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Ausgabe:

1911 Nr. 10

Spalte:

316

Autor/Hrsg.:

Strümpfel, Emil

Titel/Untertitel:

Was jedermann heute von der Mission wissen sollte 1911

Rezensent:

Knoke, Karl

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Seite 1

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315

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 10.

316

In manchen Abfchnitten werden die Kinder mehr angepredigt
als didaktifch, pädagogifch und feelforgerlich
behandelt. Wenn H. meint, im Konfirmandenunterricht
müßten die Kinder zuerft mehr ,erbaulich', fpäter immer
mehr ,lehrhaft' behandelt werden (S. VIII), fo bin ich eher
entgegengefetzter Meinung; immer aber foll das .Erbauliche
' nicht im Anpredigen und das ,Lehrhafte' nicht im
Einprägen theologifcher Gedankenreihen beftehen. Den
Konfirmanden das Nicaenum und das Athanafianum vorzutragen
und zwar letzteres mit ausdrücklicher Hervorhebung
des ominöfen Einleitungsfatzes (S. 187. 193. 249.
257. 2941), halte ich für eine didaktifche und pädagogifche
Entgleisung, — ganz abgefehen davon, daß das Athanafianum
nicht, wie H. fagt, die Lehre des Athanafius zu-
fammenfaßt und auf dem ganzen Erdkreis bekannt wird.
(S. 182.) Die Äußerungen über die reformierte Kirche
find einfeitig und ohne gefchichtliches Verftändnis, diejenigen
über den Katholizismus unzureichend (vgl. S. 53.
328. 330. 401 ff). Wunderlich ift die Behauptung, daß bei
der Taufe das Waffer nur für den Täufling eine Taufe,
dagegen für den Geiftlichen und die Paten nur ,fchlichtes
Waffer' fei (S. 58 f. 399f). Daß das Apoftolikum erft etwa
feit 100 Jahren und zwar durch den preußifchen König in
den fonntäglichen Gottesdienft gekommen ift, fcheint H.
nicht zu wiffen. (S. 183.) Weshalb im 2. Artikel auf die
Geburt gleich das Leiden folgt, wird künftlich und unrichtig
erklärt (S. 261). Auch fonft find manche Behauptungen
oberflächlich, irrtümlich und anfechtbar, z. B. was
S. 31 ff über die Bibel getagt wird, oder, wenn H. meint,
der Hohepriefter habe am Verföhnungstage für fich ein
Lamm geopfert (243); oder wenn — nicht im Einklang
mit Luther — mehrfach Sündenvergebung nur als Straferlaß
gedeutet wird (68, 264, 396). Für die Reihenfolge,
in der H. die Hauptftücke durchnimmt (4. 1. 2. 3. 5), läßt
fich mancherlei fagen; nur follte der Abfchnitt über die
Beichte oder ,das Amt der Schlüffel' auch nach H.'s eignen
Vorausfetzungen vor das 5. Hauptftück gefetzt werden
und nicht den Abfchluß des Ganzen bilden. Die Hoch-
fchätzung des Lutherfchen kleinen Katechismus teile ich
mit H., aber ich meine, in den Konfirmandenunterricht der
Jetztzeit gehören doch noch manche andre Dinge. Noch
mehr aber bin ich der Überzeugung, das H., der Tradition
folgend, vieles, was Luther mit Abficht im Katechismus
nicht berührt hat, — namentlich viel Dogmatifches —,
zum Schaden der Sache in den Katechismus hineingedeutet
oder eingefchachtelt hat und Luthers eigentlichen Intentionen
an vielen Stellen nicht gerecht geworden ift. Hätte
H. Luthers großen Katechismus mehr vor Augen gehabt,
fo hätte er z. B. das 3. Gebot wohl etwas anders erklärt.
Daß H. die meiden der neueren Vorfchläge zur Reform
des Konfirmandenunterrichts für falfch, unpraktifch und
unzeitgemäß hält, erklärt er offen (S. 2). Von feinem
Standpunkt aus verfteht man es auch. Ob freilich durch
diefe Ablehnung das Handbuch wirklich brauchbarer für
unfere Zeit geworden ift, möchte ich meinerfeits bezweifeln.

Frankfurt a/Main. Bornemann.

Börner, Wilhelm: Der Moralunterricht in Frankreich. Das

franzöfifche Moralunterrichtsgefetz in deutfcher Übertragung
. Mit einer Einleitung verfehen. Wien, Verlag
der öfterreichifchen ,Ethifchen Gefellfchaft' 1910. (16 S.)
gr. 8° M. — 30

Die erfte Hälfte diefes Heftes gibt eine Einführung
in das Unterrichtsgefetz, das den Moralunterricht regelt,
die zweite diefes felbft. Jene enthält eine zuftimmende
Beurteilung feiner Motive, nicht ohne das Bedauern, daß
das Gefetz fo folgewidrig ift, die Religion nicht ganz aus
dem Spiel zu laffen, was fich aus dem Wettbewerb mit
den Ordensfchulen erklärt. Der bisherige Erfolg diefes
Moralunterrichts wird als fehr günftig bezeichnet, weil
die Statiftik eine Abnahme der verfchiedenen Vergehungen

aufweift. Das Gefetz felbft gibt in fchwungvoller Sprache
Anweifungen, wie Gegenftand, Methode und Lehrplan des
Unterrichtes zu geftalten find. Der Geift des Gefetzes ift
beffer, als es nach mancher Äußerung über den Moralunterricht
zu erwarten war. Unausweichlich fcheint mir
die Forderung zu fein, unfern Religionsunterricht in diefem
Sinne umzugeftalten, daß wir in ihm mehr praktifch fitt-
liche Fragen behandeln, als es üblich ift. Das darf natürlich
dann nur im Anfchluß an unfere religiöfen Grundfätze
gefchehen, die aber ihrer dogmatifchen und gefchichtlichen
Hüllen mehr zu entkleiden find, als dies unfere theologifche
Gewohnheit noch fertig bringt.

Heidelberg. F. Niebergall.

Referate.

Steinmann, Prof. Dr. Alphons: Sklavenloe und alte Kirche. Eine

hiftorifch-exegetifche Studie über die foziale Frage im Urchriftentum.
(Apologetifche Tagesfragen VIII. Heft. I. und 2. Auflage.) M. Gladbach
, Volksvereins-Verlag GmbH. 1910. (78 S.) gr. 8Ü M. 1.20
Der von mir im vorigen Jahrgang (1910 Sp. 814) kurz angezeigte
Auffatz liegt als VIII. Heft der apologetifchen Tagesfragen (herausgegeben
vom Volksverein für das katholifche Deutfchland) noch einmal als I. u.
2. Auflage vor. Der Auffatz ift um etwas mehr als einen Bogen erweitert.
Die Unterfuchung des Sklavenlofes in der Antike ift wefentlich erweitert.
Die Gleichnifle des Plerrn find mehr verwendet, insbefondere reiches
Infchriftenmaterial herangezogen. Im zweiten Teil, der die Stellung
des Chriftentums charakterifiert, find allerlei Zufätze gemacht, aber nichts
Wefentliches geändert. Der Auffatz hat an Brauchbarkeit noch gewonnen.
Wittenburg i. Weftpr. Ed. von der Goltz.

Strümpfei, Paftor Emil: Was jedermann heute von der Million willen

muß. 21. bis 30. Tauf. Berlin, M. Warneck 1911. (VIII, 202 S. mit
Abbildgn.) 8° M. 1.50; geb. M. 2—

Das Buch wurde bisher bereits in 20000 Exemplaren abgefetzt,
ein ficheres Zeichen dafür, daß es einem ftark hervorgetretenen Bedürf-
niffe, fich über den Stand der Miffion zu orientieren, entfpricht, und daß
es geeignet fein muß , über diefen Stand fchnell und gut zu orientieren.
In der Tat kommen der Strümpfelfchen Arbeit diefe Eigenfchaften in
anzuerkennendem Maße zu. Die neue Auflage, die in weitern 10000
Exemplaren vorliegt, führt die Überficht über den Stand des Miffions-
werkes bis in die Gegenwart fort. Neu aufgenommen find die Abfchnitte:
,Was ift Miffion'f und: ,Es ift Miffionszeit'. Auch fonft fpürt man die
belfernde Hand des Herausgebers. So dürfen wir denn das Buch bei
feinen neu begonnenen Wegen durch die große evangelifche Miffions-
gemeinde in deutfchen Landen mit den bellen Wünfcheu für feine weitere
Verbreitung begleiten, was wir hiermit gern ausfprechen.

Göttingen. K. Knoke.

Enzyklopädilches Handbuch des Kinderlchutzes und der JugendfUrlorge.

Hrsg. unter Mitwirkung hervorragender Fachleute von Dir. Dr. Th.
Heller, Magiftratsrat Dr. Fr. Schiller, Geh. Sanitätsrat Dr.
M.Taube. (In 10 Lfgn.) Leipzig, W. Engelmann 1910.

M. 30—; geb. M. 33 —
Die weiten Kreife, die theoretifch oder praktifch an dem großen
Gebiet des Jugendfchutzes und der Jugendfürforge intereffiert find, feien
auf diefes Handbuch aufmerkfam gemacht. Aus dem reichen Inhalt der
I. Lieferung (Abhärtung — Berufswahl) erwähnen wir beifpielsweife die
Artikel Alkoholismus, Amerika, Aufklärung, fexuelle, Ausfagen der Kinder,
Beladung, erbliche. Das Autorenverzeichnis weift eine verheißungsvolle
Fülle weiterer intereffanter Artikel und Autoren auf. Eine genauere
Befprechuug foll nach Abfchluß des Werkes folgen.

Hannover. Landwehr.

Mitteilungen.

24. Nochmals die fyrifche Jefaiashaudfchrift. Eug. Tiffe-
rant hat die Liebeswürdigkeit, uns darauf hinzuweifen, daß es in Mitteilung
23 (Nr. 8, Sp. 253), um exakt zu fein, heißen muß: ,Das Palimpfeft
ift im Jahre 771 der Seleuciden, d. h. 459/60 unferer Ära gefchrieben';
es ift nicht die ältefte fyrifche Handfchrift überhaupt, die datiert ift (älter
ift ein Eufeb-Mf, das von 411 datiert ift), wohl aber die bisher bekannte
ältefte biblifche fyrifche Handfchrift.

25. Judas. La question de l'existence du traltre Judas, que Bruno
Bauer et Volkmar avaient dejä resolue par la negative, est aujourd'hui ä
l'ordre du jour de la presse francaise. Un drame eu quatre actes de M.
Achille Richard, Judas, joue au theatre Antoine, a rappele Sur ce personnage
enigniatique l'attention d'un public qui ne lit pas les Evangiles.
M. Louis Levi, rabbin, dont l'Univers israeTite (1910) avait dejä
publie des arcticles ä ce sujet, a resum6 sa these dans le journal Les
Droits de l'Ho mme (23 avril) sous ce titre: Que Judas, le traltre,
n'a jamais existe. Le Temps, le seul grand journal qui touche parfois
aux questions d'exegese, a consacrf* une notice assez etendue ä l'article
de M. Levi (24 avril.) II est probable qu'il trouvera des contradicteurs,
meme dans le camp de l'exegese liberale, dont le chef, M. A. Loisy,