Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1911 Nr. 10

Spalte:

297-298

Titel/Untertitel:

The Vision of the young man Menelaus. Studies of Pentecost and Easter 1911

Rezensent:

Hennecke, Edgar

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

297

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 10.

298

wo man widerfprechen muß, unendlich viel lernen und
darf über dem, was man verwirft, nicht die Fülle deffen
überfehen, das fich immer mehr als richtig erweifen wird.
Das find einmal zahllofe Einzelheiten, die hier natürlich
auch z. T. nicht angeführt werden können, dann aber jene
allgemeineren Ausführungen über die Unglaubwürdigkeit
und Unechtheit des Evangeliums, auf die ich eingangs
hinwies. Auf ihnen fcheint mir — ohne daß ich allem
Einzelnen zuftimmte — vor allem die Bedeutung des
Buchs zu beruhen, das von der aus feinen andern Werken
ja fchon bekannten umfaffenden Gelehrfamkeit und dem
genialen Scharffinn des Verfaffers wieder ein glänzendes
Zeugnis ablegt. Es hat den mancherlei Verdienften, die
fich die englifch-amerkanifche Theologie in neuerer Zeit
um die johanneifche Frage erworben hat, ein befonders
großes neues hinzugefügt, ja es bildet einen der wert-
vollften Beiträge zu diefem Problem, die überhaupt bisher
erfchienen find. Wie es in Amerika fchon großes
Auffehen gemacht hat, fo follte es auch in Deutfchland
überall, wo man fich mit dem Johannesevangelium und jetzt
fpezie'l feiner mit Kompofition befchäftigt, eingehendfte
Berückfichtigung finden.

Bonn. Carl Clernen.

The Vision of the young man Menelaus. Studies of Pente-
coft and Eafter. By the author of ,Resurrectio Chrifti'.
London, K. Paul, Trench, Trübner & Co., Ltd. 1910.
(XXVII, 211 p.) gr. 8° s. 2.6

Das Problem, mit dem fich das Buch befchäftigt, ift
trotz des entlegenen Titels ein neuteftamentliches. Schon
vorher hatte der Verfaffer (nach dem Buchtitel auf dem
Einbände offenbar Modernift, außerdem Pfarrer) in feinem
Buche ,Refurrectio Chrifti' zu zeigen verflicht, daß die
fünfhundert Brüder I. Kor. 15,6 nicht als einheitliche
Verfammlung zu verliehen feien (das £<pöjia£, wird vielmehr
als once for all gefaßt), fondern als .Individuen',
denen fich der Herr hin und her im Lande, in ihren
Häufern kundgetan (diefe Wirkung als rein geiftliche
verftanden, nicht gerade mit Bewußtfein aufgenommene).
Zu Pfingften, als fie zugegen waren, kam die Saat zum
Austrag, trat jene innere Erfahrung an die Oberfläche.
Das will der Verf. nun durch literarifche Nachweife und
mit Berufung auf die heutige Religionspfychologie erhärten
. Ob und inwieweit aber für deren Inanfpruch-
nahme die fchmale Bafis der hiftorifchen Nachricht ausreicht
, ift eben die Frage. Zur Ergänzung wird der Bericht
ganz fpäter Johannes-Akten herangezogen, wonach
ein junger Mann Menelaus von dem apokryphen Apoftel
zur Strafe getötet und dann wieder erweckt wird. Was
er dazwifchen gefchaut, erinnert u. a. ftark an Matth. 28,
19, eine der Erfcheinungen des Auferftandenen. Schilderungen
anderer junger Apoftelakten — in denen folche
Totenerweckungen ftattfinden (einige ältere bleiben unerwähnt
!) — von begleitenden äußeren Naturereigniffen
machen es wahrfcheinlich, daß eine Wiederholung von
Pfingften damit angedeutet werden follte; auch die Zahl
von 500 Männern läßt fich hier und da nachweifen. Ein
näherer Vergleich zeigt, daß die Vifion des Menelaus das
Urbild der übrigen ift und den älteften Johannesakten
entnommen fein wird; tatfächlich war Menelaus einer der
500 zu Pfingften. — Über die Fülle der literarifchen und
hiftorifchen Unmöglichkeiten diefer Kombination mag
ein eifrigerer Lefer des Buches des weiteren nachdenken.
Von feiten der Apokryphenforfchung läßt fich vor allem
einwenden, daß die Übernahme von Stoffen aus den
älteften apokryphen Akten in diefen jungen Produkten
im allgemeinen zurücktritt, und diefe in weiterer Fort-
fetzung wilder Produktion mehr als jene mit der Verwendung
direkter biblifcher Nachrichten arbeiten, während
nicht einmal von den älteren Akten aus für folche Einzelheiten
ein wirkliches Traditionsband mit dem Neuen

Teftament erfichtlich wird. Tatfächlich bekennt fich
Verf. auf dem Gebiete auch nur als .Amateur'. Sein
Fleiß in der Vergleichung der fpäten Berichte mag fonft
anerkannt werden. In der vorne gegebenen Lifte der
von ihm gelefenen Quellen hätten die Jahreszahlen nicht
fehlen dürfen, v. Dobfchütz' Schrift .Oftern und Pfingften'
(1903) wird nicht genannt, aber in der Unterfuchung
feiner Pfingfthypothefe (vgl. 1903 Nr. 24 diefer Ztg.) gelegentlich
gedacht, die hier übernommen, wenn auch erweicht
, aber mit höchft fragwürdigen Stützen ver-
fehen ift.

Betheln (Hann.). E. Hennecke.

Leszynsky. Rudolf: Die Juden in Arabien zur Zeit Mohammeds
. Berlin, Mayer & Müller 1910. (III, 116 S.) gr. 8°

M. 2 —

Die Abficht diefer Schrift ift zunächft, einige Lücken
in der Kenntnis der Verhältniffe der Juden Arabiens
zur Zeit der Entftehung des Islams auszufüllen; ferner
auf Grund kritifcher Betrachtung der Quellen eine zu-
fammenhängende Darftellung des Verhaltens Muhammeds
gegen die in feinen Machtbereich gehörigen
Juden zu bieten. Der Verf. hat fich mit großem Fleiß
beftrebt, im 1. Kapitel auf Grund eines umfangreichen
Materials von den phyfifchen, geiftigen, wirtfchaftlichen
und fozialen Verhältniffen der Juden Arabiens ein annähernd
volles Bild zu gewinnen. Freilich find, wie er
es felbft betont (S. 5), die traditionellen Daten auch
in diefem Falle für kulturhiftorifche Feftftellungen mit
großer Behutfamkeit aufzunehmen, und es ift bei der Verwertung
der Judaica aus dem islamifchen Hadit ftets im
Auge zu behalten, daß in diefer Literatur zuweilen fpeziell
auf die Juden übertragen wird, womit Polemik gegen
Gegner des Islams im allgemeinen beabfichtigt ift; wie
dies hier befonders S. 15 ult. bei Vergleich mit Sunan Abi
Däwüd III 178 (ZDMG LVII 393, 14) erfichtlich wird.
Durch fcharfe Beobachtung des Korans felbft hat L. manches
charakteriftifcheDetail für feine Darftellung gewonnen;
zuweilen hat er allerdings mehr gefolgert, als die betreffende
Stelle verträgt; fo kann Sure 5,46 (akkälüna lil-suht) nicht
auf den Genuß rituell verbotener Speifen (S. 27 Änm. 1),
fondern nur auf unrechtmäßigen Erwerb bezogen werden.
Zu viel Scharffinn ift auch (S. 32 Anm.) auf die Heraus-
ftellung einer Erklärung von Sure 2,55; 5,69 verwandt
| worden, deren Prämiffen zu weit hergeholt find, um gebilligt
werden zu können. — Im 2. Kapitel .Muhammed
1 und die Juden bis zum Ausbruch des Krieges' kommt
1 hauptfächlich die Frage der Quellen von Muhammeds
! religiöfen Anfängen zur Verhandlung. Im Gegenfatz zu
einer extremen Anfchauung, nach welcher die Annahme
j jüdifcher Beeinfluffung vollends auszufchalten wäre, nimmt
der Verf. mit Muir für die ältefte koranifche Periode aus-
fchließlich jüdifche Einflüffe als entfcheidende Anregung
an. Jedoch wenn auch für Muh. die Hauptquelle feiner
früheften Offenbarungen zweifellos die Juden find (Nöl-
deke, Gefch. d. Qorans1 5,26ff), fo können dabei auch
feine chriftlichen Berührungen (wir denken dabei nicht
an problematifche fyrifche Reifen, fondern an den Verkehr
im Heimatlande felbft) nicht fpurlos geblieben fein.

Aus den Argumenten des Verf.s ift die Folgerung aus der Wortform
gahannam (S. 44,4 v. u.) auszufchließen; fie eutfpricht nicht der he-
bräifchen, fondern ftimmt fo genau mit der äthiopifchen uberein, ,daß die
Entlehnung als ficher gelten darf (Nöldeke, Neue Beitr. zur femit. Sprach-
wiff. 47,15), fowie der koranifche Terminus für Auferftehung kijäma
der fyrifchen Terminologie (kejämta) entlehnt ift (Bevan, Journ. of Theolog
. Studies VI 22). Auch die Namensform T$5 wird nicht aus einer
vorausgefetzten, jedoch als tatfächlich nicht nachgewiefenen jüdifchen Aus-
fprache des Namens abzuleiten, fondern beffer (mit WZKM IV 336) als
eine in der Nomenklatur des Korans nicht vereinzelte Formangleichung
an Müsä zu erklären fein, wobei die Verftärkung des Anlautes zu 'ajn
keine Schwierigkeit bereitet (vgl. Fraenkel, Aram. Fremdwörter im Arab.
108).

Nach der Darftellung der Beziehungen des Propheten