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Ausgabe:

1911 Nr. 11

Spalte:

324-325

Autor/Hrsg.:

Thompson, R. Campbell

Titel/Untertitel:

Semitic Magic, its origins and development 1911

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. II.

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er voll zu würdigen weiß, die aber fchwerlich das Bild
vom alten Buddhismus, wie wir es aus der auf Ceylon
erhaltenen alten Form des Kanons gewonnen haben, be-
einfluffen werden. Oldenberg hält einzelne Beftandteile
des Sutta-Nipäta für befonders alt. Vielleicht hat man
unter zweien der Texte, die König Afoka im 3. Jahrh.
vor Chr. auf einem infchriftlichen Edikte empfahl, Teile
des Sutta Nipäta zu verftehen. Oldenberg meint, daß
folche Stücke wie diefe bis an die Lebenszeit des Buddha
(geftorben um 400 vor Chr.) heranreichen könnten, S. 26.
Die erfte Faffung von Buddha's Lehre erfolgte in Profa.
Oldenberg fucht zu entwickeln, wie fich für beftimmte
Zwecke die poetifche Form eingeftellt hat. Der hohe
Wert des Sutta Nipäta befteht eben hauptfächlich darin,
daß er eine größere Anzahl altbuddhiftifcher Dichtungen
enthält. Oldenberg geht näher auf die drei Legendendichtungen
ein, die fich auf wichtige Momente in Buddha's
Leben beziehen. Der weife Afita fteigt vom Himmel herunter
, um das ebengeborene Buddhakind zu fehen. Dies
ift mit der Erzählung von Simeon im Lukasevangelium
verglichen worden. Das zweite Gedicht (Pabbajjäsutta)
handelt vom Scheiden aus der Heimat, um Asket zu werden
, und von einem erften Zufammentreffen Buddha's mit
König Bimbisära. Das dritte Gedicht (Padhänasutta)
bezieht fich auf das Ende der Zeit der Askefe und enthält
das Gefpräch zwifchen Buddha und Mära, dem Fürften
diefer Welt, der ihn im Weltleben feftzuhalten fucht. Man
hat diefe Verfuche Mära's mit Chrifti Verfuchung durch
den Teufel verglichen. Weder hier noch im Falle Afita-
Simeon ift Oldenberg geneigt, buddhiftifchen Einfluß in
den Evangelien zu erblicken. Ein pfychologifcher Ab-
fchnitt über die Denkweife und Stimmung der Jünger
Buddhas befchließt den zweiten Auffatz.

Der dritte Auffatz befchäftigt fich mit der ,Gefchichts-
fchreibung im alten Indien'. G. Bühler hat einft die
Anficht, daß die Inder keine hiftorifche Literatur haben,
als veralteten Standpunkt bezeichnet (S. 65). Es ift fehr
zu bedauern, daß er nicht dazu gekommen ift, feine Anflehten
über die indifche Gefchichtsfchreibung auszuführen.
Daß es innerhalb der großen indifchen Literatur einige
Werke gibt, die man als Gefchichtswerke bezeichnen
kann, wiffen wir, aber die fachliche Zuverläffigkeit des
Hiftorikers fliehen wir vergeblich darin. Auch Oldenberg
ift nicht darauf ausgegangen, dies anders darzuftellen,
wenn er auch verflicht hat, das große Manko aus der
indifchen Eigenart zu verftehen und zu erklären. Selbft
wo es fich um Perfonen oder Ereigniffe der Zeit des
Verfaffers oder einer jüngften Vergangenheit handelt, ift
zwar die Zuverläffigkeit etwas größer, ift aber doch die
Gefchichtsfchreibung unter der Herrfchaft der Dichtung
geblieben. In anfehaulicher Weife charakterifiert Oldenberg
die indifche Gefchichtsfchreibung am Mahävamsa,
der vor Kurzem von L. Geiger herausgegebenen großen
Chronik von Ceylon, die um 500 nach Chr. entftanden ift,
und an der Räjatarangin!, der von M. A. Stein bearbeiteten
großen Chronik "von Kafchmir, die um 1150
nach Chr. gefchrieben worden ift. Dem Inder wurde die
Gefchichte unter der Hand zur Dichtung. Auf dem Gebiete
der Fabel und des Märchens hat der Inder Großes
geleiftet. Er konnte nicht anders erzählen, als wie er es
in der Fabel gewöhnt war. Das Märchen tritt bei ihm
wie Gefchichte auf und die Gefchichte wie Märchen. Der
Inder hat nicht das Bedürfnis gefühlt, diefe beiden Gebiete
ftreng zu fcheiden. Dazu kommt noch manches
Andere. Der Hiftoriker ift kaum denkbar ohne eine ge-
wiffe politifche Bildung. Die Inder find wohl religiös,
nicht aber politifch durchgebildet worden, fie haben den
altorientalifchen Despotismus des Königtums nicht überwunden
. Die Inder find in der Gefchichte auf einer niederen
Stufe fliehen geblieben, die von anderen politifch
herangereiften Völkern, die Gefchichte gemacht haben,
überwunden worden ift. Aber die Reden im Gefchichts-
werk des Thukydides find auch ein Stück Dichtung, das

in den reinen Typus eines Gefchichtswerks nicht hineingehört
.

Leipzig. E. Windifch.

Thompson, R. Campbell, M. A.: Semitic Magic, its origins
and developmentl. London, Luzac & Co. 1908. (LXVIII,
286 p.) gr. 8° s. 10.6

Das Buch entfpricht, wie mir fcheint, nicht ganz dem,
was fein Titel erwarten läßt. Es gibt einerfeits auch anderes
als das Angekündigte, andererfeits dies nicht voll-
ftändig. In dem Buch ift weniger von Magie die Rede
als von der Veranlaflung zur Magie. Im wefentlichen ift
es eine Darfteilung der Dämonologie.

Eine lange Einleitung S. XVII—LXVIII handelt ganz
richtig von Magie auf femitifchem Boden, ,on the magicians
and their literature and powers' (S. LXVIII) mit Belegen
aus dem Altertum und der Gegenwart. Breiten Raum
nehmen hier Proben aus den affyrifchen Befchwörungs-
texten ein. Warum der Verf. das alles nicht in feine
Darfteilung verwoben hat, habe ich nicht recht ver-
ftanden. Es ift wohl gemeint als eine Art Quellenangabe
, geht aber doch fchon auf die Materie felbft ein.
Das Charakteriftifche und Verdienftliche des ganzen Buches
tritt fchon in diefer ,Introduction' hervor, die Erläuterung
und Ergänzung der Überlieferung aus modernen Beobachtungen
. Dabei bleibt der Verf. im ganzen auf femitifchem
Boden und zieht nur in durchaus berechtigter Weife
Analogien aus volkstümlichem Glauben auf nichtfemitifchem
Gebiet zur Erläuterung herbei.

Der umfangreichfte Abfchnitt der eigentlichen Dar-
ftellung ift der erfte: ,The demons and ghosts' S. I—94.
Die Totengeifter (S. 2 ff.), dann ,the .supernatural being
who never was earthly' (S. 38ff.) — die Spezies, die als
krankheitverurfachend gilt —- und zuletzt die Geifler
,that are half human and half supernatural' (S. 65 ff.) werden
als drei verfchiedene Klaffen nach einem reichen Material
aus allen Zeiten dargeftellt. In der dritten Klaffe figurieren
die Spukgeftalten des Judentums, Lilit, Asmodi. Mir ift
zweifelhaft, ob fich die zweite Klaffe, wohin neben vielen
affyrifchen Geiftwefen die arabifchen Dfchinn gerechnet
werden (S. 57ff), fo beftimmt von der dritten trennen
läßt. Daß dem in der Literatur fehr bewanderten Verf.
für Altteftamentliches mein Artikel ,F"eldgeifter' in Hauck's
Realenzyklopädie entgangen ift, habe ich felbft durch den
Titel verfchuldet. — Ein zweites Kapitel handelt von
,Demoniac possession and tabu' (S. 95—141), nämlich von
dem ,unclean tabu', nicht dem ,holy tabu', den der Verf.
außer Betracht läßt. Es ift mir nicht verftändlich geworden
, ob diefe Unterfcheidung innerhalb des ,Tabu' als
urfprünglich oder als geworden gedacht ift. Das ,Tabu'
des Unreinen wird angefehen als überall veranlaßt durch
,demoniac possession'. Der Verf. geht aus von der Krankheit
als durch Dämonen verurfacht, folgert daraus die
Unreinheit des an einer Krankheit Geftorbenen und nach
der Analogie des Toten überhaupt. Hauptfächlich
kommt es ihm darauf an, zu zeigen, daß die Ünreinheit
fexueller Funktionen entfpringe aus dem Glauben an
eiferfüchtige und lüfterne Geifter. Letzteres wird unter
anderm durch das Beifpiel des Asmodi im Buche Tobit
illuftriert. Ich muß aber, ohne hier die Möglichkeit der
Begründung zu haben, ausfprechen, daß ich von der
Berechtigung, diefen Glauben, der in einzelnen Fällen zu
belegen ift, auf alle gefchlechtlichen Funktionen zu übertragen
, nicht überzeugt worden bin, überhaupt nicht von
der Berechtigung, alle unreinen Zuftände dämonifchem
Plinfluß zuzuschreiben. Auch das Auftreten des Asmodi
begründet nicht die Verunreinigung durch den Gefchlechts-
akt, fondern den Tod der Ehemänner. Die altteftament-
lichen Beftimmungen über die Unreinheit des Toten ferner

l) Anm. der Redaktion: Das Buch ift dem Herrn Referenten erft
2 Jahre nach Erfcheinen zugegangen.