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Ausgabe: | 1911 |
Spalte: | 313-314 |
Autor/Hrsg.: | Simons, Eduard |
Titel/Untertitel: | Aufgaben der Rheinischen Kirche 1911 |
Rezensent: | Zillessen, Alfred |
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Theologifche Literaturzeitung 19U Nr. 10.
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So erkennt er die Unentbehrlichkeit der Aktftudien an
und erklärt folgerichtig auch das Modellftehen für fittlich
erlaubt (S. 278. 285). Allein er ift doch der Anficht, daß
der ganze hier in Rede ftehende Stoffkreis in feinem
äfthetifchen Wert vielfach überfchätzt werde, während man
vor feinen ethifchen Gefahren die Augen verfchließe
(S. 224fr.). Er verwahrt fich gegen die Anficht, die im
Schamgefühl eine Sache bloßer Konvention fieht(S. 240fr.),
und bezeichnet völlig unbekleidete Figuren immer als
bedenklich, auch wenn es fich um die Paradiefesmenfchen
oder um den Jefusknaben handelt (S. 294fr.). Als unbedingt
verwerflich gelten ihm Darftellungen, in denen
das fexuelle Moment das einzige und leitende Motiv bildet
(S. 286). So richtig in diefen Ausführungen ohne Frage
vieles ift, fo hinterläßt doch die Art der Behandlung den
Eindruck einer gewiffen Unficherheit, wie er kafuiftifchen
Erörterungen immer anzuhaften pflegt. Zuletzt kommt
es hier nicht auf quantitative Beftimmungen und äußere
Kautelen an, fondern auf die Gefinnung, die der Künftler
in fein Werk legt und die dem Befchauer aus ihm entgegentritt
. Die Darfteilung des nackten menfchlichen
Körpers kann von vollendeter Unfchuld und die mehr
oder weniger verhüllter Geftalten fittlich höchft anftößig
fein. Es folgen fodann in Abfchn. VIII Bemerkungen
über die Pflicht des Staates, Darftellungen, die das fitt-
liche Urteil zu verwirren im Stande find, der Öffentlichkeit
zu entziehen. Auch hier wird manches Gute gefügt;
ob es aber zweckmäßig wäre, Kunftwerke, von denen
eine Gefährdung der Sittlichkeit zu beforgen ift, in be-
fonderen Räumen aufzuftellen (S. 313), möchte ich bezweifeln
. Gerade dadurch würde für eine zweifelhafte
Gattuno- von Kunftfreunden ein unerwünfchter Anziehungspunkt
gefchaffen. Abfchn. IX kehrt zu allgemeinen Betrachtungen
über die Rolle des Schönen im Weltganzen
und im Menfchenleben zurück. Der Verf. fagt dabei Beherzigenswertes
über dieGefahren einer einfeitig äfthetifchen
Bildung und präzifiert zum Schluß noch einmal feine
prinzipielle Auffaffung. Die Kunft hat zwar eine felb-
ftändige Aufgabe und darf es ablehnen, direkt in den
Dienft moralifcher Belehrung oder Beeinfluffung geftellt
zu werden. Aber fie bleibt darum doch verpflichtet, fich
der geiftigen Gefamtkultur einzugliedern und ihre Grundlage
, die Sittlichkeit, zu achten (S. 374). — Mutet in dem
befprochenen Buch den proteftantifchen Lefer auch
manches fremdartig an, fo muß doch eine gerechte Beurteilung
anerkennen, daß der Verf. mit Ernft und Fleiß
gearbeitet hat und daß die von ihm gewonnenen Ergeb-
niffe für die Klärung der Frage nach dem Verhältnis von
Ethik und Äfthetik nicht ohne Bedeutung find.
Leipzig. O. Kirn.
Simons, Prof. D. Eduard: Aufgaben der Rheinifchen Kirche.
Vortrag bei der Dreihundertjahrfeier zum Gedächtnis
der erften Generalfynode vonJülich-Cleve-Berg, gehalten
zu Duisburg, am 5. Oktober 1910. Duisburg, Dietrich &
Hermann (1910). (19 S.) gr. 8° M. —25
Als genauer Kenner und erfolgreicher Firforfcher ihrer
Gefchichte, wie als verftändnisvoller Vertreter des Gemeindegedankens
unter den praktifchen Univerfitätstheologen
war Simons der Berufenfte dazu, der rheinifchen Kirche
zur 300-Jahrfeier ihrer Gründung aus dem Gedächtnis ihrer
Anfänge ihre Aufgaben zu zeigen. Der Vortrag tut das
in reizvoller Verflechtung von Rückblick und Ausblick.
Schaffung und Pflege lebendiger Gemeinden unter ener-
gifcher Ausmerzung alles Hierarchifchen und Klerikalen,
innere Organifation durch Teilung ufw., Einpriigung der
Pflicht zur Teilnahme am Gemeindeleben, Wahrung rhei-
nifcher Eigenart gegen alle Uniformierung, Wiederaufnahme
der alten Beziehungen zum niederländifchen Proteftantis-
mus, Befchneidung der Auswüchfe des Parteiwefens, Feft-
halten an der Bewegungsfreiheit im theologifchen Glaubens-
ausdruck, unmittelbare Vertretung der Gemeinden in der
Provinzialfynode, auch der Lehrerfchaft als folcher, —
das find wichtige Ziele. Während er der Forderung des
kirchlichen Wahl- und Stimmrechts für die Frauen freund-
lich-abwartend gegenüberfteht, warnt d. Vf. vor Plutokratie,
Byzantinismus und allzu eiligem Rufen nach Staatshülfe
und fieht von der 1. Generalfynode an in dem Geift der
rheinifchen Kirche das ideale Verhältnis von Kirche und
Wiffenfchaft im Sinne freier gegenfeitiger Befruchtung
vorgezeichnet. Eine Kirche, die fich aus ihrem eignen
Geift heraus verjüngt, dünkt ihn die rechte Bürgfchaft
für das große Werk wechfelfeitiger Erziehung von Volk
und einzelnem, gemeinfchaftliche Stärkung und erneute
Anziehungskraft für die, die Rom und die Moderne nicht
mehr befriedigen. — Aus lebendigfter Fühlung mit dem
rheinifchen kirchlichen Leben hervorgegangen, ein charaktervolles
und freimütig-befonnenes Wort, wird der ge-
dankenfchwere Vortrag nicht nur im Rheinland noch viel
zu fagen haben, fondern auch darüber hinaus die frucht-
barfte Anregung zur Belebung der evangelifchen Kirche
geben können.
Lobberich (Rheinland). Alfred Zilleffen.
Hardeland, Paft. Otto: Zweiundfünfzig Konfirmandenltunden.
Ein Handbuch für Geiftliche, nach des Verfaffers gleichzeitig
in 40. Auflage erfcheinendem Leitfaden für den
Konfirmandenunterricht bearbeitet. 4., unter Berück-
fichtigung der neueren Verhandlungen über die Reform
des Konfirmandenunterrichts neu durchgearbeitete Auflage
. Dresden-A., C. L. Ungelenk 1910. (XII, 432 S.)
gr. 8» M. 3.80; geb. M. 4.80
Wenn dies Buch, 1898 zuerft erfchienen, jetzt die vierte
Auflage erlebt hat, fo beweift dies, daß eine ganze Reihe
von Paftoren — es werden ausfchließlich folche orthodox-
lutherifcher Richtung fein — in ihm eine bequeme und
zweckmäßige Vorlage, Anleitung und Stofffämmlung für
den Konfirmandenunterricht gefunden haben. Zugleich
ift es wohl ein Zeichen der perfönlichen Hochfehätzung,
die der Verfaffer in weiten Kreifen genießt. Es ift auch
felbftverftändlich, daß in einem umfangreichen, aus theo-
retifcher Arbeit und langjähriger FFrfahrung hervorgegangenen
Buche mancher richtige und gute Gedanke
enthalten ift und manche Anregung, felbft da, wo es zum
Widerfpruche reizt. Der Verlag aber hat es für gut befunden
, vorn auf dem Umfchlag des Buches zur Empfehlung
aus früheren Rezenfionen drei kurze Sätze abzudrucken,
nämlich: 1. ,Der Verfaffer muß ein anregender Konfirmandenlehrer
fein; jeder Katechet, der nach diefer Anleitung
unterrichtet, wird gewiß mit Erfolg arbeiten'.
2. ,Das Handbuch ift vom Anfang bis zum Schluß ein
Hilfsmittel bei dem Konfirmandenunterricht, wie nicht
leicht eins'. 3. ,Die Handreichung ift eine der beften, die
Art des Verfaffers, mit Kindern zureden, ift vorbildlich'. —
Ich erlaube mir, hinter jeden diefer Sätze ein kräftiges
Fragezeichen zu fetzen. Ganz abgefehen davon, daß der
Erfolg nie allein von der Methode, fondern weit mehr von
der Perfönlichkeit des Unterrichtenden, in jedem Falle aber
allein von Gottes Segen abhängig ift, glaube ich, daß für
viele Konfirmanden ein Unterricht gerade nach diefer
Anleitung ein großer Fehler wäre. Sodann glaube ich,
daß für den Konfirmandenunterricht weit wertvollere
Bücher von gleicher Richtung und ähnlicher Anlage doch
exiftieren; ich nenne nur die von Th. Kaftan, R. Steinmetz
und Nikolai. Endlich kann ich die Art des Verfaffers,
mit Kindern zu reden, abgefehen von einzelnen Abfchnitten
keineswegs für vorbildlich halten. Die Darftellung ift
breit und reich an Wiederholungen, oft auch viel zu theo-
logifch, durchfetzt mit einer für Kinder viel zu bunten
Maffe von Gefangbuchverfen und Bibelfprüchen. Die Gedankenentwicklung
ift oft ungleichmäßig und fprunghaft.