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Ausgabe:

1911 Nr. 1

Spalte:

25-26

Autor/Hrsg.:

Ludwig, August Friedrich

Titel/Untertitel:

Weibliche Kleriker in der altchristlichen und mittelalterlichen Kirche 1911

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 1.

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teile ermüden, weil ich dann fehr in Einzelheiten eingehen
müßte und ich nicht annehmen kann, daß diefe Walther-
fche Arbeit von andrer Seite günftiger beurteilt werden
wird, als ich Tie einzufchätzen vermag.

Göttingen. K. Knoke.

Ludwig, Lyc.-Prof. Dr. Auguft: Weibliche Kleriker in der
altchriftlichen und mittelalterlichen Kirche. Einzeln-
Abdruck aus der theologifch - praktifchen Monats-
Schrift 1910. München, J. J. Lentner 1910. (24 S.)
gr. 30 M. - 75

Richter, Palt. Paul: Briefe über Synodaldiakonie. Gütersloh
, C. Bertelsmann 1910. (96 S.) 8° M. 1 —

Die beiden vorliegenden Schriftchen haben eine ge-
meinfame Tendenz: dem Frauendienft in der organifierten
Kirche einen feften Platz anzuweifen.

Der katholifche Profeffor in Freifing gibt in Anknüpfung
an die kürzlich in diefer Zeitfchrift befprochenen
Studien von Schäfer über die Kanoniffenftifter einen ge-
fchichtlichen Überblick über die Entwicklung des weiblichen
Klerus'. Er zeigt, daß das Witwenamt und fpäter
auch das Diakoniffeninftitut als klerikales Amt aufgefaßt
worden ift, ohne doch damit in der Regel zum höheren
,ordo' gerechnet zu werden. Soweit damit Verf. der Anficht
gegenübertritt, als fei das Frauenamt niemals zum klerikalen
Stande gerechnet worden, ift ihm zuzuftimmen.
Aber unklar bleibt in feinen Ausführungen, wie lieh in
den verfchiedenenZeitperioden dieZurechnung zumKlerus
modifiziert hat. Der Begriff ,ordo' führt zu falfchen Frage-
ftellungen für die erften Jahrhunderte, für die fpäteren
aber darf das Vorkommen klerikaler Weiheformeln und
Titel nicht über die Exklufion der Frau aus dem eigentlichen
Klerus im praktifchen Leben der Kirche hinweg-
täufchen. Daß der lebendige aktive Frauendienft der erften
Jahrhunderte durch Hierarchie und Mönchtum zerftört
oder wenigftens nur in fehr befchränkter Weife erhalten
worden ift, darf nicht durch den Hinweis verdunkelt werden,
daß Reite und Nachklänge der alten Lebensformen noch
in der mittelalterlichen Kirche zu finden find. Für den
Leferkreis der .theologifch-praktifchen Monatsfchrift' freilich
hat der Auffatz die Bedeutung, der höheren kirchlichen
Wertung der Frauenarbeit eine gefchichtliche
Stütze zu geben.

Der evangelifche Pfarrer Paul Richter (früher Diako-
niffenhaus-Geiftlicher in Danzig) beabfichtigt mit feinen
(Briefen über Synodaldiakonie' die weibliche Diakonie
der evangelifchen Kirche, welche in ihrer bisherigen
Entwicklung zwar kirchlich in ihrer Arbeit, aber frei in
ihrer Organifation war, der rechtlich verfaßten fynodalen
Organifation einzugliedern. Was der katholifchen Kirche
immer in hohem Maß gelungen ift, auch die freien Schöpfungen
der cliaritas ihrem Gefamtbau organifatorifch einzugliedern
, das will R. erreichen durch ein Zufammenwirken
der Diakoniffenmutterhäufer und der fynodalen Inftanzen.
Er beruft fich dabei auch auf Äußerungen von Fliedner
und Wichern, welche eine Angliederung der Diakonie an
die organifierte Kirche ftets gewünfeht haben. Mir erfchei-
nen folche Einzeläußerungen, die vor Jahrzehnten in noch
praktifch ungeklärten Verhältniffen entftanden find, weder
pro noch contra von großem Wert. Die als freier Zweckverband
organifierte weibliche Diakonie, wie fie z. B. im
Kaiferswerther Verband und im Diakonieverein fich darfteilen
, ift, folange fie den Gemeinden dient, ebenfo
.kirchlich' wie eine Neuorganifation, die von der Kreis- und
Provinzialfynode ausgeht und wie Richter wünfeht, von
einem provinzialkirchlichen Archidiakon überwacht werden
würde. Hier handelt es fich um Zweckmäßigkeitsfragen
und folche find unter Berückfichtigung der gefchicht-
hchen Verhältniffe zu entfeheiden. So fehr das Zufammenwirken
kirchenregimentlicher, fynodalerund gemeindlicher
Inftanzen mit den freien Organifationen weiblicher

Diakonie zu wünfehen ift, fo fehr muß es doch fraglich
erfcheinen, ob die ganze Organifation verändert werden
foll und ob die kleinen Zentralen felbftändiger Synodal-
diakonieverbände fich konkurrierend neben die Mutter-
häufer ftellen follen. Je größer der Verband und je freier,
auch von bureaukratifchen und fynodalen Inftanzen unabhängiger
die Lebensorganifation für die Diakonie ift,
defto leichter können die Charismen richtig verteilt werden.
Wichtig bleibt aber die von R. aufgerollte Frage auf alle
Fälle und deshalb feien die ,Briefe' Jedem empfohlen,
der fich für die neuere Entwicklung der Lebensformen
weiblicher Diakonie intereffiert.

Sie wird wohl dahin führen, daß die Ausbildung
und die Verforgung der diakonalen Kräfte in der Hand
großer freier Organifationen bleibt, dagegen die ausführende
Arbeit fich enger an das gemeindliche und
fynodale Leben anfchließt.

Wittenburg-W.Pr. Ed. von der Goltz.

Dorfmann, Dr. Franz: Ausgeltaltung der Paltoraltheologie
zur Univerlitätsdisziplin und ihre Weiterbildung. Nach
Archivalien bearbeitet. Wien, H. Kirfch 1910. (XVI,
271 S.) gr. 8° M. 6 —

Unter der Überfchrift .Quellen und Literatur' wird
dem Werke die Namhaftmachung von 7 Quellen und
60 theologifchen Büchern vorangeltellt. Äm Schluß des
Werkes (S. 260f.) wird ein Verzeichnis der verwendeten
Urkunden dargeboten; aus dem Haus-, Hof- und Staats-
Archiv in Wien find es 26, aus dem Archiv des Mini-
fteriums für Kultus und Unterricht 42, aus dem fürfterz-
bifchöflichen Diözefanarchiv 20, aus dem Archiv der
Univerfität Wien 5, aus dem Meraner Stadtpfarrarchiv 3,
aus Ungers Syftematifcher Darftellung der Gefetze über
die höheren Studien 3. DerVerfaffer hat fich demnach
mit einem großen Apparat für feine Darftellung ausge-
rüftet, und jede Seite des Werkes gibt den Beweis, daß
er die Menge der Urkunden auf das fleißigfte durchgearbeitet
und verwertet hat. Überall läßt er im Texte
die Urkunden zu Worte kommen, und zahlreiche Fußnoten
ergänzen das Mitgeteilte. Dadurch wird nun allerdings
die Lesbarkeit des Werkes außerordentlich er-
fchwert, zumal da die Urkunden in fchlechteftem Deutfch
abgefaßt find und auch der eigene Stil des Ver-
faffers mit Provinzialismen und Solözismen allzureich
durchfetzt ift.

Das Werk ift außer der Einleitung (1—4) in drei
Teile gegliedert. Der erfte Teil (5—67) entwickelt die
.Gründe, die ein eingehenderes Studium der „praktifchen
Theologie" veranlaßten', der zweite Teil (68—167) fchil-
dert die ,Einführung der Paltoraltheologie als felbftän-
diges Schulfach in die theologifchen Lehranftalten Öfter-
reichs', der dritte Teil (168—259) zeigt die ,Vor- und
Nachteile des neu gefchaffenen Schulfachs und die weitere
Entwicklung unfrer Disziplin'. Jeder diefer Teile
wird ohne irgend welche Gliederung abgehandelt; allein
ein ausfuhrliches Inhaltsverzeichnis (im erften Teil 30,
im zweiten 43, im dritten 26 Angaben) gibt der Orientierung
in dem Werke erwünfehte Hilfe.

Im erften Teil handelt es fich vor allem um den
theologifchen Studienplan vom Jahre 1752. Wie der Betrieb
des theologifchen Studiums vor Erlaß diefes Planes
geftaltet war, wird uns nicht direkt mitgeteilt; aus beiläufigen
Bemerkungen fcheint hervorzugehen, daß bisher
der Klerus auf recht primitive Weife von den Bifchöfen
für fein Amt eingeübt wurde; daß infolge der Unbildung
des Klerus eine Verwüftung des religiöfen Lebens im
Volke durch Pflege kraffen Aberglaubens und abge-
fchmackter Äußerlichkeiten um fich griff, ift verftändlich
(12—40). Der neue theologifche Studienplan von 1752
war freilich wenig geeignet, den Mißftänden abzuhelfen
. Die Studierenden werden in ,beffer Talentierte'
und .minder Begabte' gefchieden; jene haben die