweifen, wie er denn fpäter
viel milder über das Judenchridentum geurteilt hat. Dementfprcchend
kann das Verhalten des Petrus als durchaus korrekt gelten: nur dem
EfTen mit den Heidenchriden entzog er fich, und zwar aus billiger
Rückficht auf die Juden, auf deren Bekehrung man noch hoffen konnte.
Die Schrift ift durch ihre fchon in den Vorbemerkungen zutage tretende
Tendenz bezeichnet; Katholiken werden reine Freude an ihr haben.
Leipzig. Hans Windifch.

j Groich, Dr. Hermann: Die Echtheit des 2. Briefes Petrl, nnter-

fucht. 2. fehr verm. Aufl. Berlin, G. Nauck 1911. (IX, 181 S.)

gr. 8° M. 3 60

Das Buch Hellt einen freilich ganz unzureichenden Verfuch dar,
| die Echtheit des zweiten (und des erden) Petrusbriefs zu erweifen. Die
Annahme der Echtheit foll dadurch gefichert fein, daß die offenkundige
fittliche Eiuficht des Verf.s mit einer Fälfchung unvereinbar fein würde.
Im übrigen ift der Inhalt des Briefes gut petrinifch und rechtgläubig,
ftimmt insbefondere mit dem Lehrgehalt des erden Briefs und der
Petrusreden der Apg. im ganzen überein. Auch feine Integrität id nicht
anzufechten, nur infoweit id der Kritik nachzugeben, als Kap. 2 und 3,
15b—18 von Petrus felbd in den fond fertigen Brief interpoliert find
(Petrus hatte inzwifchen beunruhigende Nachrichten über das Treiben
der Verführer erhalten). Ausführlich wird die Priorität des 2. Petrusbriefs
vor dem Judasbrief begründet. Der 2. Petrusbrief foll in der Zeit zwifchen
dem Tod des Paulus und der Zerdörung Jerufalems gefchrieben fein
(66 oder 67) und zwar an die Lefer des eiden Briefs. Spuren der Benutzung
will der Verf. in Jud., I Clem., Polycarp, Didache und Hermas ufw.
finden. Der erde Brief id 12 Jahre früher gefchrieben (54), daher fich
aus der Zeitdifferenz die Unterfchiede in der Lehre und in der Lage der
Gemeinden erklären. — Die Hauptfache des überfichtlich disponierten
Buches kann fchon darum nicht als erwiefen gelten, weil die Gegenargumente
teils mangelhaft, teils Uberhaupt nicht berückfichtigt find. Die
Literatur id benutzt, meine Auslegung der Petrusbriefe (in Lietzmanns
Handbuch) lag dem Verf. bei dem Abfchluß feiner Schrift wohl noch
nicht vor.

Leipzig. Haus Windifch.

Iiidor'8 Geichichte der Goten, Vandalen, Sueven. Nebd Auszügen aus

der Kirchengelchichte des Beda Venerabiiis. Überf. v. D. Code.
3., verb. Aufl. (Gefchichtfchreiber der deutfehen Vorzeit, in deutfeher
Bearbeitung, hrsg. v. G. H. Pertz, J. Grimm, K. Lachmann, L. Ranke,
K. Ritter, W. Wattenbach. 2. Gefamtausg. Fortgefetzt v. O. Holder-
Egger. 10. Bd.) (XI, 60 S.) 8°. Leipzig, Dyk (1910).

M. 3—; geb. M. 3.50
Der Text der guten und lesbaren t'berfetzung Ifidors id gegeuüber
der 2. Auflage nicht geändert, dagegen durch Kennzeichnung der Quellen
und der Bedandteile der 2 Rezenfionen des lat. Textes und in der Schreibung
der Namen der Ausgabe Mommfens in MG, Auct. antiquiss. Bd. 9
angepaßt. Die Chronologie folgt, doch nicht durchweg, den Anfätzen
von Zeumer, die Chronologie der wedgot. Könige, Neues Archiv der
Gefellfchaft für ältere deutfehe Gefchichtskunde 1901 Bd. 27. In den Auszügen
aus Bedas Kirchengefchichte id fad nichts geändert.

Oberholzheim i. Württ. R. Schmid.

Molapp, Schuir. Dr. Herrn.: Reformationsgelchichte der Stadt Stuttgart
. 8°. Stuttgart, M. Kielmann 1911. (39 S. m. 2 Abildgn.) M. I —
Die kleine hübfeh ausgedattete Schrift id aus einem Vortrag er-
wachfen, der das Intereffe für das in Stuttgart geplante Reformationsdenkmal
wecken follte, und gibt eine fleißige und gefchickte Dardellung
des gedruckten Quellenmaterials in vier Abfchnitten. I. Stuttgart vor
der Reformation. 2. Die Anfänge des evangelifchen Glaubens um die
j Zeit der öderreichifchen Regierung. 3. Die Gründung der evangel. Kirche
unter Herzog Ulrich. 4. Die Zeit des Interims uud des Herzogs Chrißoph.
Eine Monographie, wie fie norddeutfehe Städte für die Gefchichte ihrer
Reformation befitzen, id für Stuttgart erd möglich, wenn die Akten des
Staatsarchivs und des fiädtifchen Archivs, fowie des Kirchenrats und
Konfidoriums famt den Landfehreibereirechnungen benützt werden.
Stuttgart. G. Boffert.

Unter den Mongolen. Lebensbild des Mongolen-Miffionars James Gilmour.
Nach dem Engl, zufammengedellt v. J. M. Bafel, Basier Miflions-
buchh. 1911. (79 S. m. Abbildgn ) 8" M. — 80; geb. M. 1.20

Ein Büchlein für anfpruchslofe Lefer, die Schilderung eines gut
gemeinten Chrideulebens. Das Grab G.s, deffen Wiege in Schottland
geflanden, liegt in TieLtfin. 1870 von der Londoner Miffionsgefellfchaft
abgeordnet, hat er bis zu feinem Tode i. J. 189t in einer Welt zu wirken
gefucht, wo irgend Großes unmöglich von einem Einzelnen auszurichten