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Ausgabe:

1911 Nr. 13

Spalte:

411

Autor/Hrsg.:

Masterman, Ernest W. Gurney

Titel/Untertitel:

Studies in Galilee 1911

Rezensent:

Köhler, Ludwig

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4ii

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 13.

412

aber R. fteht auf ethifcher Höhe, während Ragaz fich der
angeblich dämonifchen Macht des Geldes nicht zu entwinden
vermag. Anziehend ift auch die verfchiedene
Beurteilung des liturgifchen Gebetes bei G. und R. Beiden
ift das liturgifche Gebet ein Problem, G. facht es dadurch
zu löfen (Nr. 33), daß das lit. Gebet noch nicht das Gebet
felber ift, nur eine Vorübung auf das wahre Gebet des
Herzens, das darauf folgen muß; R. (Nr. 23) dadurch, daß er
die Hörer auffordert, alle lit. Gebetsworte perfönlich auf
fich felbft zu beziehen und mit ihren Gebetsgedanken das
Allerhöchfte ins Auge zu faffen, wenn fie auch nicht alle
Einzelheiten des lit. Gebetes miterleben können.

Von den ,lebhaften theologifchen Kämpfen', unter
denen (.Vorbemerkung') faft alle Predigten gehalten find,
zeugen nur einzelne gelegentliche Anfpielungen ganz allgemeiner
Art, worin von Angriffen von Feinden und
Gegnern oder von dem Richtergeift falfcher Frömmigkeit
die Rede ift.

Den beiden Nürnberger Predigern gebührt großer
Dank für die reiche Förderung des ,Lebens aus Gott',
die wir aus ihren Predigten gewinnen können.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Referate.

Mastermatl, Erneft W. Gurney, M. D., F. R. C. S., F. R. G. S.: Studies
in Galilee. With a preface by Prof. George Adam Smith, D. D., LL. D.
Chicago, The University of Chicago Press 1909. (XV, 154 p.) gr. 8°

$ 1 —

Die Empfehlung diefes Ende 1909 erfchienenen Buchs kommt fo
fpät, weil ich — leider vergeblich! — bei mehreren deutfchen Verlegern
verfocht habe, eine deutfche Ausgabe zu veranlaffen. Das Werk des jetzt
in Jerufalem, früher in Safed wohnenden fchottifchen Arztes hätte das
reichlich verdient. Es gliedert fich in die Abfchnitte: I. Phyfifche Geographie
, Grenzen und Hauptortfchaften (einläßlich und fehr forgfältig!);
II. Die galiläifche Binnenfifcherei (fo nirgends zu finden und höchft wertvoll
!); III. Genefareth; IV. Kapernaum; V. Chorazin und Bethfaida; VI. Die
alten Synagogen; VII. Galiläa zur Zeit Chrifti (diefer gefchichtliche Teil
ift, wie auch in andern ähnlichen Werken meift, der fchwächfte). Wenig-
ftens für Teil II möchte man eine Überfetzung ins Deutfche dringend
wünfchen. Eine Reihe meift recht guter Bilder find beigegeben. Der
Verfaffer fetzt feine wertvollen Studien in der ,Biblical World' fort.
Langnau-Zürich. Ludwig Köhler.

Brand, Georg: Die Wirtlchaftsbücher zweier Pfarrhäuler des Leipziger
Kreifes im vorigen Jahrhundert. Ein Verfoch zur Frage nach den

Lebenskoften. Leipzig, Duncker & Humblot 1911. (VII, 125 S.)

gr. 8° M. 3.50

Der Verf. beabfichtigt mit der Herausgabe diefer Arbeit in erfter
Linie dem Ausbau der Wiffenfchaft der Nationalökonomie zu dienen, fo-
fern er aus Wirtfchaftsbüchern, welche in zwei fächfifchen Pfarrhäufern
in den Zeitabfchnitten 1814—1817, 1846—1848 und 1870 —1879 ziemlich
lückenlos geführt find, eine Reihe von ftatiftifchen Zufammenftelluugen
über den Konfum in jenen Häufern, über die Preife, welche dabei im
einzelnen gezahlt find, und ähnliches bringt. Indem er feine Unterfochungen
zugleich mit frifch gefchriebenen Angaben über ,Ort, Land und Leute,
Verkehr' S. 10—19, .Zeiten' S. 19—26, .Familien und Hausftände' der
betreffenden Pfarrbewohner S. 26—29 verbindet, gewinnt feine Publikation
zugleich eine gefchichtliche bezw. kulturhiftorifche Bedeutung. Für die
Lefer diefer Zeitfchrift dürfte von befonderem Intereffe der Einblick fein,
den Brands Arbeit in die Ausgaben gewährt, welche durch die Lebens-
ftellung und Lebensgewohnheit der drei Pfarrer bedingt wurden, von
denen wir hier hören. Ich notiere folgende Daten: 1814/15 find für
Tabak gezahlt 66,96 M., 1870: 82,60 M. Für Papier und Bücher 1814/15:
0,96 M; 1847: 0,16 M; 1870: 149,05 M. Für Almofen 1814/15: 3,06 M;
1847: 0,97 M; 1870: 199,20 M, außerdem in demfelben Jahre 342,07 M
,Kriegsopfer'. Für Vergnügungen in den drei genannten Jahren 0,63 M;
1,97 M; 40,75 M. Die Einnahme betrug in den angegebenen Zeiten
2160 M bezw. 2400 M und 4425 M. Ich gebe diefe Notizen, um zum
Studium des Buches anzuregen, für deffen Veröffentlichung dem Verf.
lebhafter Dank gebührt.

Göttingen. K. Knoke.

Wiegershaulen, Dr. Heinrich: Aeneiidem-Schulze, der Gegner Kants,
und (eine Bedeutung im Neukantianismus. (Kantftudien. Ergänzungshefte
, Nr. 17.) Berlin, Reuther & Reichard 1910. (III, 93 S.) gr. 8«

M. 3.40

Wir finden hier eine umfallende Darfteilung und Würdigung der
Philofophie Gottlob Ernft Schulzes, der von dem Titel feines anonymen
Hauptwerkes (1792) den Namen Aenefidem-Schulze trägt. Die Bedeutung
diefes Werkes, die auch heute noch nicht gefchwunden ift, liegt darin,
daß es zuerft zufammenfaffend und in geiftreicher Darftellung fo ziemlich
fämtliche Einwürfe der Zeitgenoffen gegen Kants kritifche Philofophie
bringt. Einige der wichtigften und begründetften Einwürfe freilich find
fchon vorher erhoben, fo von Jacobi, daß die Annahme eines Dinges an

fich als Urfache der Empfindung ein Widerfpruch fei, und von Maimon
(den der Verf. nicht nennt), daß das Humefche Problem durch Kant nicht
gelöft fei (,Verfoch über die Transcendentalphilof.' 1790. S. 73). Indes
ift die tatfächliche Bedeutung Schulzes und fpeziell des Aenefidem doch
fehr groß; hat letztere Schrift doch bei Fichte Kants Syftem ,von Grund
aus umgeftürzt' und ift Schulze doch auf feinen Schüler Schopenhauer
von großem Einfluß gewefen. Schulzes Standpunkt ift der eines (wenn
auch nicht prinzipiellen) Skeptikers, aber nicht fo wichtig wie feine
Polemik. Die vorliegende Schrift ftellt darum diefe Polemik mit Recht
in den Vordergrund. Verdienftlich ift, daß fie Schulzes fehr feltenes
Hauptwerk ,Kritik der theoret. Philof.' von 1801 mit berückfichtigt. Ihre
fchriftftellerifche Form leidet etwas darunter, daß erft der Aenefidem, dann
die ,Krit. der theor. Philof. dargeftellt und endlich eine Würdigung Schulzes
gegeben wird; fo bekommt man dasfelbe Problem gelegentlich dreimal
vorgefetzt (cf. z. B. S. 40. 64. 78). Verf. erkennt den Einwürfen Schulzes
bis auf einen aktuelle Bedeutung zu. Im einzelnen kann nicht darauf
eingegangen werden. Intereffant ift vor allem, wie fcharf fchon die
Schwächen der Poftulate der pr. Vernunft erkannt find. Es fei die Bemerkung
geftattet, daß die am meiften begründeten Einwürfe ihre Auf-
löfung durch Fries erhalten haben.

Göttingen. E. Kohlmeyer.

Gut he, Prof. D. Dr. H.: Wer hat den Religionsunterricht in der
Volksfchule zu erteilen, der Staat oder die Kirche? Vortrag,

am 12. Okt. 1910 vor der fächf. kirchl. Konferenz in Chemnitz geh.
(Aus: .Neues Sächf. Kirchenbl.') Leipzig, G. Wigand (1911). (24 S.j
kl. 8» M. —30

Der Vortrag zerfällt in zwei Teile, einen grundfätzlichen und einen
praktifchen. Erfterer will beweifen, daß nur die Landeskirche den (kon-
feffionellen, im weiten Sinne) Religionsunterricht erteilen kann. Der
Staat, auch wenn man ihn als Kulturftaat begreift, der an der religiös-
fittlichen Bildung feiner Bürger lebhaft intereffiert ift, kann doch nur den
R.-U. erteilen laffen aber nicht felbft erteilen; das ift, wenn man nur
auf die Logik der Dinge fleht, durchaus richtig. Der 2. Teil behandelt
die Praxis im Königreich Sachfeii. Hier fcheint es, nach den geltenden
Gefetzesbeftimmungen, als ob der Staat den R.-U. erteilt, die Kirche
ihn nur beauffichtigt. Diefen Widerfpruch wünfcht G. befeitigt.
Es [foll deutlich zum Ausdruck kommen, daß die Kirche, unbefchadet
des dem Staat zuftehenden Oberauffichtsrechts, den R.-U. erteilt. Sie follte
ihn deshalb nicht nur beauffichtigen; fie müßte auch die Lehrmittel
beftimmen, und fie müßte den Lehramtskandidaten, die fich freiwillig (!)
zum R.-U. melden, den Auftrag erteilen. — Hier hat G., wenn er fagt,
es handle fich um 3 Punkte, Lehrer, Lehrbücher, Aufficht, einen Punkt
vergeffen, die Kinder oder die Eltern. Wenn der R.-U. wirklich Sache
der Kirche ift, dann darf es auch keinerlei ftaatlichen Zwang mehr
geben, am wenigften gegen Diffidenten. — Wenn G. diefe Konfequenz
zieht, möchte ich, trotz Bedenken, feinen Forderungen Erfolg wünfchen.
Mein Bedenken ift hauptfächlich dies, daß in Wirklichkeit in Sachen
des R.-U. unfere Landeskirchen, wenigftens ihre amtlichen Vertretungen,
durchfchnittlich hemmend wirken: die allermeiften Reformen mußten und
müffen ihnen abgerungen werden. Das ift vielleicht kein Schade. Diefer
Zuftand bewahrt uns vor Überftürzung. Aber dann habe ich Bedenken,
den R.-U. ganz der Landeskirche auszuliefern. Vielleicht ift der gegenwärtige
Zuftand, fo irrationell er ift, doch für unfere deutfchen Verhält-
niffe praktifch noch der brauchbarfte. Ich perfönlich lehne es deshalb
grundfätzlich ab, eine rationelle Löfung zu fuchen. Das könnte nur eine
gänzliche Trennung von Staat, Schule und Kirche fein; und dafür find
wir noch nicht reif.

Hannover. Schuft er.

Mitteilungen.

38. Alle, die fich für Reformationsgefchichte intereffieren,
feien auf die an Reformationsdrucken feiten reiche Michaelis- oder Kon-
fiftorialbibliothek zu Rothenburg o. Tbr. aufmerkfam gemacht.
Von Luther finden fich 287 Nummern (einfchließlich der Vorreden),
darunter auch ein Druck der Thefen von 1517 (WA I. S. 231 N°. C) mit
Randbemerkungen des Dr. J. Teufchlin; Carlftadt ift 70 Mal vertreten,
Wenz. Linck 19 Mal, Ofiander 13 Mal, Urb. Rhegius 18 Mal, Kafpar Gültel
9 Mal u. f. f. Außerdem find zahlreiche Flugfchriften vorhanden. Es ift
ein Verdienft von Prof. Kolde in Erlangen, diefe ein halbes Jahrhundert
fo gut wie ganz vergeffeue Bücherei wiederentdeckt und dadurch eine
ausgezeichnete Katalogifierung durch den verdorbenen Gymuafial-Rektor
Georgii und den Gymnafial-Profeffor A. Schnizlein in Rothenburg o. T.
angeregt zu haben. Der Katalog (für 1,70 M. einfchl. Porto vom Rektorat
des Progymnafiums zu Rothenburg o. T. erhältlich) trägt den Titel: Die
Miscellanea reformatoria der Rothenbnrger Bibliothek. 1910. Die Katalogifierung
von c. 200 Nummern fteht noch aus, foll aber eheftens folgen.

Halle a. S. Paul Drews.

39. In den Athen. Mitteil. 1910 hat Hepding ein überreiches, höchft
wertvolles Material neuer pergamenifcher Infchriften veröffentlicht.
Ich hebe einiges religionsgefchichtlich befonders Bedeutfame heraus:

1. Nr. 38 (S. 454): Altar, geweiht Twi ) IIav9eiw. Der Artikel
nötigt, TO Il&vQuov zu verftehn. ,In diefer Bedeutung kommt To
n&V&eiOV hier wohl zum erften Male vor'. H. verweilt auf die bisher
bekannten Weihungen 9-soTg näoi und an den Allgott Pantheus hin. Vgl.
auch Sittig, Diff. Haienses XX (1911) I p. 163. 64.

2. Wie die Infchriften neue Beifpiele der für die hellcmftifche Zeit
charakteriftifchen Vergöttlichung von Abftrakta bringen, fo Nr. 40 Weihung