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Ausgabe:

1911 Nr. 14

Spalte:

422-423

Autor/Hrsg.:

Engert, Thaddäus

Titel/Untertitel:

Das Alte Testament im Lichte modernistisch-katholischer Wissenschaft 1911

Rezensent:

Volz, Paul

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 14.

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Prelle und die Propagenda des Islam der Gegenwart. 1910. (16 S.)
M. —20. — 4. Mehmed Mef'ud: Ein muhammedaiiifcher Katechismus
. Bearbeitet v. Prof. Dr. F. C. Andreas. 1910. (32 S. m.
3 Abb.) M. — 40.

Das 1. u. 5. Heft find gutgemeinte aber naiv-kenntnis-
lofe Verfuche, für die Muhammedanermiffion zu werben.
In Heft 1 werden eine Anzahl Bekehrungsgeschichten
im Traktätchenftil erzählt, nicht feiten zufammenhangslos
{f. befonders Mirsa Ibrahim 6—16), meift ohne oder mit
ungenügender Quellenangabe. Das letzte Stück ,über
Wege und Ziele der Muhammedanermiffion' (29—31)
zeigt völlige Verkennung der Aufgaben der fränkifchen
Kulturwelt: .Ungläubige Wiffenfchaft ift bereits in die

abgefchloffene Welt des Islam eingedrungen..... Sie

wird ihren fauerteigähnlichen Einfluß fortfetzen, wenn
nicht chriftliche Wiffenfchaft ihr kraftvoll entgegentritt
' (S. 30) und ,reiigionslofe moderne Wiffenfchaft
kann die Bedürfniffe des religiöfen Orientalen nicht
befriedigen' (S. 31). Das wäre fchön, wenn .chriftliche' und
.religionslofe' .Wiffenfchaft' coram publico islamico einander
bekämpften! Die Miffion foll nicht der Wiffenfchaft ins
Handwerk pfufchen; da waren die amerikanifchen Pres-
byterianer, die um 1830 nach Syrien kamen, fchon weiter:
fie brachten Seife, Zahnbürfte und Ordnungsfinn, daneben
fchufen fie ein außerordentliches Material guter Schulbücher,
fchwätzten aber nicht von .chriftlicher Wiffenfchaft' (vgl.
meinen Artikel .Miffion und Kolonialpolitik in Koloniale
Rundfchau März 1911). — Heft 5 ift eine Sammlung von
religionspolitifchen Notizen, in denen namentlich mit dem
Gefpenfte des Panislamismus operiert wird. Vergebens
facht man Tatfachen, die für die ernfte Forfchung brauchbar
find; die wenigen Tatfachen-Angaben (Ehrungen des
Konvertiten Jama-Oka aus Japan in Stambul, Verhalten
der Ulemas gegen Mandelftamm, ihr Kampf gegen den
Deputierten Riza Tewfik Bey) find dürftig und bedürfen
der Nachprüfung.

Zu Heft 4. Es ift dankenswert, daß ein deutfcher Gelehrter
fich diefer Arbeit angenommen und die Überfetzung,
die ihm vorgelegt wurde, durchgefehen und mit Anmerkungen
begleitet hat. Nur fehlt jede Mitteilung über das Original
(Sprache? Druck?), auch mußte in dem Titel der hane-
fitifche Charakter bezeichnet werden. Dem Hefte ift ein
Aufruf des Dr. Lepfius an die deutfchen Proteftanten zur
Unterftützung der Muhammedaner-Miffion angehängt, dem
ich nicht beiftimmen kann: man darf nicht den Islam für
den Fatalismus der meiften Muslime verantwortlich machen;
die Prädeftination hat auch in den chriftlichen Ländern
ihr Unwefen getrieben, und der Qadarismus (Indeterminismus
), die von den Berten vertretene Lehre, war eine
Zeit lang herrfchend. Es ift unzuläffig, für die Behandlung
des Islams ein Schema aufzustellen, und es ift unrichtig,
generalifierend zu fagen: .Unauthaltfam dringt der Islam
im Sudan, in Indien, China und auf den Sunda-Infeln vor'.
Es ift durchaus zu differenzieren nach den Ländern, in
denen der Islam eine alte Kultur übernommen hat, und
den fog. kulturlofen, die er in der Neuzeit zu erobern
verflicht hat. Von den äußerft fchwierigen Problemen,
die fich da bieten, fpürt man in diefem Aufrufe nichts.
Auch nichts davon, daß in Afrika gerade die Miffionen
zum Teil durch ihre fchweren Fehler dem Islam den Weg
bereitet haben (die Gehäffigkeit der Konfeffionen und
Konfeffiönchen in Uganda ufw). Wenn neben dem felbft-
füchtigen Vorgehen von Staaten und Gefellfchaften der
Frankenwelt gegen den Islam ein Liebeswerk getrieben
werden foll, fo ift dabei eine vollkommene Klarheit über
die Ziele und Aufgaben nötig, nicht ein verfchwommenes
Reden im Traktatenftil (für Afrika ift zur Zeit das Normwerk
Mirbt's Miffion und Kolonialpolitik). Seltfam nimmt
fich die Klage, der Islam .fcheue fich nicht, feine Sendboten
nach Europa und Amerika zu fchicken' und daß
Mofcheen in England und Amerika gebaut werden, im
Munde eines Mannes aus, der es felbftverftändlich findet,

daß in rein islamifchen Gebieten einem andern Glauben
Tempel errichtet werden.

Hermsdorf. M. Hartmann.

Engert, ehem. Benef. Dr. Th.: Das Alte Teftament im Lichte
moderniltifch - katholiFcher Wiffenfchaft. München, J. F.
Lehmanns Verl. 1910. (226 S.) 8° M. 4 — ; geb. M. 5 —

Im Eingang fchildert E. fein fchmerzliches Erlebnis,
das auch den eigenartigen, wiffenfchaftlich fonft nicht angängigen
Titel pfychologifch erklärt. Das Buch geht
darauf aus, gegenüber der katholifch-orthodoxen Bibel-
auffaffung den menfchlichen Urfprung des A. T., die
Verwandtfchaft mit den übrigen Religionen, den Ent-
wicklungscharakter der religiöfen Gebräuche und Ideen
Israels darzuftellen. E. befpricht die allmähliche Ent-
ftehung des Kanons, Mythen und Mythifches im A. T.,
Gefchichtliches und Ungefchichtlich.es in Israels Gefchichts-
fchreibung, die Entwicklung des Rechts, die Propheten,
die Elemente der niederen Religion im A. T. (Wahr-
fagekunft, Zauberei, Amulette, Refte des Vegetationskultes
, Dämonen, Tabugebote u. a. S. 105—-176), heilige
Orte und Opfer; der Schlußabfchnitt über den Gottesgedanken
ift eine kurze Skizze der religiöfen Entwicklung
Israels von den erften Anfängen bis auf Jefus.

Das Buch enthält viel Gutes und Eigenartiges; die
Hauptftärke des Vf. liegt auf dem Gebiet der niederen
Religion. Hier fördert er durch religionsgeschichtliche
Vergleichung, gefunden Blick und eindringendes felb-
ftändiges Nachdenken manches Beachtenswerte heraus.
Für glücklich halte ich z. B. feine Annahme einer prä-
animiftifchen Epoche, in der die Menfchen noch keine
Götter oder Geiftwefen pflegten, fondern nur durch die
Tabukräfte in Glaube und Furcht beherrfcht waren. Mit
Recht vertritt er die Thefe, daß der Urfprung des Opfers
im Zauberglauben zu fuchen fei; diefe Linie ift jedenfalls
älter als die der Gemeinfchaft oder der Gabe, fie macht
fich weithin (bis heute) geltend und erklärt erft völlig
den Widerfpruch der Propheten gegen den Kultus. Bei
der Lade opponiert E. richtig gegen die Thron-Deutung
und nimmt die zutreffende Vorftellung vom Steinfetifch-
Behälter wieder auf. Obwohl man auch bei E. auf Schritt
und Tritt die Unzulänglichkeit unfrer Forfchung auf dem
Gebiet der niederen Religion empfindet, da jeder Brauch
die mannigfaltigfte Deutung zuläßt und diefes Gebiet ungeheuer
lange Perioden umfchließt, zeigt fich bei ihm
doch ein entfchiedenes Talent für diefe Seite der A. T.
liehen Wiffenfchaft.

Aber es muß Klarheit darüber bleiben, daß diefem
Arbeitsgebiet für die Erforfchung der A. T. liehen
Religion nur eine fekundäre Rolle zukommt; diereligions-
gefchichtliche Vergleichung zum Studium des A. T. muß
aus derPeffel der niederen Religion befreit werden. Schon
dadurch daß wir die babylonifche und die ägyptifche
Religion jetzt viel beffer kennen als früher, hebt fich die
religionsgefchichtliche Vergleichung auf eine höhere Stufe;
außerdem follte viel energifcher, als es gefchieht, gerade
mit den Hilfsmitteln der Vergleichung der A. T.lichen und
der N. T.lichen und der übrigen Religionen, auf dem
Hauptgebiet, dem Gebiet der höchftenReligionsäuße-
rungen, gearbeitet werden. E. fieht das A.T., vielleicht
aus Oppofition gegen die Orthodoxie, einfeitig von der
Stufe der niederen Religion aus. Obwohl er z. B. mit
feinem Blick im Jahwiften den großen Dichter erkennt,
nennt er ihn doch an den primitiven Stoff .gebunden',
während vielmehr davon zu reden wäre, wie diefer große
Mann fchöpferifch den antiken Stoff umfehuf. Die großen
Grundgedanken der Urgefchichte (Gen. 2—11) find nicht
gewürdigt, und E. konftatiert ohne Beweis, daß diefe Ge-
fchichten in Israel keine tiefgreifende Bedeutung gehabt
hätten. Wenn nun aber die großen Propheten durch fie
ganz gewaltig beeinflußt wurden? Bei den Propheten

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