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Ausgabe: | 1911 Nr. 15 |
Spalte: | 475 |
Autor/Hrsg.: | Switalski, W. |
Titel/Untertitel: | Der Wahrheitsbegriff des Pragmatismus nach William James. Eine erkenntniskritische Studie 1911 |
Rezensent: | Mayer, Emil Walter |
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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 15.
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ringen üblichen Titel der Geiftlichen — es find entfpre-
chend den durchweg geringen Gehältern viele und hohe
— ift nur auf die Stadt Gera und die mit dem Titel
,Oberpfarrer' und der fparfamen Erteilung des Standes-
Charakters .Pfarrer' verbundenen Übelftände hingewiefen
(S. 44). Aber die hierarchifche Staffelung der Geiftlichen,
die fich hinter dem Worte Oberpfarrer und der Zuteilung
der Bezeichnung Pfarrer nur an diefen verbirgt, und alle
die Übelftände, die damit verbunden find: daß die Geiftlichen
während ihrer leiftungsfähigften Jahre zwifchen 30
und 50 auf das Warten angewiefen und von den Hauptpredigten
an den Fefttagen, von einer kräftigen Einwirkung
auf die Gemeindeleitung, von der Einrichtung neuer
kirchlichen Arbeiten (wenn der Herr Oberpfarrer auch
nur durch Abwarten hemmt) ausgefchloffen find, das
hätte Glaue, wie auch von den preußifchen Städten, wo
man ,Oberpfarrer' verehrt, fo von den meiften thüringifchen
Städten fagen können.
Als das gelungenfte Kapitel möchte ich das achte
bezeichnen: Das religiöfe und das fittliche Leben, obwohl
diefe Materie in der Kirchenkunde jedes Landes die
fchwierigfte fein wird. Aber das Thüringer Land ift
geiftig noch immer nicht ausgelaugt, trotzdem zweimal
in der deutfchen Gefchichte die Geiftesarbeit für ganz
Deutfchland in feinen Grenzen getan worden ift. Thüringen
ift die echte Heimat des Individualismus, und ob auch
das Kirchentum hierzulande fchwach ift, fo ift die Frömmigkeit
noch immer kräftig vorhanden. Das kommt bei
Glaue in wohlabgewogenen Ausführungen prächtig zur
Geltung.
Jena. Thümmel.
Referate.
Switalski, Prof. Dr. W.: Der Wahrheitsbegriff des Pragmatismus
nach William James. Kine erkeuntniskritifche Studie. Braunsberg,
Bender 1910. (58 S.) gr. 8» M. I —
Unter Hinweis auf Bücher wie Blondels ,L'action' in Frankreich, auf
die Publikationen von James, Dewey, Schiller in Amerika und England,
auf die Tätigkeit Papinis in Italien, Jerufalems und Jakobys in Deutfch-
land-Öfterreich charakterifiert der Autor die Bedeutung, die der Pragmatismus
gegenwärtig für fich in Anfpruch nehmen kann. Er fchildert dann
diefe erkenntnistheoretifche Richtung, wefentlich im Anfchluß an das
bekannte Buch von James, und unterzieht fie einer, vielfach auf Hufferl
und namentlich Geyfer zurückgreifenden, Kritik, indem er zwar den
Nutzen des wahren Urteils zugibt, in eben diefem Urteil aber zwifchen
,Erlebnis' und ,Sinn' unterfcheidet und als Beziehungspunkt des letzteren
ein transfubjektives ,Reich idealer Verhältniffe1 (als Konzeption des göttlichen
Geiftes gedacht) ftatuiert.
Straßburg i. E. E. W. Mayer.
Hoerner, Rudolf von: Wiiienlchaft und Weltantchauung. Riga, Jonck&
Poliewsky 1910. (67 S.) gr. 8° M. 1.50
Zur rechten Beurteilung diefer Schrift gibt der Verf. noch kurz vor
ihrem Schluß felbft den richtigen Wink. Er redet dort S. 65 von der
Macht der Wiffenfchaft, die er dankbar anerkennt und wahrt fich ihr
gegenüber feine Freiheit mit den Worten: ,Wenn fie fich anfchickt, uns
nicht mehr hinauf fondern hinab zu führen, dann treten wir Laien ihr
ablehnend und proteftierend entgegen, wenn fie die Hand nach unferen
heiligften und hehrften Gütern ausftreckt und an unfercm Innenleben
Vivifektion üben will'. Der Verf. zählt fich alfo felbft zu den Laien auf
dem Gebiet der Wiffenfchaft. Und als Zeugnis eines Laien wider die
verödende und unbefriedigende moniftifche Weltanfchauung E. Häckels
bezw. Dr. Unolds find feine Ausführungen immerhin brauchbar. Dagegen
müßte man recht fcharfe Kritik üben, wenn man den aus der Baltifchen
Monatsfchrift, 1910, Heft 7. abgedruckten Auffatz als einen wiffenfchaft-
lichen Beitrag zur Weltanfchauungsfrage auffallen wollte. Vor allem
fuche man hier nicht eine Erörterung der im Thema genannten Begriffe
und ihres Verhältniffes zu einander (ein paar Andeutungen finden fich
S. 31 und 651). Obwohl der Verf. Kant gelefen hat und gelegentlich
ganz richtige Kritik übt, fehlt ihm doch die Gabe fcharfer begrifflicher
Unterfcheidung. Das zeigt am heften die ungeprüfte und ungerechtfertigte
Gleichfetzung: Weltanfchauung = Religion = Chriftentum (cf. S. 33, Zeile 6
und 7 von oben) und die Behandlung des II. Kap.s .Beweggründe der
„Los-von-Gott" Bewegung'. Auf jeden Fall ift die Schrift wiffenfchaftlich
wertlos.
Göttingen. Heinzelmann.
RobertlOn, Fr. William: Geletz und Gnade. Religiöfe Reden (Neue
Folge. Ins Deutfche übertr. v. Luife Oehler.) Bafel, F. Reinhardt
1911. (VIII, 297 S.) 8» M. 4 — ; geb. M. 5 —
Es ift nicht nötig, Robertfons Predigtweife zu charakterifieren. Sein
Ruf fleht auch in Deutfchland längft feft. Die vorliegende Sammlung
bietet eine Nachlefe, fie bietet nach dem Vorwort .alles, was bis jetzt
noch nicht in deutfcher Überfetzung vorhanden ift'. Z. T. ausgeführte
Predigten nach Nachfchriften von Zuhörern, z. T. R.'s eigne Entwürfe,
die er dann erft auf der Kanzel ausführte. Bei den erfleren werden wir
alfo in Betracht ziehen müffen, daß fie die gehaltenen Predigten nicht
ganz genau wiedergeben; bei den letzteren, daß die letzte Feile und
Abrundung fehlt. Es haftet ihnen eine gewiffe Unfertigkeit und Ungleich-
mäßigkeit an. Dennoch ift grade daran fehr viel zu lernen, wie R. fich
das Material zufammenträgt und es ordnet. Das Material ift faft aus-
fchließlich biblifch, aber der biblifche Stoff wird auch aus den entlegen-
ften Winkeln herzugeholt; infonderheit werden die gefchichtlichen Partien
des Alten Teftaments als Illuftration benutzt. Dabei wird freilich
eine Bekanntfchaft des Hörers damit vorausgefetzt, die in Deutfchland
nicht vorhanden ift. R.'s Kunft kommt in nichts fo fehr zur Erfcheinung,
als in der pfychologifchen Durchdringung diefes Stoffes, wie er z. B. aus
einer konkreten und fremdartigen Geftalt einen immer vorhandenen Men-
fchentypus herausfchält. Dagegen tritt in diefer Sammlung auch ftark ein
weitgehender Intellektualismus hervor, ein Intereffe an richtigen Begriffen
und Gedanken über die Religion, das fchwerlich als vorbildlich genommen
werden kann, und von dem der Übergang zur praktifchen Anwendung
nicht ohne Künftelei und Gewaltfamkeit gewonnen wird.
Das Inhaltsverzeichnis enthält ein paar Hörende Druckfehler: das
Bild der Welt ftatt: das Licht der Welt; Gottesgeift im Geift ftatt Gottes-
dienft im Geift.
Die Überfetzung hat offenbar mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen
gehabt, da R.'s Diktion fehr fpröde und in den Entwürfen einigermaßen
flüchtig ift. S. 37 Z. 18 kann es nicht heißen: Die dritte Urfache entlieht
aus dem Wunfeh, fondern: befteht in dem Wunfeh. Im ganzen
verdient die Überfetzerin doch unfern Dank für ihre mühevolle Arbeit,
die uns weniger Mufterpredigten als eine Fülle von feinen und tiefen Gedanken
über die h. Schrift vermittelt hat.
Frankfurt a. M. E. Fo erft er.
Eberhardt, Paul: Um den Nazarener. Seine Predigt, c. Brief des Paulus,
Briefe der Anderen. Eine freie Übertragg. u. Bearbeitg. (Dokumente
der Religion. Hrsg. v. Dr. Paul Eberhardt.) Leipzig, Verlag f. Literatur
, Kunft u. Mufik 1910. (90 S.) 160 M. 1.75
Als erftes Heft einer Sammlung ,Dokumente der Religion' erfcheint
dies kleine eigenartige Heft. Es will einen Beitrag geben, um das Wefen
der chriftlichen Religion allen verftändlich zu machen, die fich in der
Gegenwart mit der Religion befaffen. Dazu foll der Weg zu den Quellen
gewiefen, diefe Quellen aber eigenartig und künfllerifch erfaßt werden.
Es foll alfo der Sinn und nicht das Wort maßgebend fein. Das ift denn
auch gründlich gefchehen. Zuerft wird Jefu Lehre ,überfetzt'. Vieles ift
gut und geiftvoll übertragen. Die Feinde Jefu finden fich wieder in der
Kirche und ihren Prieftern: .breit liegt die Stola auf ihren Achfeln; fie
find gern hoffähig und fie lallen fich Hochehrwürden nennen'. Sehr matt
ift andres; fo das Kreuzeswort: ,Ich denke(I) manchmal: Mein Gott, mein
Gott, warum haft du mich verlaffen'. Ähnlich fleht es auch mit den
anderen Stücken; aus dem Römer-, dem 1. Kor.- und dem Galaterbrief
ift ein Brief Pauli komponiert, der klarer, aber auch matter als das
Original, paulinifche Hauptgedanken zufammenftellt. Ebenfo folgen noch
Stücke aus Jakobus und I. Petrus. — Quellen und Dokumente find's nicht;
aber wenn man die Schwierigkeit bedenkt, die viele mit dem bell überfetzten
Original haben, fo mag fo etwas noch paffieren. Lieber gäbe ich
aber doch noch Stage's Überfetzung des N. T. Suchenden in die Hand.
Heidelberg. F. Niebergall.
Monatslcbrift für Innere Million mit Einfchluß der Diakonie, Diafpo-
rapflege, Evangelifatiou und gefamten Wohltätigkeit. Begründet
von Paft. D. Theodor Schäfer. Herausgegeben von Dir. Pfr. Martin
Ulbrich. 31. Band 1911. 12 Hefte. Güterloh, C. Bertelsmann.
M. 6 —
Die ,Monatsfchrift für Innere Miffion' wird feit dem Beginne des
laufenden Jahres von dem Pfarrer Martin Ulbrich, Direktor der Pfeiffer-
fchen Anftalten in Magdeburg-Cracau, herausgegeben, nachdem fich der
bisherige überaus verdienftvolle Leiter des Blattes, Paftor D. Theod.
Schäfer aus Gefundheitsrückfichten genötigt gefehen, die Redaktion niederzulegen
. Mit dem Wechfel in der Leitung der .Monatsfchrift' tritt keinerlei
Veränderung hinfichtlich der Ziele ein, welche diefe Zeitfchrift bisher
verfolgt, auch nicht hinfichtlich der Haltung, mit welcher diefelben vertreten
wurden. Der Inhalt der erften 4 Hefte des neuen (31.) Jahrganges
ift ein fehr reicher. Erwähnt werden mögen die Auffätze von Backhaufen
über Fürforgeerziehung S. 3, von D. Mirbt über die deutfeh-evangelifche
Diafpora im Auslande S. 41, von D. Koch über den Maler Eugen Bur-
nand. Der jetzige Herausgeber hat einige kurze hiftorifche Notizen aus
der Gefchichte der chriftlichen Liebestätigkeit gebracht, die Beachtung
verdienen; fo berichtet er u. a. über diakonifche Frauengeftalten in der
alten Kirche S. 105, über eine Diakoniffe der Reformationszeit (Margarete
Blaarer) S. 155. Nach allem, was diefe erften 4 Hefte bieten, gewinnt
man den Eindruck, daß die Fortführung der Redaktion der wertgefchätzten
und für das Studium der Innern Miffion unentbehrlich gewordeneu Schäfer-
fchen .Monatsfchrift' von ihrem bisherigen Herausgeber den richtigen
Händen anvertraut ift. Wir begleiten danach das weitere Erfcheinen des
Blattes mit den beften Wünfcheu für einen ununterbrochen günftigen
Erfolg.
Göttingen. Knoke.
Mitteilungen.
46. Die Grabungen im Felfendom zu Jerufalem, von denen
hin und wieder die Zeitungen in jüngfter Zeit berichteten, find nicht von