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Ausgabe:

1911

Spalte:

14-15

Autor/Hrsg.:

Zehetbauer, Franz

Titel/Untertitel:

Das Kirchenrecht bei Bonifatius, dem Apostel der Deutschen 1911

Rezensent:

Werminghoff, Albert

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 1.

unter Berufung auf Mercati und Carl Schmidt mitteilt,
auf fol. 3 r. ein Zeichen, das als Koronis zu deuten ift?
Zugegeben, es ift eine Koronis, was ich nicht entfcheiden
kann, fo folgt doch daraus wiederum nicht, daß das
Folgende zum Vorhergehenden gehöre. ,Die Koronis
wird häufig am Ende von Abfchnitten wie von ganzen
Stücken gefetzt', zitiert Sch. felbft (S. 6, Anm. 2). Spricht
das für oder gegen feine Annahme? Auf keinem Fall
ift man gezwungen, das Symbol auf fol. 3 v. als zur
vorhergehenden Liturgie gehörig anzufehen. Wie leicht,
daß derfelbe Schreiber fich neben einigen alten Meßgebeten
auch ein altes Symbol, das fein Intereffe erregte,
abfchrieb. Abfchließend muß ich alfo fagen, daß die
Annahme Sch.s, es liege uns in dem neuen Text eine
Taufmeffe vor, mir nicht ervviefen zu fein fcheint. Aber
diefer Abftrich nimmt den fonftigen reichen und forg-
fältigen Bemerkungen, mit denen Sch. den Text begleitet,
auch feiner fehr beachtenswerten Textrekonftruktion
nichts an Wert. Er hat uns als ficheres Refultat feiner
Studie dies zu bieten: Wir haben in Puniets Text ein
Stück aus einer Abendmahlsliturgie vor uns, ein kleines
Euchologion, beftehend aus einem längeren Gemeindegebet
(fol. 1 r. und v.), dem euchariflifchen Dankgebet,
einer Epiklefe mit folgendem Einfetzungsbericht und
folgender Anamnefe (fol. 2 r. und v.) und einem Gebet
,um die Früchte der Kommunion' (fol. 3 r.) — ein Aufbau
, der ficher fehr alt ift, und mit Recht fetzt Sch. die
Texte in den Anfang des 3., vielleicht gehören fie fchon
n den Ausgang des 2. Jahrhunderts.

Ehe ich abbreche, möchte ich noch eine Bemerkung
zu dem Gebet .um die Früchte der Kommunion' machen.
Der Text lautet, fo weit er rekonftruierbar ift: ,xrjq 6(coQ£a)q
öov dq 6vvau:iv xvsvpaxoq ctyiov, (dq ß)eßaiw6ip xal
jtQooQ-^xtjv | xlörs(coq) ' dq hljtiöa xiq p£lov6rq
a(ia>v)iov ^oor/q ötd xov xvq'lov fjpcov | Irjöov Xqiöxov,
(61^ ob) 601 rcö jtaxol r) do$~a 6vv {a)yicp (jcvevjiaxi) (sl)q
xovq almvaq ' aptjv'. Sch. bemüht fich um Parallelen zu
diefer Stelle (S. 22 f. und S. 27 f.). So viel ich fehe, führt
er aber nicht zwei auffallend ähnliche Stellen aus der kle-
mentinifchen Liturgie an, beide ebenfalls Gebete um
gefegneten Genuß, das eine die Fortfetzung der Epiklefe:
,tVß 01 fiexakaßovxtq avxov ßsßaico&möi jigbq svCeßsiäv
..... jivavfiaxoq ayiovxh]q03&cööiv, .... C,corjq alcoviov
xvycooi' (Brightman, Liturgies etc. I, p. 21,9ff.). Das zweite
Gebet, nach der Austeilung gefprochen, fleht ebenda
p. 25, 19fr.; in ihm kehrt die Konftruktion mit dq wieder
und namentlich auch ein deutlicher Anklang an die letzte
der drei Formeln des obigen Textes, nämlich: ,dq £cor]V
xov fit'XXovxoq alöjvoq' (vgl. auch Brightman a. a. 0.
p. 25, 32 fr.). Die Verwandtfchaft ift auffallend. Hätte
Sch. fie beachtet, dann hätte er gar nicht die Frage aufwerfen
können, ob jene Formeln des neuen Textes etwa
auf den Genuß von Milch, Honig und Waffer, wie fie
nach der ägypt. KO und fonft den Neophyten beim erften
Abendmahlsgenuß gereicht werden, hindeuteten. Er verneint
fchließlich die Frage (S. 27 f.), aber fie ift tatfächlich
unbegründet. Die Stellen aus der klement. Liturgie zeigen
uns, daß jene Formeln in jeder Abendmahlsliturgie be-
ftimmter Typen, und nicht bloß bei dem Neophyten-
Abendmahl, vorkamen. Die zweite eben herangezogene
Parallele aus der klementinifchen Liturgie läßt es mir
nun auch als wahrfcheinlich erfcheinen, daß das letzte
Gebet unfrer neuen Liturgie nicht, wie Sch. annimmt,
noch vor, fondern nach dem Nießungsakt gebetet wurde,
alfo das Schlußgebet der Feier ift. Erft bei diefer Annahme
, haben wir wirklich alle Gebete einer Abendmahlsfeier
bei einander. Habe ich mit diefer Vermutung recht,
dann ift auch klar, daß das folgende Symbol nicht in die
Liturgie felbft gehören kann.

Daß fich überrafchende Parallelen zwifchen dem
neuen Text und der klement. Liturgie finden, ift eine
neue Beftätigung der von mir vertretenen Thefe, daß
in der klement. Liturgie eine fehr alte, fehr weit verbreitete
Liturgie ihre Bearbeitung gefunden hat. Doch
kann ich hier darauf nicht näher eingehen.

Nochmals aber betone ich, daß Sch. das Verftändnis
des neuen Textes wefentlich gefördert hat. Und dafür
fei ihm aufrichtiger Dank gefagt.

Halle a. S. Paul Drews.

Zehetbauer, Gymn.-Prof. D. Franz: Das Kirchenrecht bei
Bonifatius, dem Apoftel der Deutfchen. Nach den
Quellen bearbeitet. Wien, H. Kirfch 1910. (VII,
140 S.) gr. 8° M. 3.6b

Mag gleich der Titel der vorliegenden Schrift die
Erwartung wecken, in ihr eine fyftematifche Zufammen-
faffung des in den Quellen zur Lebensgefchichte des hl.
Bonifatius ausgebreiteten kirchenrechtlichen Materials zu
erhalten —, ihre Lektüre verfetzt uns leider in die Notwendigkeit
, fie als wenig gelungen zu bezeichnen. Gewiß,
niemand wird in den Briefen von und an Bonifaz, in
den auf fränkifche Synoden zurückgehenden Kapitularien
, in den Schreiben und Konzilsdekreten der römi-
fchen Päpfte jener Zeit ein Corpus iuris canonici zu
fuchen oder gar zu finden imftande fein. Man möchte
aber wenigftens wünfchen, daß die Gefamtheit der in
jener Überlieferung eingefchloffenen Details in der Weife
verarbeitet wäre, wie es etwa A. M. Koeniger in feinem
gründlichen Buche über .Burchard I. von Worms und
die deutfche Kirche feiner Zeit 1000—1025' (München
1905) getan hat. Z. trägt zufammen, wenig genug jedoch
verfpürt man von einer Durchdringung des Stoffes;
fchon die fchärfere Interpretation mehr denn einer Brief-
ftelle oder eines Synodalkanons allein hätte feinem Buche
ein günftigeres Urteil fichern können. Es kommt hinzu,
daß es dem Verfaffer vielfach an Kenntnis der neueren
— freilich fehr reichen — Literatur gebricht, fo z. B.
des Auffatzes von H. Krabbo über Vigilius von Salzburg
(Mitteilungen des Inftituts für öfterreichifche Ge-
fchichtsforfchung XXIV), der Unterfuchungen von A.
Hüfner über klöfterliche Exemtionen (Archiv für ka-
tholifches Kirchenrecht LXXVIff.) u. a. m. Er hat des
weiteren um neue Ausgaben z. B. der Vitae Columbani
{ed. B. Krufch) und Bonifatii {ed. W. Levifon), der Brief-
fammlung des Bonifatius {MG. Epistolae III) und der
Konzilien {MG. Concilia II) fich nicht gekümmert; ftets
alfo nötigt er den Lefer, feine zeitlichen Angaben im
einzelnen nachzuprüfen, zumal ihn Z. nicht darüber belehrt
, wie heftig umftritten im einzelnen fie find (vgl.
z. B. Neues Archiv XXXII, S. 221 ff., bef. S. 232 ff.).
Solche Dinge in einer auch nur fyftematifch gegliederten
Schrift als quantite's negligeables zu behandeln ift unter
allen Umftänden unzulälfig, während andererfeits der
wiederholte Hinweis auf die Kirchenhiftoriker als Vermittler
näherer Kenntniffe wenig behagt. Im Gegenteil,
Gefchichte und Syftematik zufammen hätten mehr geboten
als nur den vorliegenden Verfuch, der nicht deshalb
getadelt werden foll, weil er mit bekannten Gedankenreihen
operiert, fondern deshalb, weil er unternommen
wurde ohne klare Einficht in den Reichtum jener Einzel-
zeugniffe, die faft nur wiederholt und umfchrieben, nicht
aber in Wahrheit ausgedeutet find. Der Wiederabdruck
der fränkifchen Kapitularien von 742—744 und des Indi-
culus snperstitionum — wir unterlaffen es, auf noch weitere
anderwärts leicht zugängliche Texte hinzuweifen,
die ebenfalls bei Z. fich finden — war jedenfalls nicht
fo dringend erforderlich, wie der Verfaffer glaubt. Im
allgemeinen teilen wir fein Gefamturteil über die Bedeutung
des Bonifatius, doch fchätzen wir die tatfäch-
liche und rechtliche Mitwirkung der fränkifchen Staatsgewalt
höher ein, als es durch Z. gefchehen ift. Ohne
fie war das Werk des Apoftels der Deutfchen undurchführbar
, da fie ihm erft den Rückhalt ficherte, bis dann
Karl der Große die Herrfchaft über Staat und Kirche