Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1911 Nr. 1

Spalte:

11-14

Autor/Hrsg.:

Schermann, Theodor

Titel/Untertitel:

Der liturgische Papyrus von Dêr-Balyzeh, eine Abendmahlsliturgie des Ostermorgens, bearbeitet 1911

Rezensent:

Drews, Paul

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

ii Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 1. 12

Ob in der Lücke noch die übrigen katholifchen Briefe
enthalten waren, ift fehr fraglich. Jedenfalls ift diefe
Überlieferung nicht fingulär, wie wir aus dem fyrifchen
Codex Cantabrigiensis erfehen. Den Schluß bilden Stücke
aus dem Johannes-Evangelium, die mit Kapitel iobeginnen,
und zwar folgt einem griechifchen Abfchnitt ftets eine
koptifche Überfetzung, die aber jedesmal den griechifchen
Text an Umfang übertrifft. Welche Abficht den Schreiber
bei der Zufammenftellung diefer Abfchnitte geleitet hat,
bleibt unklar. Dabei zeigt der griechifche Text im Verhältnis
zur koptifchen Verfion eine Reihe bemerkenswerter
Abweichungen.

AufdieErgänzungderzahllofenumfangreichen Lücken
hat der Herausgeber viele Mühe verwandt; eine intenfive
Befchäftigung mit dem Texte an der Hand des Originals
würde ficherlich noch einige Nachträge liefern können.
Ich verzeichne zum Schluß eine Reihe Verbefferungen,
die mir bei der Lektüre des Textes aufgefallen find.

I, 18 Anm. ift fraglich, ob K2 noch die altertümliche
Form cnei ft. curm gekannt hat. — I, 19 Anm. hat K,
nicht e-ra-irpTpocitoeö*.!, fondern eT&.-s-pnpocitoe»*.i. — I, 23
1. [TüJpwMe ft. [fijpwjue. — II, 2ji. botK2 m.E. Mn[n*.] eqoTr*.*.Cie
txs.n oi'Mi] | [hi]m *>[oir ecpi£hk]e.£i&.<V, ebenfo 29 f.: Lgn] [otf
o-5-pi.T en*.]noTq. — XII, 23 1. ge'ife «s.'zin neTOTHg] lt. ge'i[e
«.neTOimg]. — XIII, 6 ift ne.a*ppeTe ft. rtiaiepeTe zu ergänzen
, vgl. XVII, 28; XXV, 19. — XCVIII, 3 und CX, 3_ift
die Ergänzung von MnipHTe unmöglich, da pHTe im achmim.
Dialekt nicht vorkommt. — XCVIII, 11 1. otom [ce iieTn
c*.p5]; Z. 20 ift ergänzt frefjeio, fo auch im Index und
in der Grammatik, aber ein folches Wort gibt es nicht,
vielmehr -r<3'*.eio vgl. Acta Pauli 21, 14. — CI, 2 1. ne[Y
fi-r*.qj ft. ne [RT«.q], Z. 3 1. nM[novf], — CHI, 4 wohl beffer
"tna-p^ nev] ft. ■^■n*.[Te neu]. — CVI, 6 1. ■xeK*.[a.c Rrurae].

Berlin. Carl Schmidt.

Schermann, Priv.-Doz. D. Theodor: Der liturgifche Papyrus

von Der-Balyzeh, eine Abendmahlsliturgie des Ofter-
morgens, bearbeitet. (Texte und Unterfuchungen zur
Gefchichte der altchriftlichen Literatur, herausgegeben
von Adolf Harnack und Carl Schmidt. Dritte Reihe,
fechfter Band, Heft ib.) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung 1910. (VI, 45 S.) gr. 8° M. 1.50

Drei Papyrusblätter aus Oberägypten, jetzt in der
Bodleiana befindlich, der Schrift nach dem 6. oder 7.
Jahrhundert angehörig, enthalten liturgifche Texte. Der
Benediktiner P. de Puniet befprach fie auf dem euchari-
ftifchen Kongreß zu Weftminfter am 13. September 1908
und veröffentlichte fie mit hinzugefügter Befprechung
zuerft in dem Kongreß-Bericht unter dem Titel: Fragments
inldits d'une liturgie egyptienne ecrits snr papyrus'.
(London 1909, p. 367—401) und ein zweites Mal unter
Beigabe einer phototypifchen Reproduktion in der Revue
Bcnedictine XXVI (1909), p. 34—51. In Deutfchland
berichtete zuerft Profeffor v. d. Goltz in Wittenburg in
der Zeitfchrift für Kirchengefchichte 1909, S. 352—361
von diefem wichtigen Fund, indem er die Texte wiedergab
und fie näher zu beftimmen verfuchte. Daß es fich
um Abendmahlstexte handelte, war fofort klar. Aber
nicht nur die lückenhafte Textgeftalt, fondern auch die
Anordnung der Gebete gab allerlei Rätfei auf. Nun hat
Schermann diefe Rätfei zum Teil in dankenswertefter
Weife gelöft. Er hat vor allem in die auf 3 Blättern
gefchriebenen Textftücke Ordnung gebracht, indem er,
Puniet's Anordnung korrigierend, unter forgfältiger Beobachtung
der Fafernlage des Papyrus und der noch
bemerkbaren Zeichen auf einem der Blätter feftftellte,
daß das von Puniet als zweites bezeichnete Blatt das
dritte ift und daß die von Puniet auf Blatt I und 3 (nach
Schermann) mit Recto und Verfo bezeichneten Seiten
umzukehren find. Die 6 Seiten des Textes nach Puniet's
Anordnung find alfo fo zu ordnen: 2, I, 5, 6, 4, 3. Mit

diefer richtigen Anordnung ift in der Tat der Weg zu
einer richtigen Beftimmung der Texte erft geebnet.
Schermann kommt nun zu dem Schluß, daß wir es mit
einer und zwar vollftändigen Abendmahlsliturgie für
Neophyten zu tun haben. Er fchließt dies aus zwei
Gründen: einmal gehe dem euchariftifchen Dankgebet
unmittelbar das Gläubigengebet (Gemeindegebet) voraus;
diefe Aufeinanderfolge fei aber nur bei der Abendmahlsfeier
der Neophyten nachweisbar (S. 9h). Sodann zieht
er feinen Schluß aus dem das ganze abfchließenden
Symbol; auch dies habe nur in der Neophyten-Meffe
feine Parallele. Leider kann ich diefe Gründe nicht für
ftichhaltig anerkennen, und darum kann ich Sch. auch
darin nicht beipflichten, daß wir es hier mit einer Abendmahlsfeier
für Neophyten zu tun hätten. Was den erften
Grund anbetrifft, fo hat doch auch die klementinifche
Liturgie des 8. Buches der apoft. Konftitutionen in der
regelmäßigen Meffe das Gemeindegebet unmittelbar vor
dem euchariftifchen Dankgebet (vgl. Brightmann, Liturgies
eastern and wester71 I, 1896, p. 9—12), allerdings trägt das
Gemeindegebet die Form der Profphonefe des Diakonen
und des zufammenfaffenden Gebets des Bifchofs, aber
der Grundtypus ift der gleiche, wie ihn Juftin, Apol. I,
c. 65 angibt (vgl. meine Unterfuchungen über die klement.
Liturgie ufw. 1906, S. 57f.). Es ift mir gar nicht zweifelhaft
, daß diefe Anordnung die ältere ift. Auch in der
Rekonftruktion des Gottesdienftes nach Serapions Eucho-
logion habe ich das ,Gemeindegebet' (Nr. 27) unmittelbar
vor den Friedenskuß und die Präfation geftellt (Zeitfchr.
f. Kirchengefchichte XX, 1900, S. 423), während allerdings
Brightman (Journal of Theological Studies 1899, p. 100)
dies Gebet ganz an den Anfang der fogen. ,Gläubigen-
Meffe' rückt. Aber ift nicht felbft, um von anderen zu
fchweigen, in der griechifchen Jakobusliturgie (Brightman,
Liturgies ufw. I, p. 44fr.) die Anordnung ganz die gleiche?
Alfo daraus, daß das Gemeindegebet in diefem neueften
Liturgietext dem Präfationsgebet unmittelbar vorausgeht,
ift nichts für den Charakter der ganzen Liturgie als einer
Neophyten-Meffe zu folgern. Und ebenfowenig fcheint
mir der zweite Grund ftichhaltig zu fein. Daß es etwas
außergewöhnliches ift, daß nach dem ,Gebet um die Früchte
der Kommunion' ein Glaubensbekenntnis folgt, ift unleugbar
. Aber Sch. verweift auf eine Parallele: das gleiche
biete die lateinifche Überfetzung der ägyptifchen KO
(Hauler S. 113); auch hier flehe das Symbol am Schluffe
der Taufmeffe. Allein der Unterfchied zwifchen der
Symbolrezitation hier und der in dem neuen Text ift
doch fehr groß. In der ägypt. KO findet fie ftatt als
Spendeformel bei der Darreichung eines Wafferkelchs,
eines Milch- und Honigkelchs und eines Weinkelchs,
gefprochen vom fpendenden Priefter. Von einer
Darreichung jener drei Becher kann aber — das gibt
Sch. felbft zu — in der vorliegenden Liturgie nicht die
Rede fein, vielmehr ift das Symbol hier dem Kate-
chumenen in den Mund gelegt; es ift ein wirkliches
Bekenntnis, keine Spendeformel; das ift doch ein gewaltiger
Unterfchied. Sodann aber erhebt fich mit Ernft
die Frage, ob denn wirklich im vorliegenden Text das
Symbol zu der vorhergehenden Liturgie gehöre? Es muß
auffallen, daß der eigentliche Liturgietext auf fol. 3 r. in
der Mitte abbricht, fo daß die Hälfte der Seite leer ift
(S. 5). Das Symbol fleht fol. 3 v. und füllt wiederum
nur eine halbe Seite. Wenn es fich um einen einzigen
fortlaufenden Liturgietext handelte, warum ließ der
Schreiber dann eine halbe Seite leer? Sch. antwortet
darauf: ,Der Schreiber hatte wohl auf diefem Blatte nicht
die ganze verso-Seite leer flehen laffen wollen, deshalb
verteilte er den noch übrigen Text auf beide Seiten fo,
daß jeder Teil ein inhaltliches Ganze ausmachte' (S. 5).
Mir will diefe Antwort fehr wenig einleuchten. Viel
einleuchtender fcheint mir die Annahme, daß er eben
mit einem Ganzen zu Ende war und ein Neues auf die
r.ächfte Blattfeite fchrieb. Aber fleht nicht, wie uns Sch.