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Ausgabe:

1911

Spalte:

15-16

Autor/Hrsg.:

Eekhof, A.

Titel/Untertitel:

De Questierders van den Aflaat in de noordelijke Nederlanden 1911

Rezensent:

Köhler, Walther

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 1.

16

— in diefer alfo auch über das Papfttum — an (ich
nahm, um in diefer feiner Stellung über der Kirche von
dem Grundgedanken der Reform des Bonifatius fich abzukehren
und zugleich auf ihn fich zu ftützen.

Alles in allem, es muß ausgefprochen werden, daß
Z.s Abhandlung'gegenüber der Darftellung von A. Hauck
in keiner Weife einen Fortfehritt bedeutet, foviel Fleiß
im einzelnen der Autor an fie gewendet haben mag.

Königsberg i. Pr. A. Werminghoff.

Eekhof, Dr. A.: De Questierders van den Aflaat in de noorde-
lijke Nederlanden. Met onuitgegeven Bijlagen. Met
een plaat. 's-Gravenhage, M. Nijhofif 1909. (XV,
io8en CXXIII blz.) gr. 8» fl. 3.25; geb. fl. 4 —

In der Schrift ,an den chriftlichen Adel deutfeher
Nation' klagt Luther im 21. Punkte feiner Reformvor-
fchläge über die ,botfchafften und wallebruder'; eine Anmerkung
dazu in der Weimarer Lutherausgabe (Bd. 6,
451) erklärt die ,Botfchaften' als die Stationarier und
bringt ein Zitat aus den gravamina deutfeher Nation,
das ausgezeichnet das Treiben diefer Bettler veranschaulicht
. Künftighin wird man auf Eekhofs Schrift
verweifen können, denn fie gilt diefen Stationariern oder
wie fie auch heißen qiiaestionarii. Es find Leute, die
mit Reliquien rundreinen, Ablaß erteilten gegen Geld-
fpende zum Beften einer Kirche oder eines Klofters und
Heilung von Gebrechen durch die Reliquien verhießen.
Wie außerordentlich ftark das Treiben diefer Ablaßkrämer
gewefen ift, zeigt E.s auf den Akten des Utrechter
Reichsarchivs aufgebaute forgfame Studie für die nördlichen
Niederlande. Da es fich um Ablaßfpenden handelt,
gibt E. in der Einleitung eine kurze Skizze des Ablaß-
wefens, die aber leider nicht genügen kann; die Benutzung
von Briegers Artikel in der 3. Aufl. der Realenzyklopädie
oder auch die Forfchungen Kalkoffs hätten dem Ver-
faffer die leitenden Gefichtspunkte angeben können. Das
erfte Auftreten der quaestionarii zeitlich zu fixieren, ift
unmöglich, Rundreifen mit Reliquien begegnet fchon
970, aber es fragt fich, wann die Ablaßverkündigung damit
verbunden wurde. Sehr früh finden fich auchSynodal-
befchlüffe gegen falfche quaestionarii, die mit Schwindelreliquien
das Volk betrügen, erft das Trienter Konzil
machte dem ganzen Unfug ein Ende, Bewilligungen durch
Papft, Bifchof oder weltliche Obrigkeit hatten nicht genügenden
Schutz gegen Betrug bilden können. Für die
nördlichen Niederlande kamen hauptfächlich in Frage
de S. Hubertus-quest, de S. Martimis-quest, de S. Antho-
nius-quest, de S. Cornelius-quest, de S. Quirinus-quest, de
S. Ewoud quest, de quest van S. Maria en de 12 apostelen
und einige weniger bedeutende. E. gibt möglichft genau
die Gefchichte der betr. Heiligen und ihrer Reliquien.
Amüfant ift das Eingeftändnis eines modernen S. Hubertusverehrers
(Hubertus gilt als heilkräftig gegen die Tollwut
): ,Mr. Pasteur en zijne inrichting zijn tegenwoordig
voor ons een sterke coneurrent'. Auch foll ein Sohn
Calvins bei S. Hubertus Heilung gefucht haben, ein Zeit-
genoffe berichtet das, es handelt fich vermutlich um den
Stieffohn, der, wie des Reformators Korrefpondenz zeigt,
ihm viele Sorge machte. Die S. 42 f. gefchilderte Pferdeweihe
kommt übrigens auch im Schwarzwald noch heute
vor. Anfchaulich legt E. dar, wie die quaestionarii empfangen
wurden, wie fogar das Interdikt für diefen Tag
aufgehoben wurde, er teilt ein Predigtformular mit, nach
dem der Ablaß — in der Regel 40 Tage — angekündigt
wurde, erzählt von den Streitigkeiten zwifchen den Ablaßkrämern
und der Ortsgeiftlichkeit u. dgl. Mit dem Hochkommen
der Reformation ging das Ablaßgefchäft rapide
herunter, 1560 finden wir die letzten quaestionarii in den
Nordniederlanden, aber ihreEinnahmen find verfchwindend
gering.

Sein Aktenmaterial hat E. im Anhang mitgeteilt,

die ganze Arbeit ift für das Verftändnis des Volkslebens
am Vorabend der Reformation wichtig.

Zürich. Walther Köhler.

Fluglchriften aus den erften Jahren der Reformation. Leipzig,

R. Haupt. 8°

3. Band. 6. Heft. Das Kegelfpiel (1522). Herausgegeben von

Alfred Götze. 1909. (42 S.) M. 1.60

3, 7. Michael Stifel: Von der chriftförmigen Lehre Luthers

ein überaus fchön künftlich Lied famt feiner Nebenauslegung (1522).

Herausgegeben von Wilhelm Lücke. — Abfag oder Fehdfcbrift

Lucifers an Luther (1524). — Das meifterliche Gedinge des Abts

von Chemnitz (1522). — Thomas Stör: Chriftliche Vermahnung

an Antonius Thurler (1524). Herausgegeben von Otto Clemen.

1909- (135 S.) M. 4 —

Die zwei letzten Hefte des dritten Bandes der trefflichen
Sammlung: ,Flugfchriften aus den erften Jahren
der Reformation' bringen zunächft ,das Kegelfpiel' von
einem unbekannten Verfaffer. Diefes in der Schweiz
großer Gunft fich erfreuende Spiel muß den Rahmen
bieten für das Auftreten einer Reihe von Anhängern
des neuen Glaubens und Verfechtern der alten Lehre.
Luther, Hutten, Erasmus, Leo Jud, Sebaftian Hofmeifter,
Melanchthonu.a. werden als Kegler; Papft, Kaifer, Bifchof,
die Eidgenoffen als Zufchauer eingeführt. Gedruckt wurde
es von Ramminger in Augsburg; aber um ihm eine weitere
Verbreitung zu ermöglichen, hielt er es für nötig, die
Mundart des Verfaffers möglichft der mitteldeutfchen
Schriftfprache anzupaffen. Der Herausgeber machte
deshalb den Verfuch, auf Grund der vorkommenden
Rette den urfprünglichen Wortlaut des Gedichtes ganz
wieder herzuftellen. Hier hat allerdings zuerft der Ger-
manift das Wort.

Unverftändlich ift es, wie diefes Büchlein einft auf
den index kam. Dem Herausgeber ift unbedingt darin
beizuftimmen, daß es von einem Anhänger des alten
Glaubens verfaßt wurde; nicht einmal auf einem unpar-
teiifchen Standpunkt fleht er, wenn er auch Vers 420 t.
fagt: difes fpil ift alfo beraydt, niemants zu lieb noch
zu laid. Sein Eintreten für den alten Glauben zeigt
fchon der Titel; bezeichnend ift auch, wie im Eingang
an Jak. 2, 17 angeknüpft wird; man lefe auch die Worte,
die er den jungen ,Nachhetfchern' in den Mund legt
Vers 116: es dunkt mich aber ein gut fpil, das man
vns auch wiber geben will etc. Schwierig ift die Frage
nach dem Verfaffer. Die Kenntnis desfelben kann allerdings
gerade bei folchen Schriften von der größten Bedeutung
fein. Da aber der Anfpielungen zu wenige find,
andere, wie der ,Bifchof von Steffen' fich noch nicht befriedigend
löfen laffen, gilt es auf einen glücklichen Fund
zu warten. Das eine aber ift fchon jetzt auf Grund des
Idioms feftzuhalten, daß er in der Schweiz oder in deren
nächften Nähe zu fuchen ift.

Der Herausgeber bringt zum Verftändnis viel Material
herbei; doch hat er fich immer möglichft Be-
fchränkung auferlegt, manchmal fcheint er darin zu weit
gegangen zu fein.

Von Michael Stifel erhalten wir den Abdruck ,feiner
chriftförmigen Lehre Luthers'. Sie enthält fein Lied:
Johannes thut vns fchreiben von einem Engel klar', in
dem er wohl zuerft den Engel mit dem ewigen Evangelium
(Offbg. 14, 6) auf Luther deutete. Den einzelnen
Strophen folgen profaifche Ausführungen. Das Werk
verdiente den Abdruck. Es bietet nicht nur manche
poetifche Schönheit, läßt uns vielmehr auch recht
deutlich fehen, wie die Herzen durch Luther gepackt
wurden. Es war doch eine elementare Bewegung, die
die Gemüter ganz und gar ergriff. Der Herausgeber
hat mit vollem Rechte die erfte Ausgabe zum Abdrucke
gebracht; über die Zufätze der fpäteren, die
allerdings die apokalyptifchen Neigungen des Verfaffers