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Ausgabe:

1911 Nr. 19

Spalte:

588-590

Autor/Hrsg.:

Stutz, Ulrich

Titel/Untertitel:

Der Erzbischof v. Mainz u. die deutsche Königswahl. Ein Beitrag zur deutschen Rechts- u. Verfassungsgeschichte 1911

Rezensent:

Wenck, Karl

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 19.

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Duenfing; Gunkel; Hanffen, Haußleiter; Kennedy; Labourt, I Anfchauungen und Gebräuche der Effener und Thera-

Leipoldt; Mead, Menzies, Montgomery; Reinach; Schürer, peuten. Doch habe ich auch in diefer Hinficht kein ficheres

Schultheß, Spitta, Staerk, Strachan; Ungnad; Wabnitz, Urteil, ob D. damit das Richtige getroffen hat. Ebenfo

Wellhaufen, Wenfinck; Zahn 1 —, und die Uneinigkeit und ; hinfichtlich feiner Frage: wie, wenn unfre Oden nicht von

Unficherheit ift nur gewachfen. Ich befchränke mich zu- 1 einem, fondern von vielen Dichtern, nicht bloß einer,

nächft auf Berichterstattung und zwar nur über die beiden j fondern mehrerer Generationen verfaßt wären? (S. IX).

oben genannten Veröffentlichungen. I Für einen großen Teil der Lieder hat doch fchon Harris

Für Harnack fteht als Tatfache feft, ,daß wir in den
Oden ein jüdifches Pfalmbuch etwa aus dem Anfang
unferer Zeitrechnung und in nicht viel
fpäterer chriftlicher Bearbeitung erhalten haben'

Herkunft aus einer und derfelben Feder wahrfcheinlich
gemacht. Aber freilich, wir wiffen ja noch nicht einmal
ficher, in welcher Sprache fie urfprünglich gefungen waren.
Zu 19,6 bemerkt D., daß die Darftellung der Wahrheit

fchon dies genüge, die außerordentliche Bedeutung des j als Jungfrau ein aramäifches Original für unfre Oden ausneuen
Fundes ans Licht zu ftellen. fchließe (serärä fei Maskulinum); nur im Hebräifchen und
Nimmt man noch hinzu, daß ,diefe jüdifchen Oden Griechifchen fei die Wahrheit Femininum. Hinfichtlich
(nicht erft die chriftliche Bearbeitung) bereits alle wefent- der ganzen Anordnung hätte es mir beffer gefallen, wenn
liehen Stücke der johanneifchen Theologie famt ihrer D. den Text mit feinen Fußnoten vorangeftellt und dann
religiöfen Klangfarbe enthalten', fo erfcheint der Fund ; erft als Erläuterung das gegeben hätte, was er jetzt dem
für die höhere Kritik des Johannesevangeliums epoche- einzelnen Lied als Einleitung vorausfehickt. Dem Lefer
machend. wäre felbftändige Prüfung erleichtert worden. Ein Haupt-
Um fo auffallender ift, daß diefe Oden, die in der i grund für D., vorchriftlichen Urfprung anzunehmen, ift
chriftlichen Bearbeitung außerordentlich anziehend fein j der Umftand, daß die Sammlung in Verbindung mit dem
mußten und den tiefften Stimmungen der Chriftenheit 1 A. T. überliefert fei. Sein eigener Hinweis auf das 5. Buch
entgegenkamen, doch eine fo fchmale Überlieferungsge- Esra und das 8. Buch der Sibyllinen zeigt, daß diefer Um-
fchichte haben und fo früh in das Dunkel zurückge- | ftand nicht fo fchwer wiegt. Die Handfchrift, aus der fie
treten find. In der Piltis Sophia wie ein biblifches Buch j Mammen, darf übrigens nicht dafür angeführt werden, daß
behandelt und kommentiert, dann noch einmal bei Lac- fie unfre Oden ,als Beftandteile des altteMamentlichen
tantius zitiert und feither verfchollen! Harnack erklärt ! Schrifttums' anfehe; und im Codex Alexandrinus Manden
dies daraus, daß das ,Ich' des jüdifchen Dichters durch j ja die Pfalmen Salomos außerhalb des Kanons hinter der
die chriftliche Überarbeitung zu Jefus ChriMus geworden l Offenbarung Johannis und den Klemensbriefen. Noch
und dadurch Seltfamkeiten und ÄnMöße entManden feien, unficherer fcheinen mir die wiederholten Hinweife auf
die nur ganz naive Menfchen überfehen konnten. In der , die ,Mezallianer'. Aber eins iM klar: der Fund zeigt uns,

Tat muß man manchmal wie der Kämmerer fragen: Ich
bitte dich, von wem redet der Sänger folches, von ihm
felber oder von jemand anders?

Daß ein Mann wie Harnack zu feiner Teilungs- und
Überarbeitungshypothefe fich nicht leicht entfehloß, darf
man glauben, auch wenn die Vorrede es nicht ausdrück-

wie kaum irgend einer der letzten Jahrzehnte, wie be-
fchränkt und einfeitig unfre Kenntnis der Umwelt war
und iM, in der das ChriMentum entMand und fich ausbreitete
. Hat auch keine der beiden hier angezeigten
Schriften das letzte Wort gefprochen, fo find doch beide
verdienMlich durch die Anregungen, die fie gegeben

lieh fagen würde; aber fowohl die Entfcheidung, die J haben und, wie die zweite, noch weiterhin geben werden.

Maulbronn. Eb. NeMle.

Oden feien jüdifch, als die andre, fie feien chriMlich,
führe zu folchen Schwierigkeiten, daß fich beide als unhaltbar
erweifen follen. So find in der Tat viele, wie es
fcheint zum Teil unabhängig von Harnack, zu ähnlicher Stutz, Prof. Dr.Ulrich: Der Erzbilchof v. Mainz u. die deutlche

Entfcheidung und Scheidung gekommen. Königswahl. Ein Beitrag zur deutfehen Rechts- u. Ver-
AuchDiettrich findet in den Liedern Interpolationen, | faffungsgefchichte. Weimar, H. Böhlaus Nachf. 1910.

die durchaus nicht alle von einer Hand herrühren; die /jqj j.tg „y go M a_

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meiMen wollen den jüdifchen Oden ein chriffliches Ge
präge geben, aber Jedenfalls haben fchon vor dem
chriMlichen Redaktor verfchiedene Generationen an unfern
Oden gearbeitet'; an einigen Stellen darf man fogar auf
effenifch-therapeutifche Einflüffe fchließen' (S. VII); fo hat
man insbefondere einen Teil von Ode 12 ,als einen in
prophetifchem GeiM gehaltenen hiMorifchen Rückblick auf
die Tätigkeit des Logos bei der Schöpfung der Welt und
bei der EntMehung des Effenertums zu beurteilen' (S 46).
Diettrich fcheidet manchmal mehr als chriMlich aus als

Die Tatfache des engen rechtshiMorifchen Zufammen-
hangs von Wahl und Krönung mittelalterlicher Herrfcher,
die auch fchon früher den Forfchungen zur Gefchichte
der deutfehen Königswahlen nicht unbekannt geblieben
iM, fpielt in den zahlreichen gleichzeitig entftandenen
Arbeiten der jüngMen Zeit von Bloch, Buchner, Schreuer
und Stutz eine bedeutungsvolle Rolle. Eine umfaffende
Behandlung der Mainzer Kur unter diefem Gefichtspunkt
mußte befonders lockend erfcheinen. Der grundlegende

Harnack; manchmal behält er als jüdifch bei, was Harnack Gedanke von St.s erMem Kapitel läßt fich kaum knapper
als chriMlich anfieht. Durch verfchiedenen Druck macht ausprägen als mit einem Satze Schreuers (Die rechtlichen
er feine Anfätze deutlich. VerdienMlich find auch die ver- Grundgedanken der franzöfifchen Königskrönung 1911
fchiedenen Befferungen teils der Uberfetzung (z. B. 38,8 S. 64): ,Der Erzbifchof von Mainz als Nachfolger des
.Süßigkeit' Matt .Furcht'), teils des Textes, die Diettrich Bonifaz, der einM Pippin gefalbt hatte, entwickelt aus
vorfchlägt. (Die von ihm wie von Harris und Flemming ! feinem Salbungsrecht, das er als Primat behauptet, die
angenommene Änderung in 38,14 rührt vom Unterzeich- j prima vox bei der Königswahl'. Ich hatte 1909 in der
neten her, f. Harris, Preface; zu der von mir angenom- ! Abhandlung ,Die Stellung des ErzMiftes Mainz im Gange
menen Verwechslung von ovola und d-vata in 7,12 ver- I der deutfehen Gefchichte' mit andern Forfchern das Erz-
gleiche man Mc. 9,49, wo bei den Altlateinern hostia | kanzleramt als die Grundlage für die Leitung der Königsund
substantia diefelbe Verwechslung vorliegt). Insbe- j wähl durch den Mainzer angefehen. Diefe Anficht er-
fondere dankenswert find aber die Verweifungen auf die j kenne ich als unhaltbar. Weiter zeigt St. eingehender

| als Frühere, welche UmMände im 11. Jahrhundert dazu

1) Anmerkung bei der Korrektur: Seit Niederschrift obiger Zeilen : geführt haben, daß der Mainzer das Recht der KönigS-

ift die zweite Auflage der Ausgabe von Harris erfchienen, in welcher er j krollUllg an den Kölner als den in erMer Linie ZUT Vor-

S. IX—XII fogar mehr als 70Veröffentlichungen aufführt, als vorletzte den
22. Band von Meyers Großem Konverfationslexikon, in welchem S. 638
die Oden Salomos auch fchon als .Sammlung von 42 jüdifchen Pfalmen
in chriftlicher Bearbeitung' Aufnahme fanden.

nähme diefer Handlung in Aachen berechtigten verloren
hat (ein Hilfskrönungsrecht verblieb dem Mainzer), wie
feit 1562, nachdem die Krönung damals zuerM unmittel-