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Ausgabe:

1911 Nr. 14

Spalte:

429-434

Autor/Hrsg.:

Wolfsgruber, Cölestin

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte Österreich-Ungarns 1911

Rezensent:

Loesche, Georg

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429 Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 14. 430

teftamentliche Texte predigte, bezeichnend, daß Bilderverehrung
mit den daran hängenden Mißbräuchen den
Ausgangspunkt feiner Polemik bildete. Darüber entftand
große Feindfchaft. Die Art, wie jetzt feine Gegner vorgingen
, ift überaus belehrend auch für die Kinder der
Neuzeit. Aber wie Eck, Prierias und andere Gegner
nur Luthers Entwicklung förderten, fo wurde Ifaak durch
feine Gegner zu tieferer Erkenntnis der Wahrheit geführt.
Er legte 1584 alle feine Ämter und Würden mit ihrem
guten Einkommen nieder, fchloß fich der evangelifchen
Gemeinde in Köln an, fiedelte aber bald nach Heidelberg
über, wo er zunächft eine befcheidene Stellung an der
Peterskirche bekam, und fich 1586 verheiratete. 1591
wurde er Superintendent in dem damals pfälzifchen
Bensheim. Auf dem Titelblatt heißt er heffifcher Superintendent
, während Bensheim erft 1803 an Heffen-Darm-
ftadt fiel, wo 1591 für den ftreng reformierten Ifaak ohnehin
kein Raum gewefen wäre. Denn hier war man
lutherifch. Ende 1597 ftarb der begabte Sohn Ifraels,
von welchem der Gefchichtsfchreiber der Pfarrei zur
h. Urfula, A. G. Stein urteilt: ,Bei feinem Scharffinne,
feiner umfaffenden Gelehrfamkeit, feiner Gewandheit und
Popularität hätte diefer Mann der katholifchen Sache in
Köln fehr gefährlich werden können, wenn die äußeren
Verhältniffe feine Beftrebungen andauernd begünftigt
hätten'.

Das Buch ift für die Kenntnis der Kölner Zuftände
nach den verfchiedenften Seiten lehrreich. Namentlich
lernen wir die Genoffen Ifaaks im Kampf gegen die
Evangelifchen, die nachher feine bittern Feinde wurden,
die römifche Kampfweife mit ihren krummen Wegen,
Liften, Verleumdungen, aber auch Zuftände in Köln, z. B.
das fittenverderbliche Prozeffionswefen, das Inftitut der
Stabträger, die wohl mit den Speyrer Stäblern identifch
find, genauer kennen. Das Urteil des Kölner Kardinals
Fifcher über zweifelhafte Reliquien entfpricht dem Grund-
fatz des Kölner Oberfieglers: Inveteratam consuetudinem
etconceptam opinionem redarguere est periculosum (S. 45).

In den Erläuterungen und Quellenftücken fleckt
fleißige Arbeit. Manchmal wäre eine weitere Aufklärung
erwünfcht.

Z. B. S. 10 ift Schwol doch wohl Zwolle. Wohin St. Ifaak 1563
gezogen ift, wird nicht aufgeklärt, fo wenig als feines Vaters Aufenthalt
in Wittenberg 1549 (S. 157 Z. 12). Das falfche Gerücht, daß Steph. Ifaak
1590 auf Seiten der fchwäbifchen Lutheraner beim Religionsgefpräch in
Baden geftanden fei, eutftand durch Verwechfelung mit Stephan Gerlach
S. 104fr. Deutfch S. 73 Z. 9 ift Deutz, vgl. 75, 13. Büraus (S. 104) war
Rektor in Molsheim im Elfaß, nicht in Melatten. S. 157 wäre Pollizius
baro, Dr. Gleitzmann und Hefielfusf?) nachzuweifen. Auch fprachliche
Erklärungen wären für die Historia Isaaci, welche Loffen mit Recht ein
Sprachdenkmal nennt, erwünfcht gewefen, fo S. 28 Z. 10, 28 Cuculoris,
dagegen S. 81 Z. 33 ff. cueuloeris, S. 28 Z. 15 befulperen = maculare, S. 37
Z. 19 Catabel judendeutfeh (3rw) Brieflein, S. 88, Z. 6. Hobleute =
? Hubleute, wohl Inhaber von Zinshuben, S. 106 Z. 1: Gefpruß. Leider
find die Texte, welche Rotfcheidt bietet, nicht immer einwandfrei. Mancher
Anftand mag auf die zahlreichen Druckfehler zurückzuführen fein, die
bei hebräifchen Wörtern nicht gerade überrafchen, wie S. 17, Anm.
pna-i ftatt phS1?, S. 167. niiüA ftatt ntob. Umfo mehr find die
deutfehen und lateinifchen Anftöße zu bedauern. Hier nur einige der-
felben. S. 87 Z. 5 v. u. 1. aeeeptorum. S. 118 Z. 34 fehlt vor ,wol' ,nit'.
S. 119 Z. 23 1. retentus, Z. 25 isthic. S. 120 Z. 10 ift ad motu unmöglich
; 1. entweder ad modum oder ac motum. S. 121 Z. 1 1. praesen-
tandum. Vgl. Z. 30. Z. 9 domino. Z. 36 profitetur. S. 123 Z. 15

1. exemplum ... fit, ut Z. 2 v. u. den S. 124. Z. 3 beruften. Z. 37 aulicis.

2. 39 authoritatem Z. 41. confirma. S. 125 Z. 41 occupationes ftatt occu-
Pandus und cum ftatt enim. S. 128 Z. 27 1. huius ftatt Quis. S. 143 Z. 26
verftanden. S. 155 Z. 3 prohibeat ftatt prosubeat S. 156 Z. 23 Allent-
halberos (Ubiquiften).

Stuttgart. G. Boffert.

Wolfsgruber, Dr. Cöleftin, O. S. B: Kirchengefchichte
Öfterreich-Ungarns. Mit i (färb.) Kirchenkarte von
Ofterreich-Ungarn. Wien, H. Kirfch 1909. (VI, 215 S.
m. 1 Tableau.) M. 4.80

Warczali, Henry: Hungary in the eighteenth Century. With
an introduetory essay 011 the earlier historj )f Hungary

by Harold W. V. Templerey, M. A. Cambridge, Uni-
versity Press 1910. (LXIV, 377 p. with map.) gr. 8° s. 7.6
Veress, Pfr. Stefan: Einfluß der calvinifchen Grundlätze auf
das Kirchen- und Staatswefen in Ungarn. Zu Calvins 400.
Geburtstage. Tübingen, H. Laupp jr. 1910. (111,137 s.)
gr. 80

Verfaffung der evangelifchen Landeskirche Augsburger Bekennt-
niffes in den fiebenbiirgifchen Landesteilen Ungarns. Hrsg.
vom Landeskonfiftorium. Hermannftadt, F. Michaelis
1910. (103 S.) gr. 8° M. 1.50

In dem im Wettbewerb mit Werckshagens: ,Der Pro-
teftantismus am Ende des 19. Jahrhunderts' erfchienenen
dreibändigen Werke der Leo-Gefellfchaft: ,Die katholifche
Kirche unferer Zeit und ihre Diener in Wort und Bild'
ift Ofterreich von mehreren Verfaffern behandelt; die
Einleitung flammt von dem Wiener Univerfitätsprofeffor
F. M. Schindler und fchließt mit den Worten: ,Noch
heute erfüllt Öfterreich den Beruf, uneigennützig die
Kirche über den ganzen Erdkreis hin zu fördern durch
die Freigebigkeit und den Schutz, den fein Kaifer den
katholifchen Intereffen in allen Ländern zuwendet. Darin
darf man eine Bürgfchaft mehr dafür erblicken, daß es
dem Reiche befchieden fein wird, wieder im vollen Sinne
das „katholifche Öfterreich" zu werden und zu bleiben
allwege'. In demfelben harmlofen und unhiftorifchen
Geifte hat Schindlers engfter Kollege feine Aufgabe erfaßt
und durchgeführt. Der fruchtbare Gelehrte kann
auf eine Reihe von wichtigen Veröffentlichungen zurückblicken
, deren Titel fofort den Kreis feiner Gedanken
und Neigungen kennzeichnen: Über die Loretokapelle;
die Kaifergruft bei den Kapuzinern; die Hofkirche zu
St. Auguftin; Kardinal Raufcher; Kardinal Migazzi;
Caroline Augufte, Kaiferin Mutter; Franz I. von Ofter-
reich; das Kaifer Ferdinand-Kruzifix in der Hofburg-
kapelle; Biographie des Kardinals Schwarzenberg. Seine
uns vorliegende Kirchengefchichte ift fehr lehrreich für
Ultramontane und Proteftanten, durch feine angefehene
Stellung als ordentlicher Wiener Univerfitätsprofeffor und
Hofprediger, durch das, was fie bringt und verfchweigt,
durch den Geift, der fie durchwaltet. Diefer hätte einen
genaueren Ausdruck in dem Titel gefunden: ,Gefchichte
der allein feiig machenden römifch-katholifchen Kirche
in Ö.-U. unter Kaifer Franz Jofef I. mit einer Einleitung
über die Vergangenheit'. Letzere wird kurz erledigt mit
einer Reihe von Ungenauigkeiten: das Altertum auf fechs
Seiten, das Mittelalter auf 21, das Reformationszeitalter
auf zehn, der Abfolutismus auf vier, die Aufklärung auf
zwölf, die Herrfchaft des Jofefinismus auf fiebzehn; dagegen
erhält die Regierung Franz Jofefs 60. Dann folgt eine
Statiftik der Religionsbekenntniffe, ohne Angabe von Jahr
und Quelle, vermutlich auf Grund der vorletzten Volkszählung
, alfo heute längft überholt; eine bequeme Überficht
über Weltpriefter, Regularen und katholifche Laien
nach Diözefen, der Bistümer nach ihrem Alter, der Klofter-
gründungen. Obfchon den einzelnen Kapiteln umfangreiche
Literaturangaben vorangeftellt find, folgt ein be-
fonderer literarifcher Anhang vom Dozenten Dr. E. Tomek.
Auf Vollftändigkeit kann es nicht abgefehen fein; aber
felbft die Auswahl ift ungenügend getroffen. Denn abgefehen
davon, daß die einzelnen Artikel der auch bei
uns zahlreichen hiftorifchen Zeitfchriften nicht aufgeführt
find, fehlen fo wichtige Werke wie Stieve's Oberöfter-
reichifcher Bauernkrieg, Loferth's Akten-Publikationen über
Inner-Öfterreich, R. Holtzmann's Maximilian II. Es ift
unbequem, daß diefe Literaturangaben auseinander ge-
riffen und alfo z. T. wiederholt und ftatt nach den Er-
fcheinungsjahren abedarifeh geordnet find. Den Schluß
bilden außer Regiftern ein Tableau der fo bedeutfamen
bifchöfliehen Verfammlung von 1849 und eine Kirchenkarte
, welche jedoch nur die römifche und griechifche