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Ausgabe:

1911 Nr. 13

Spalte:

391-392

Autor/Hrsg.:

Göttsberger, Johann

Titel/Untertitel:

Adam und Eva. 1. u. 2. Aufl 1911

Rezensent:

Wendland, Johannes

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39i

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 13.

392

Die Befprechung der verfchiedenen Hände ift fehr
peinlich und lehrreich. Darauf folgt die Befchreibung
der abgeteilten Lefeftücke. Bei Sanders Bezugnahme auf
frühzeitige fehr lange Lefeftücke möchte ich bemerken,
daß' die Verwendung der langen jüdifchen Parafchas und
Haftarahs am Anfang der chriftlichen Kirche zu erwarten
wäre. Es wäre auch hierbei die Frage aufzuwerfen, ob man
im ägyptifchen Sand einmal griechifche Überrefte von alt-
teftamentlichen Büchern finden könnte, die urfprünglich für
den jüdifchen Gebrauch hergeftellt wurden. Septuaginta-
Handfchriften wären in Ägypten vor allen anderen Ländern
zu erwarten.

In dem Schlußkapitel bietet Sanders eine ausführliche
Bearbeitung der Lesarten in diefer Handfchrift im
Vergleich mit den Lesarten anderer bedeutenden Hand-
fchriften. Die Selbftändigkeit des Texts erhellt aus dem
Umftand, daß er in Deuteronomium zwar mit A 835mal
und mit B 7i8mal übereinftimmt, aber doch 758mal allein
geht. Mir wäre es lieber gewefen, der Verfaffer hätte
Alt-Lateinifch ftatt Itala gefchrieben. Auf S. 43 ftellt
Sanders den Stammbaum für feine Handfchrift graphifch
dar. Der Text ift hier ein vorzüglicher.

In Jofua ift diefe Handfchrift viel weniger felbftändig.
Sanders lcheidet zwifchen den Namen und dem übrigen
Text und ftellt folgende Tafel der eigentümlicheren Lesarten
auf:

Namen übriger Text Summa

6 169 177 346

A 176 251 427

B 45i 453 904

SA 309 424 733

ÖB 35 218 253

AB 24 147 171

Auf S. 55 finden wir wieder eine graphifche Darfteilung
der Textüberlieferung, und zwar diesmal für Jofua.

Das wertvolle Buch fchließt mit der Kollation der
Handfchrift, woraus ein jeder für fich den Text bei Textbildung
holen kann.

Die Wiffenfchaft ift Herrn Freer, Herrn Sanders und
der Univerfität Michigan zu großem Dank für diefe zwei
Bücher verpflichtet. Die vier Freer-Handfchriften find die
erften bedeutfamen biblifchen Urkunden in griechifcher
Sprache, die Amerika erhalten hat. Die außerordentlich
genaue wiffenfchaftliche Bearbeitung diefer erften der vier
ift eine Bürgfchaft für die ähnliche Veröffentlichung der
übrigen drei. Man kann nur wünfchen, daß weitere
wertvolle Urkunden ihren Weg über das Meer finden, wo
folche hochherzige Mäcenaten fie der gelehrten Welt in
folch feltener Weife zugänglich machen.

Leipzig. Caspar Rene Gregory.

Göttsberger, Prof. Dr. Johann: Adam und Eva. Ein bibli-
fches Lehrftück über Werden und Wefen der erften
Menfchen. 1. u. 2. Auflage. (Biblifche Zeitfragen.
3. Folge, Heft 11.) Münfter i. W., Afchendorff 1910.
(47 S.) 80 M. — 60

G. ftellt die Erzählung der Genefis von der Erich af-
fung der erften Menfchen (Gen. 1, 26 f; 2, 7 u. 21 —24)
unter den Gefichtspunkt, ,wo denn die Schriftinfpiration
die buchftäbliche Auffaffung der biblifchen Angaben im
einzelnen verlange, und wo die uneigentliche, metapho-
rifche Darftellungsweife beginne'. Zu dem Zwecke werden
zuerft die mythifchen Überlieferungen der Völker dar-
geftellt. Diefe Darftellung ift nicht vollftändig. Die
Mythen der Edda werden überfehen. Ferner kommt
nicht zur Geltung, daß bei den meiften Völkern (z. B. den
Indern und Griechen) mehrere Mythen fich neben einander
finden. Dann wird über die Frage der Abftam-
mung des Menfchen mitgeteilt, ,daß die Exegeten und
Theologen fich gemehrt haben, welche eine Descendenz

von einem tierifchen Leib für biblifch einwandfrei erklärt
haben'. G. fcheint felbft diefer Anficht zuzuneigen. Ganz
unumwunden drückt er fich nicht aus. Die Deszendenz
des Menfchen g ei fites vom tierifchen fcheitert, foweit ich
G. verftanden habe, nach feiner Meinung an der meta-
phyfifchen Einfachheit des Geiftes. Über den Satz Gen. 2,7:
,Gott blies den Lebensodem in feine Nafe' fagt G.: ,Von
wörtlicher Auffaffung kann auch hier keine Rede fein.
Es ift nur gefagt: Gott machte, daß der Leib des Menfchen
lebte'. Betreffs Gen i, 26 f meint G., daß es fich
nicht mehr ermitteln laffe, was der Verf. unter dem Ebenbilde
Gottes verftanden habe. Weiter beftreitet G. die
Auffaffung von Sayce nnd Stade, daß Gen. 2 von dem
babylonifchen Adapa-Mythus abhängig fei. Er hält die
Erzählung für ein hebräifches Original. Der letzte Ab-
fchnitt behandelt die Frage nach der Wahrheit der biblifchen
Erzählungen. Auch hier wird die buchftäbliche
Deutung einer figürlichen gegenübergeftellt. Die realiftifche
Auffaffung verlange eine .Glaubensentfagung' und große
,Opfer an Glaubenswilligkeit', durch welche die Durch-
fchnittsgläubigen über ihre Kräfte hinaus geprüft würden.
Welch fürchterliche Vorftellung vom Glauben! Aber fie
ift konfequent, wenn der Glaube als Gehorfam gegen die
Autorität aufgefaßt wird. Dann liegt die letzte Entfchei-
dung in der Weisheit des oberften Lehramts: wie viel
Entfagung und Opfer darf man dem Gläubigen zumuten,
ohne ihn zu ftark zu prüfen? So fchließt auch die Schrift:
,Die Bibelkommiffion will (!) feftgehalten wiffen: die be-
fondere Erfchaffung des Menfchen, die Bildung des erften
Weibes aus dem erften Manne. Im übrigen ftellt fie der
exegetifchen und bibelapologetifchen Arbeit im allgemeinen
die Möglichkeit pofitiv ficher, in der Erklärung
von Gen. 1—3 vom eigentlichen Sinne abzuweichen, wo
vernünftige Pirwägung und Notwendigkeit dazu zwingt'.
Die Schrift, für Laien gefchrieben, ift kein Mutter populärer
Darfteilung. Sie kramt zu viel Gelehrten-Meinungen
aus; der Stil ift zu fchwerfällig.

Bafel. Johannes Wendland.

Verhandlungen der Schweizerifchen reformierten Prediger-
gelellfcfiaft. 66. Jahresverfammlung in Zürich 13., 14
und 15. Juni 1910. Zürich, Buchdr. Schultheß & Co.
(1910). (III, 166 S.) gr. 8° M. 2-

Das vorliegende Heft enthält außer dem Bericht über
die Tagung zunächlt die Eröffnungsrede des Dekan J. Ganz,
die einen für die Kirchenkunde wichtigen Überblick über
die geiftige Entwicklung der reformierten Schweiz im
letzten Jahre gibt.

Die Feltpredigt von H. Kutter ift fchon um des Mannes willen
intereffant; fie ift ein gewaltiger Appell an die Amtsbrüder, fich der
Einzelnen und der Maffen mehr als bisher anzunehmen. Auch die Verhandlungen
über .Alkoholismus und Seelforge' find bemerkenswert, wenngleich
fie nicht viel Neues brachten und natürlich zu keiner Einigung
über die befte Form des Kampfes gegen den Alkohol führten; es ift fchon
fehr viel erreicht, wenn (übrigens in diefem Falle nicht zum erftenmal)
ein Pfarrverein als folcher fo eingehend über diefe Frage verhandelt.

Doch von theologifchem Intereffe find vor allem die
Verhandlungen über die Frage: Inwiefern find die neu-
teftamentlichen Vorftellungen von außerbiblifchen Religionen
beeinflußt? Prof. A. Meyer hielt (auf Grund der
Verhandlungen in den vier kantonalen Sektionen der
Predigergefellfchaft) das Referat, Pf. M. Rüetfchi das
Korreferat, in der Diskuffion fprachen vier weitere Mitglieder
der Züricher theologifchen Fakultät und Pf. Pflüger
. A. Meyer ftellte zunächft heraus, was das Chriften-
tum mit der Weltanfchauung des Altertums und den
religiöfen Erfcheinungen der ausgehenden Antike gemein-
fam hat, und kam erft von da aus auf die einzelnen
Berührungen, hier den von andern fchon beobachteten
auch einige anreihend, auf die ich wenigftens noch nicht
aufmerkfam geworden war. Unter ihnen erfcheinen mir
namentlich die Parallelen zu dem Verhältnis von Gott