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Ausgabe: | 1911 Nr. 12 |
Spalte: | 380 |
Autor/Hrsg.: | Habich, Georg |
Titel/Untertitel: | Das Gebetbuch des Matthäus Schwarz 1911 |
Rezensent: | Gennrich, Paul |
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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 12.
380
eins der wichtigften Dokumente zur Orientierung über
chriftlichen Sozialismus.
Dortmund. G. Traub.
Matth es, Sem.-Oberlehr. Prof. Lic. Heinrich: Der evan-
gelilche Religionsunterricht im Dienit der Erziehung innerhalb
der religiofen Gemeinfchaft. Zugleich eine Darfteilung
der Grundzüge einer zeitgemäßen Methodik.
(Religionspädagogifche Bibliothek, hrsg. von H.
Spanuth. Nr. 5.) Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
1910. (IV, 84 S.) gr. 8° M. 1.80
Es fteckt eine große Arbeit in der M.'fchen Schrift;
trotz des knappen Umfangs werden ziemlich alle auf den
(evangelifchen) Religionsunterricht bezüglichen brennenden
Fragen fchulpolitifcher und pädagogifcher Art berührt.
Natürlich geftattet der befchränkte Raum dem Vf. eine
einigermaßen erfchöpfende Behandlung der Probleme
nicht. Der Grundgedanke, von dem er fich bei feiner
Stellungnahme im ganzen und im einzelnen leiten läßt,
ift gefund: Der R. U. kann nur gedeihen, wenn er in
enger grundfätzlicher und tatfächlicher Verbindung mit
dem Leben der religiöfen Gemeinfchaft (der Kirche des
allgemeinen Prieftertums) geftaltet und erteilt wird. Ob
M. feinen Lehrplan für den R. U. (der Volksfchule, nur
diefer wird behandelt) wirklich, wie er S. 19 ff. meint, aus
dem Bedürfnis der Erziehung für das gegenwärtige reli-
giöfe Gemeinfchaftsleben abgeleitet hat, ift mir zweifelhaft
; die Bedürfniffe des hiftorifch intereftierten Theologen
Rheinen mir da die unbewußt primäre Quelle zu fein wie
bei vielen unfrer heute tonangebenden Religionspädagogen.
Ein Bedürfnis, das gefchichtlicheWerden der religiöfen
Gemeinfchaft zu begreifen, befteht für die Kinder der
Volksfchule in dem Maß, wie M. es vorausfetzt, nicht,
dagegen ein fehr ftarkes nach unmittelbarem religiös-
üttlichem Sichzurechtfinden in der Umwelt. Diefem
letzteren Bedürfnis kommt der felbftändige Katechismusunterricht
in hervorragender Weife entgegen; M.
follte die Anhänger desfelben beffer nicht als folche, die
,lieber in den alten Gleifen wandeln' (S. 61), bezeichnen.
Man kann fehr für Bewegung und Fortfehritt, auch in
Pädagogik und Pfychologie auf der Höhe fein und doch
für einen felbftändigen Kat. U. eintreten. Übrigens läßt
M.s offener Blick für die religiös-fittlichen Wirklichkeiten
ihn felbft wenigftens für den Schluß des Schul-Religions-
unterrichts feinen ,hiftorifchen' Prinzipien untreu werden
und die Behandlung einer chriftlichen Sittenlehre, fowie
eine Belehrung in chriftlicher Welt- und Lebensanfchau-
ung empfehlen (62). — Die Schrift, die vor allem auch
der Einführung der Lehrer in die Probleme des R. U.
dienen will, kann warm empfohlen werden.
Friedberg i. H. K. Eger.
Referate.
Byzantinilche Legenden. Deutfch v. Hans Lietzmann. (103 S.) Lex. 8".
JeDa, E. Diederichs 1911. M. 5—; geb. 6 —
In der bekannten Ausftattung des Diederichs'fchen Verlags ein paar
Mufterftücke aus der griechifchen Heiligenliteratur von etwa 500 bis 900.
Das Leben des h. Daniel, die zuverläffige Biographie eines 493 getlorbenen
Styliten in Konftantinopel; das Leben des Martinian, lediglich Roman;
das Leben des Narren Symeon, erzählt von Leontius aus Neapolis auf
Cypern; endlich vermifchte Kapitel aus der ,Geiftlichen Wiefe' des
Johannes Mofchus; in beiden letzteren Partien das Auekdotifche vorhergehend
. S. 100 f. ganz knappe Einführung in den Gegenftand,
S. 1—99 gefchmackvolle, nicht fklavifche aber keinen charakteriftifchen
Zug unterdrückende Überfetzung. Das gelehrte Beiwerk befchränkt auf
ein paar chronologifche Angaben und Eundftellen der Bibelzitate am
Rande. Der Stoff hat für den Theologen, zumal den Kirchenhiftoriker
hohes Intereffe: zumal das Leben des Säulenheiligen Daniel im Urtext noch
nicht bekannt ift, die Martinian-Legende wenigftens nicht durch Migne
oder die Acta Sanctorum. Die Auswahl ift gefchickt getroffen; langweilig
wird kein Lefer diefe frommen Legenden finden. Vielleicht hätten
den Typen des grotesken, überfpannten Heiligen einige gegenübergeflellt
werden follen, die mehr das Rührende, Ewig-Menfchliche zum Ausdruck
bringen: in einem anderen Bande könnte ja Lietzmann folche byzantinifchen
.Heiligen' höheren Stils zu Wort kommen lallen.
Marburg. A. Jülicher.
Neubach, Pfr. Hermann: Aus der Vergangenheit der Pfarrei Achtelsbach
(1500—1800). Nach den Akten des Pfarrarchivs. Birkenfeld,
A. Filimann (1910). (63 S.) 8» M. — 80
Veröffentlichungen aus Pfarrarchiven find heutzutage immer von
Wert. Scheinen fie zunächtt auch nur von lokalem Intereffe zu fein, fo
bieten fie doch dem Kirchen- und Kulturhiftoriker ftets intereffantes
Illuftrationsmaterial. So ift es auch bei dem vorliegenden Schriftchen. Die
Entwicklung der Pfarr- und Schulverhältniffe, der Gehaltsordnungen und
der Kirchenverwaltung (Zenforen, Glöckner, Brudermeifter und Kir-
chenfehaffner) in dem kleinen Birkenfeldfchen Bezirke werden in reichen
Einzelmitteilungen deutlich. Freilich ift die Darfteilung nicht fo über-
fichtlich, als man wünfehen könnte, und der Abfchnitt über das .chrift-
liche Leben' kommt über Allgemeinheiten nicht hinaus; auch ift der
allgemein-gefchichtliche Rahmen für das Einzelbild nicht deutlich genug
gezeichnet. Man foll aber mit folchen wiffenfchaftlichen Anforderungen
nicht zu fcharf fein, wenn uns nur recht viel aus den Pfarrarchiven
mitgeteilt wird. Die Verwendung in größerem Rahmen wird dann nicht
ausbleiben.
Wittenburg i. Weftpr. Ed. von der Goltz.
Hab ich, Georg: Das Gebetbuch des Matthäus Schwarz. (Sitzungsber.
der Kgl. Bayer. Akad. der Wiff. Philof.-philol. u. hift. Kl., Jahrg.
1910, 8. Abb..) München, G. Franz in Komm. 1910. (28 S. m. 22
Lichtdr.-Taf.) 8" M. 4 —
Matthäus Schwarz, ein Augsburger Kaufherr von weltmännifchem
Zufchnitt und kultur- und kunftgefchichtlichen Intereffen, geb. 1497, gelt,
um 1574, in der Mode wie in der Kunfl dem Neueften zugewandt, hat
fich ein Gebetbuch herftellen laffen, das in feinem Buchfchmuck ganz
und gar von dem perfönlichen Gefchmack des Beftellers, dem neuen
Gefchmack der Renaiffance, beherrfcht ift. Dies originelle Dokument des
Geiftes jener Übergangszeit wird von G. Habich eingehend nach der
kunftgefchichtlichen und bibliographifchen Seite befprochen. 22 in Lichtdruck
vorzüglich ausgeführte Tafeln bringen Mutter des kalligraphifch
gefchriebenen Textes und der in fubtilfter Technik der alten Illuminifteu
(nach H. von dem Augsburger Buchmaler Narciffus Renner) ausgeführten
Initialen, Ornamente und Bilder. Bezeichnend für diefen Renaiffance-
menfehen ift, wie neben religiöfen Bildern und Landfchaften fich auch
folche befinden, die ,offenbar mehr auf weltliches Divertiffement während
allenfalfiger Längen der Predigt berechnet' waren, wie Vf. fagt (Sufanna
im Bade, Konterfeie Augsburger Straßenfiguren, welch letztere M. Schwarz
durch eigenhändig hinzugefügte Bemerkungen erläutert). Aber ob der
mit dem Kardinal Granvella und dem Beichtvater Karls V. (Pedro de Soto)
verkehrende Kaufherr viel Predigten zu hören Gelegenheit nahm? Auf
den Text des Gebetbuchs, ,der von den 10 Geboten eingeleitet wird(I),
im übrigen aus Gebeten, Anrufungen und Lamentationen befteht' geht H.
nicht weiter ein.
Breslau. P. Gennrich.
Mitteilungen.
34. In feinem 7. Vorlauf. Bericht über die Ausgrabungen in Milet
und Didyma (Abh. der Berl. Akad. d. W. 1911, Anhang) gibt Theodor
Wiegand auch vieles für den Theologen Intereffante. Auf dem Südmarkt
in Milet ift eine große Kult-Infchrift vom Tempel des röm. Volkes
und der Roma entdeckt (S. 15fr., I. Jahrh. v. Chr.); dazu kommen andere
religiöfe Urkunden. Das Serapeion ift als dreifchiffiges Gebäude
dicht beim Markt gefunden (S. 19 fr., 3. Jahrh. n. Chr.), wichtig für die
Entftehung der flachgedeckten dreifchiffigen altchriftlichen Kirchen. Ein
röm. Heroon an der heiligen Straße bei den Fauftinathermen (S. 22ff.)
zeigt wahrfcheinlich die frühefte Kuppelbildung Kleinafiens. Als Seelenzahl
Milets in der Diadochenzeit (S. 30) gibt Wiegand die Schätzung
70000 auf Grund einer Infchrift über Getreidefpenden. Aus dem Ende
des 6. Jahrh. n. Chr. flammt die noch nicht völlig freigelegte dreifchiffige
Michaelsbafilika mit zahlreichen Nebenräumen (S. 34 h).
Überaus große Fortfehritte hat die Freilegung des riefigen Didy-
meion gemacht; es find 835oqm neue Ausgrabungsfläche hinzugewonnen.
Die Länge des Tempels beträgt ca. 109 m, die Breite ca. 51m. Zahlreiche
Infchriften find neu gefunden. Auf einer heißt der Tag des Befuchcs
des Hadrian tfßoc ijfispa (S. 54, vgl. die Ausführungen über napovola
Licht vom Often 2/3 S. 278fr.). Sonft beachte man die Orakelinfchrift
S. 63 ff. und die für den Kaiferkult lehrreiche Infchrift S. 65, die den
Titel oeßaotoÄoyot; m. W. zum erften Male bringt (vgl. die Bemerkungen
zu 9eoX6yo<; L. v. O. S. 262 f.) und die Städte Milet, Julia, Pergamon,
Antiocheia a. M., Laodikeia, Apameia, Kyzikos, Kaifareia, Adramyttion,
Philomelion, Halikarnaffos, Smyrna, Sardeis in der Zeit des Claudius im
religiöfen Verband des Philofebaftenkults zeigt: das ift bedeutfam für
die fpätere chriftliche Organifation.
Zahlreiche gute Abbildungen find beigegeben; am intereffanteften
für die Befucher Didymas find die Tafeln VI—VIII, die das von der
,hiftorifchen' Windmühle gekrönte Chaos vor Wiegands Grabung und den
jetzigen Zuftand zeigen.
Berlin-Wilmersdorf. Adolf Deißmann.
35. In den Sitzungsberichten der Kgl. Preuß. Akademie der Wiffen-
fchaften 1911, S. 132fr. hat Harnack eine feinfinnige Studie über ,das
hohe Lied des Apoftels Paulus von der Liebe (I Kor. 13) und