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Ausgabe:

1911 Nr. 2

Spalte:

38-39

Autor/Hrsg.:

Toffteen, Olaf A.

Titel/Untertitel:

The Historic Exodus 1911

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 2.

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arbeitung von Erman zur Hand fei. Im Vorwort zur
zweiten Auflage bedauert Jeremias, daß von ägypto-
logifcher Seite keine Einwendungen gegen feine Hypo-
thefen erhoben worden feien. Diefem Bedauern wird
man fich nur anfchließen können. Freilich ift es begreiflich
, daß kein Ägyptologe Luft hat, gegen Windmühlen
zu kämpfen. Jeremias begnügt fich auch hier
mit Behauptungen, ftalt mit Beweifen. So dekretiert er,
daß die Kuhhörner der Hathor aftralen Charakter hätten
(S. 32), daß Ofiris Mondcharakter trage (S. 37), daß der
Miftkäfer ,Unterweltspräfentant (= Ünterweltsrepräfen-
tant?) und damit Weltträger' fei (S. 40), daß der Efel
fchon in der ,älteren Lehre' das heilige Tier des Seth,
der Stier aber das des Horus fei und daß ,Ochs und
Efel auch fonft die Kreislaufhälften fymbolifieren' (S. 44),
daß ,Amon in Amon-Re den Mondcharakter vertritt'
(S. 46), daß ,die Milchftraße ihre Wiederfpiegelung im
Weltenbaum' habe (S. 51), daß der widderköpfige Gott
Chnum in ,den Wafferbereich des Tierkreifes' gehöre
(S. 51) ufw. Wer nicht fchon ,Panbabylonift' ift, wird
(ich durch die Ausführungen des Verfaffers fchwerlich
überzeugen laffen.

Auf welchen Fehlern beruht die ,panbabyloniftifche'
Methode, wie fie von Jeremias angewendet wird? 1. Auf
vorfchnellen Verallgemeinerungen! Es ift geradezu
erftaunlich, mit welcher Leichtigkeit der Verfaffer ,überall'
und ,allenthalben' und in der ,ganzen' Welt das aftrale
Syftem, das angeblich in Babylonien geherrfcht haben
foll, wiederfindet. Ein exakter Forfcher wird an folchen
voreiligen Behauptungen, die überhaupt völlig unbeweisbar
find, von vornherein Anftoß nehmen und einer Nachprüfung
felbft des berechtigten Kernes abgeneigt fein.
2. Diefer Fehler wird noch verfchlimmert durch die
Ungenauigkeit oder den Mangel an Zitaten da,
wo fie unbedingt notwendig wären. Oder ift es etwa
Allgemeingut der Wiffenfchaft, daß der Plejadenmythus
,überall' verbreitet fei, daß die Erwartung einer neuen
Welt fich .allenthalben' finde ufw. Wenn es nach dem
,Syftem' der ,Panbabyloniften' gerade ein Ochs und ein
Efel fein müffen, die auch fonft die Kreislaufhälften
fymbolifieren, und wenn man diefe ,Symbolik' in Horus
und Seth wieder zu entdecken vermeint, warum ver-
fchweigt dann Jeremias die Tatfache, daß das heilige
Tier des Seth erft in der jüngeren Zeit für einen Efel
gehalten worden fei, während die Darftellungen aus
älterer Zeit nach Erman, feinem Gewähismanne, dazu
nicht ftimmen? 3. Die Begründung ift ungenügend.
S. 40 heißt es in der Anmerkung: ,Der Miftkäfer ift ent-
fprechend der orientalifchen Weltanfchauung Unterwelts-
präfentant (sie!) und damit Weltenträger, denn aus der
Unterwelt fteigen die Welten empor. Kot ift das
Element der Unterwelt (vgl. ATAO 2, 216,4 BNT 96).'
Ich will den letzten Satz auf fich beruhen laffen, obwohl
er fehr anfechtbar ift und jedenfalls ein PTagezeichen
verdient. Aber was foll man fich denn vorftellen unter
einem Miftkäfer als einem Weltenträger? Wie können
aus der Unterwelt ,die Welten emporfteigen'? Und wenn
das wirklich der Fall wäre, wie wird dann aus diefem
.Emporfteigen' plötzlich ein .Tragen' oder ,Getragen-
werden'? Was hier an einem kleinen Beifpiel illuftriert
worden ift, das ift typifch für die Art der Beweisführung
in der ganzen Brofchüre. 4. Die Ausdrucks weife ift
unklar. So behauptet der Verfaffer S. 53: ,Erman bezeugt
hier ausdrücklich, daß auch die gefamte ägyptifche
Götterlehre Kalenderlehre ift'. Als ob Erman je folchen
Unfinn gefagt hätte! Wie kann denn eine Götterlehre
Kalenderlehre fein? Oder S. 16: ,Ift es kein keilinfchrift-
hcher Anhalt, wenn die Taten der alten Könige Sargon
und Naramfin unter Angabe der einzelnen Omina, unter
denen fie gefchehen find, überliefert werden?' Oder S. 16
Anm.-. ,Selbft wenn es fich zunächft um Omina der
Leberfchau handelt, wie M. Jaftrow vermutet, fo gilt
doch die Leber als eine Wiederfpiegelung des Himmelsbildes
, das den ,Weg der Götter' zeigt'. Oder S. 67:
,Der Mond ift alfo auch hier, wie in Babylonien, Auf-
erftehungsgeftirn. Er repräfentiert das Leben, das aus
dem Tode kommt. Darum ift es auch durch die Nil-
überfchwemmung repräfentiert; denn fie ift die Auf-
erftehung des Naturlebens. Und ebenfo ift es auch die
untergehende Sonne!'. Diefe Sätze, die ich beliebig
herausgegriffen habe, find unverftändlich ausgedrückt,
wenn man auch den ungefähren Sinn erraten kann.
Hinter der unklaren Redeweife verbirgt fich nur zu leicht
eine Unklarheit der Gedanken.

Ehe die .Panbabyloniften' daran gehen, Ägypten und
die ,ganze' Welt in den Kreis ihrer Betrachtungen zu
ziehen, follten fie erft einmal ihre Hypothefen an baby-
lonifchen Texten zu beweifen verflachen.

Berlin-Weftend. Hugo Greßmann.

Toffteen, Prof. Olaf A., Ph. D.: The Historie Exodus.

Chicago, The University of Chicago Press 1909.
(XXII, 339 p. with 1 map and 4 plates.) gr. 8° $. 2.50

Der Verf. macht in diefem gefchickt difponierten,
klar und intereffant gefchriebenen Buch einen Verfuch,
die wefentliche Glaubwürdigkeit der biblifchen Exodustraditionen
trotz ihrer vielfachen Widerfprüche zu er-
weifen, indem er zwei Exodi unterfcheidet.

1. Als Quellen für den erften dienen ihm die älteren
Schichten von I, E und P (das Buch der Toledoth) fo-
wie D, welche fämtlich von Mofes felbft verfaßt find,
abgefehen von einigen Nachträgen Jofuas, und die durch
ägyptifche Infchriften einfchließlich der Amamatafeln
ergänzt und beftätigt werden. Jofeph, geboren 1917, kam
1901 mit einer femitifchen Karawane nach Ägypten
(cf. Bericht des Sekretärs des Khnumhotep II), wird 1887
erhöht (cf. die Rangerhöhung des Sebek-khu, des Sohnes
des Jaqp = Jakob, des Gemahls der Is-nt-Afenath, geboren
1917, befördert 1887, mit dem .febönen' Namen
Zaa=Za|phenat-Pa neach]), unternimmt einen Feldzug nach
Paläftina (Gen 50,7 ff., cf. den Feldzug des Sebek-khu)
und wird fchließlich der erfte Hykfoskönig (Salitis 1826
—1807). Ihm folgt 1807—1763 Bnon (= Ben oni-Ben-
jamin). Vgl. auch den König Jakeb-her mit dem Thronnamen
Wfer-Re = Jakob-Ifra-el. Nach der Vertreibung
der Hykfos 1566 werden die Ifraeliten geknechtet. Mofes
wir ! 1526 geboren und von Hatfchepfut aufgezogen, nach
deren Tod (i486) er fliehen muß. Nach dem Tode des
Pharao Thutmofe III (1450) Rückkehr Mofes und FScodus
(1447). Zug zum Horeb, Stiftung des allgemeinen Priefter-
tums (Ex. 19,6) und Publizierung des Bundesbuches, das
für weite Kreife des Volkes maßgebend bleibt trotz der
infolge der Verfündigung mit dem goldenen Kalbe vollzogenen
Befchränkung des Prieftertums auf den Stamm
Levi. Zug nach Kadefch, Teilung des Volkes, Eindringen
eines Teiles in Kanaan von Süden aus (Num. 14, 39 ff.
21,1 ff. Jud. 1), 40jährige Wanderung der übrigen, Publikation
des Dtn. 1407. Jofua erobert das Weftjordanland
(cf. Amarnabriefe); Wiedervereinigung der Volksteile,
Kompromiß Jofuas mit denen, die fich in Kadefch
abgefondert hatten: das Dtn. tritt zurück hinter das
Bundesbuch.

2. Als Quellen für den zweiten Exodus dienen die
jüngeren Schichten von I und E fowie der Priefterkodex,
der von Mofes verfaßt ift; beftätigend und ergänzend
treten die ägyptifchen Nachrichten hinzu. Zur Zeit des
Merneptah (1244—25) kam Jofeph nach Ägypten; die
Erzählung des Pap. Orbiney handelt von ihm (cf. Gen. 39).
Bald danach wurden aus Anlaß einer Hungersnot (cf. Mer-
neptah-Stele: ,Israel . . . hat kein Korn') Ifraeliten in
Ägypten aufgenommen (cf. Pap. Anaftafi VI, 4,13—5,4);
doch da fie fpäter unter der Puhrung des Ofarfiph (fo
auch im Pap. Harris ftatt Arfu zu lefen) fich empören,
werden fie nach Wiederherftellung der Ordnung durch