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Ausgabe:

1911 Nr. 17

Spalte:

515-516

Autor/Hrsg.:

Gry, Léon

Titel/Untertitel:

Les Paraboles d‘Hénoch et leur Messianisme 1911

Rezensent:

Staerk, Willy

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5i5

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 17.

516

Andere Kapitel dagegen, zum Teil nur Wiedergabe 1
der Gedanken anderer Gelehrter (aber Bücher wie Brugfch,
Über die Religion der Ägypter haben nur noch hifto-
rifchen Wert), geben in recht vielen Punkten zum Wider-
fpruch Veranlaffung.

Nur weniges kann hier erwähnt werden: I. Ofiris ift urfprünglich
wohl nicht das Feuchte oder der Nil (er wird wohl ein Erdgott fein),
aber man ift in der Gefchichte der ägyptifchen Religion noch nicht fo
weit, fagen zu können: der Gott hat diefe oder jene Bedeutung; das
muß den Schluß der Unterfuchungen bilden, und man ift noch am Anfang
. Auch wird man, bei der Vermifchung der verfchiedenartigften
Elemente in der ägyptifchen Religion, fich oft nicht für eine Bedeutung
entfcheiden können, fondern mehrere nebeneinander annehmen muffen.
2. Wenn Herodot fagt, das thebanifche Orakel des Zeus-Ammon fei
dem dodonäifchen ähnlich, fo bezieht fich das nur darauf, daß in beiden
Orakeln die Mittelperfon ausgefchaltet ift, nicht aber wird auch in Theben
die Zukunft aus dem Raufchen des Windes gedeutet. Damit fällt die,
fchon im vorbefprochenen Buche aufgeftellte, Anficht von der Orakelgrotte
des Ammon. — Nicht kann als Divination aufgefaßt werden, daß
in den Tempeltexten der Gott, wenn er den König anredet, ßets von fich
in der erften Perfon fpricht. — Scharf zurückzuweifen ift der Vernich, den
Glauben der Ägypter, das Kultbild des Ammon gebe durch Zeichen
Orakel, realittifch dadurch erklären zu wollen, daß man annimmt, die
Kultftatue fei eine Marionette, die der Priefter in Bewegung fetzt. 3. Bei
Behandlung der Seelenlehre fcheidet Verf. nicht fcharf genug zwifchen
dem ka und dem ba; auf jenen wird zum Nachteil des letzten zu großer
Nachdruck gelegt. Leblofe Dinge haben keinen ka; der belfere Teil des
Menfchen ift der ba; diefer kann unter anderen in das Königreich des
Ofiris eingehen.

Für den deutfchen Lefer des Buches noch die Bemerkung
, daß die Umfchreibung der ägyptifchen Worte
wefentlich von der bei uns üblichen abweicht; zum Teil
laffen fich die Worte kaum wiedererkennen.

Auch fonft find in der Umfchreibung mannigfache Irrtümer zu verzeichnen
(z. B. Ousirniri für Ne-user-Rc oder paraoui für Pharao; dies
Wort ift kein Dual).

Charlottenburg. A. Rufch.

Brunnhofer, Prof.Dr. Hermann: Das Buch der hundert Pfade

(Catapatha Brahmana), die alterte Quelle der Ritual-
wiffenfchaft. Bern, Akad. Buchh. v. M. Drechfel 1910.
(43 S.) gr. 80 M. 1.50

Die Hymnen des Rgveda find um 3000—2000 vor
Chr. gedichtet (woher weiß der Verf. das?), noch vor der
Befitzergreifung Indiens durch die Arier, von Poeten, die
bis hinauf in die Zeltlager türkifcher Sultane und hinunter
nach Babylon und Sufa zogen, Verftändnis und
Dankbarkeit erntend. Wer einen Begriff davon bekommen
will, wie diefe Dichter die Naturmächte als göttliche Per-
fonen anfchauten und darüber doch nie ihr urfprüngliches
Wefen vergaßen, verfetze fich in die Stimmung, aus der
heraus die Mitglieder des Göttinger Dichterbundes ihre
bezaubernd kindlichen Naturlieder fangen. In fchroffem
Kontraft aber zu diefen alten Gebilden freien dichterifchen
Schaffens fteht der im Titel genannte Brähmanatext, ein
Denkmal des Ritualwiffens und der Kafteiungen, der Gebetsübungen
, Selbftaushungerungen, Selbftausglühungen,
denen gegenüber aller Frohfinn der ehemaligen Panzerreiter
verftummte und verzagte. — Br. weiß den Wandel,
der fich da vollzogen hat, durch ,Sprüche unferes Uhland'
uns lebendig nah zu bringen. Den Lefern früherer Brunn-
hoferfcher Schriften ift, was da in fo fchwungvoller, ja
überfchwänglicher Diktion vorgetragen wird, größtenteils
bekannt. Bekannt ift ihnen auch des Verf.s Neigung zu
waghalfigften Kombinationen über Unwißbares, die in
der vorliegenden kleinen Schrift mit recht mangelhafter
Orientiertheit über das Gegebene und das Wißbare fich
verbindet. Das Werkchen ift der Alma Mater Berolinensis
als Jubiläumsgabe dargebracht.

Göttingen. H. Oldenberg.

Gry, Prof. D. Leon: Les Paraboles d'Henoch et leur Messia-
nisme. Paris, Picard & Fils 1910. (XVI, 191 S.)
gr. 8° fr. 6 —

Das Buch von Gry ift eigentlich keine Neuerfchei-
nung, denn es vereinigt nur die fünf Aulfätze über die

Bilderreden im B. H., die er früher in der belgifchen Zeit-
lchrift Le Museon (05, 129—139; 06, 231—248; 08, 27—71
und 319—367; 09, 103—134) veröffentlicht hat, in Buchform
. Auch hat Lagrange fchon Gelegenheit gehabt, in
feinem zufammenfaffenden Werke Le Messianisme chez
les Juifs (vgl. Theol. Lit.-Ztg 1911 Sp. 76 f.) zu den grundlegenden
Ausführungen Grys über die literarifche Kom-
pofition von Flen. 37 ff. Stellung zu nehmen (S. 87, Anm. 1).
Die literarkritifchen und religionsgefchichtlichen Refultate
des Verfaffers dürfen jetzt alfo als bekannt vorausgefetzt
werden, und es muß genügen, auf die Stellen aufmerkfam
zu machen, auf die der Verf. im Vorwort zu der vorliegenden
Buchausgabe (p. X, sq.) nochmals zurückgekommen
ift.

1) In Kap. 39, 6 f., wo mehrere Handfchriften ,den
Ort der Auserwählten' und auch weiterhin Pluralfuffixe
bieten, möchte Gr. jetzt lieber die Hand eines Glossators
annehmen, der hier die Perfon des Meffias einfügen wollte.

2) In Kap. 50 hat Charles die vv. ic und 2* (,[und]
am Tage der Not, wo das Unglück auf die Sünder gehäuft
fein wird') für eine Gloffe erklärt. Gr. fucht jetzt
die allerdings unleugbare Verwirrung in diefem Kapitel
dadurch zu befeitigen, daß er die genannten Verfe mit
Kap. 48, 8 und 10 zufammenftellt. Dafür fcheint in der Tat
der refrainartige Anfang ,am Tage der Not' zu fprechen.

3) Kap. 48, 7 überfetzt Gr.: ,und die Weisheit des
Herrn der Geifter hat den Gerechten und Heiligen
offenbart, daß er (d. h. der v. 2 genannte Menfchenfohn)
ihr Los bewahrt', vgl. 62, 7 (1) 69, 26.

4) Kap. 63, 2 läßt Gr. noch von kama in v. ic abhängen
: .damit fie preifen und rühmen können
den Herrn der Geifter etc.'.

5) Kap. 51, 4 Schluß verbindet er m. E. richtig mit
dem Anfang von v. 5, indem er Vf"A* ! 0°/ihYl'i' 1 flrt"?^.:
als Nominativus pendens auffaßt, vgl. fchon Charles z. St.
(S. 94 Anm. 20).

6) Mit Recht hält Gr. feine Erklärung des auffälligen
Ausdrucks ,Mannesfohn' Kap. 71, 14 gegen Charles und
Appel aufrecht: er bezeichnet hierHenoch als .predestine'.

7) Kap. 46, 7 nimmt Gr. eine Verlefung des griechi-
fchen Textes an (xqivovöi ftatt xivovOi): ,das find die, die
des Himmels Sterne in Bewegung gefetzt haben' (d.
h. die Frommen Israels verfolgt haben) und ift geneigt,
diefe Ausfage auf die Feindfchaft des Alexander Jannai
gegen die Pharifäer zu beziehen.

Jena. W. Staerk.

Bacher, Prof. Dr. Wilhelm: Die hebräifche u. arabilche
Poelie der Juden Jemens. (Aus: Jahresber. d. Landes-
Rabbinerfchule in Budapeft f. 1909/10.) Straßburg i.E.,
K.J. Trübner 1910. (100 u. hebr. Abteiig. 56 S.) gr. 8°

M. 4 —

Von den Poefien der Juden in Jemen kam uns die
erfte Kunde um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts,
durch den Reifebericht des Jakob Safir. Seit jener Zeit
haben europäifche Bibliotheken und Verehrer der jüdifchen
Literatur eine Menge hebräifcher Hff aus jener Gegend
erworben und darunter auch viele Sammlungen von
Liedern in hebräifcher und arabifcher Sprache, vielfach
mit der bekannten oberen Punktation. In den letzten
2 Jahrzehnten find dann in Aden 4 folche Gedicht-, oder
beffer Gefangbücher, zu religiöfem Gebrauch gedruckt
worden. Die Verleger wie die Schreiber der Codices
haben fich in der Auswahl der Stücke wohl nach dem
Gefchmack ihrer Zeit und ihrer Umgebung gerichtet.
Zahl und Aufeinanderfolge find ganz verfchieden.

Den Grundftock bilden überall die Hochzeitslieder.
Wir wiffen aus dem Berichte des oben genannten Reifenden
und ebenfo aus F. M. Hunter's Account of the Brit.
settlem. of Arabia, daß die Feier mit Montag Abend beginnt
und zwar merkwürdigerweife damit, daß Füße und