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Ausgabe:

1911 Nr. 10

Spalte:

294-297

Autor/Hrsg.:

Bacon, Benjamin Wisner

Titel/Untertitel:

The Fourth Gospel in Research and Debate 1911

Rezensent:

Clemen, Carl

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 10.

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fpätere künftliche Zutat, fondern find alter gewachfener 1
Beftand, ein organifches Produkt des inneren Sprach-
bildungstriebes. Erft von da aus ift die Verarmung des
Semitifchen in bezug auf die Endungen, wie ja auch in
bezug auf die Fülle und Reinheit des Vokalismus eingetreten
, wie man am Mittel- und Neuarabifchen und an
den andern femitifchen Sprachen z. B. betreffs der Kafus-
endungen erkennen kann. Denn wie fchon im Mittel-
arabifchen der große — bekanntlich auch im Indoger-
manifchen breit daherflutende — Prozeß fich zeigt, daß
der Akkufativ als der Kafus der allgemeinen Beziehung
zum neuen Nominativ wurde (Belege gibt meine Syntax
§ 269c), fo wurde der Gebrauch der drei Kafusendungen
auch im Babylonifch-Affyrifchen erft allmählich fchwan-
kend (A. Ungnad, Orient. Lit.-Zeitung 1907, 495). Das
Äthiopifche aber hat nur noch zwei Kafusendungen (eine
für den Nomin. und eine für Gen. und Akk.), und im
Hebräifchen gibt es bekanntlich nur noch Kafusrefte, die
überdies zum größten Teile bedeutungslos geworden find.

Auch an den beiden Unterfuchungen über .Stiliftifche
und fyntaktifche Eigentümlichkeiten der Sprache des
Koran' und .Willkürlich und mißverftändlich gebrauchte
Fremdwörter im Koran' (S. 5—30) ift hauptfächlich ein
Punkt von allgemeinerem Intereffe. Es ift die Tatfache,
daß die formelle Mangelhaftigkeit der literarifchen Schöpfung
Mohammeds nachgewiefen werden kann. Denn
z. B. ift es zweifellos, daß er auf den Reim nur geringe
Sorgfalt verwendet hat. Auch der rafche Subjektswechfel
und das Überfpringen von einem Gegenftand zum andern
gehen fogar über das Maß deffen hinaus, was man im
Hebräifchen beobachten kann (vgl. über Perfonenwechfel
in meiner Stiliftik, Rhetorik, Poetik 238 —258). Bemerkenswert
ift z. B. auch noch, daß die im Hebräifchen fo
häufige Fortfetzung von Inf. und Ptc. durch das Verbum
finitum im Qor'än einige Male auftritt, aber fonft im
Altarabifchen nach Nöldeke (S. 15) nur einmal, refp.
keinmal begegnet Jeder, der auch nur wegen des Hebräifchen
vergleichende Studien zur Syntax und Stiliftik
machen will, darf alfo an diefen Partien von Nöldekes
Neuen Beiträgen nicht achtlos vorübergehen.

Die Abhandlung über .Lehnwörter in und aus dem
Athiopifchen' (S. 31—66) befitzt auch für den Kirchen-
hiftoriker ein mehrfaches Intereffe. Dazu gehört fchon
dies, daß die älteren Lehnwörter, die im 5.—7. Jahrhundert
in das Äthiopifche einftrömten, ,alle oder faft alle
jüdifchen oder chriftlichen' Einflüffen entflammten. Denn
das Judentum hat, wie Nöldeke fagt, einft in Äthiopien
mächtig mit dem Chriftentum gerungen. Gebrauchen ja
auch noch die heutigen abeffinifchen Juden, die Falafcha,
denfelben äthiopifchen Text des A. T., wie die chriftlichen
Abeffinier. Um aber auch etwas einzelnes herauszuheben
, fo hätte bei oof^jht (S. 34) bemerkt werden
können, daß auch diefe Form masich gegen die von Paul
de Lagarde (Überficht über die im Aram., Hebr. und
Arab. übliche Bildung der Nomina, S. 109; Regifter 1891,
S. 62 f.) aufgeftellte Behauptung fpricht, daß der Ausdruck
Meffias von einem arab. ^-üL* (missich, SrptD'a)

.Reifeprediger' herftamme. Jene Behauptung wird aber
nicht durch die Doppeltheit des s in Meoaiaq begründet,
denn diefes ss ift eine von den vielen Spuren der Selbft-
verdopplung der Sibilanten; vgl. z. B. Nassi anftatt ^©3
bei Mandl, der Bann (1898), S. 35.

Der dann folgende Auffatz über .Wörter mit Gegen-
finn' (S. 67—108) ift nicht bloß für den Lexikographen,
fondern auch für den biblifchen Exegeten von weitreichender
Wichtigkeit. Doch muß der erftere auch gelegentlich
widerfprechen.

Denn der Satz (S. 75), daß ktfe nicht auch .anleihen (vom Schuldner
getagt)' bedeute, ift unrichtig. In Jef. 24, 2 am Ende muß ja ,wie der
Darleiher, fo der Abborger' gemeint fein. Es kann nicht zweimal heißen
.Darleiher' (alle Stellen find in meinem Wörterbuch s. v. X'iiJ I und nte

I behandelt). Bei rite S. 76 ift Deut. 26, 12 ftatt 14, 12 gemeint. Sehr
fcharffinnig und fehr erwägenswert ift die Vermutung (S. 83), daß die

Bedeutung von na^ö, wonach es ,nach innen' heißt, daher kommt, daß
es eigentlich meinte'(nach dem Antlitz des im Adyton weilenden Gottes'
und mach dem Antlitz des im Thronzimmer weilenden Königs'. Aber bei
riSFl .Meffer' und .(Schwert-) Scheide' (S. 84) muß ich wieder ein Fragezeichen
machen. Es wird doch richtiger fein, wie es in meinem VVB.
gegeben ift, daß 15F1 .Scheermeffer etc.' von flrir .entblößt fein' herkommt
und zunächft dasTuftrument des Kahlmachens bezeichnete, daß aber
ri?R .Scheide (des Schwertes)' im arab. taghrun ,Riß, Ritze' feine Parallele
befitzt. Sodann auf DrtJ, ririB, pri brauche ich nicht einzugehen,
da die innere Bedeutungsentwicklung darzulegen, ein Hauptzweck meines
WB. war. Da ift auch der wahrfcheinlich fekundäre Euphemismus von
ri-13 für .läftern' fchon befprochen, den auch Nöldeke S. 89 für 1 Kön.
2l","l0. 13; Pf. 10,3b; Hi. 1,5 [11 fehlt]; 2,5. 9 annimmt. Auch bei
riDl"l(S. 93) habe ich fchon ein Beifpiel der in meiner Stiliftik 33—36
behandelten Antiphrafis nachgewiefen. Ebeufo ift bei 133 von mir gegenüber
Gef.-Buhl auseinandergefetzt worden, daß allen Bedeutungen diefes
Stammes der Begriff .fremd fein' zugrunde liegt, wie nun auch bei Nöldeke
, S. 96. Auch betreffs 33ri freue ich mich mit ihm (S. 96) zufammen-
getroffen zu fein, wie auch bei rill) (S. 121). Aber bei dem Hiphiil von
VÖriri (S. 98 f.) ift nichts damit gefagt, daß man .durch Befeitigung des
alten Befitzes (foll heißen: Befitzers) Eigentümer wird', fondern der Sachverhalt
ift diefer: Die Bedeutung .vertreiben, ausrotten' tritt nur auf,
wenn das Objekt der Befitzer als metonymifcher Vertreter feines Befitzes
gefagt wird, wie wohl zuerft von mir im WB. s. v. nachgewiefen worden
ift, denn den Befitzer okkupieren (direkt-kaufatives Hiphiil) heißt: ihn
befitzlos machen, und dies bedeutet in den meiften Fällen: vertreiben,
ausrotten.

Die noch übrigen Unterfuchungen des Buches betreffen
.zweiradikalige Subftantiva' (S. 109—178), .Wechfel
von anlautendem n und W oder Hamza' (Sp. lenis) oder
.Wechfel von anlautendem w oder Hamza und j' und
.Partizipien und Adjektive von hohlen Wurzeln' (richtig:
verba mediae semivocalis). Man fieht, daß diefe Partien
mehr nur für den Grammatiker von Wichtigkeit find.
Den koftbaren Raum der Theol. Lit.-Ztg. darf ich aber
nicht noch für Ausführungen über diefe Themata in An-
fpruch nehmen, und ich füge deshalb nur noch den
Wunfeh hinzu, daß es dem großen Orientaliften vergönnt
fein möge, noch viele feiner koftbaren Sammlungen an
das Licht der Öffentlichkeit zu bringen.

Bonn. Ed. König.

Haußleiter, Prof. Johannes: Jefus. Sechs Vorträge.
München, C. H. Beck 1911. (III, 98 S.) 8° M. 1.20

Was die fynoptifchen Evangelien über die Einzigartigkeit
und Vollkommenheit des Glaubens Jefu ausfagen,
foll nach S. 98 darin feine Begründung finden, daß der
Sohn Gottes in einem ewigen Leben bei Gott ftand, das
er aufgab, als er Menfch wurde. Mir fcheint es dem
Verf. nicht gelungen zu fein, die ewige Gottheit Jefu damit
auszugleichen, daß das einzigartige Gottesverhältnis,
worin die Eigenart der gefchichtlichen Perfon Jefu beruht,
die Glaubensgeftalt gehabt. Dies, daß Jefus als wirklicher
Menfch glaubte, betont Verf. wieder fehr richtig, aber
nicht ftimmt fein Satz (S. 15): ,Man fieht, die menfehliche
Form der Perfon Jefu fprengt nicht den göttlichen Inhalt,
der diefe Form ausfüllte'. Man fieht es wenigftens dann
nicht, wenn dieferlnhalt die ewigeGottheit war. Sonft gefällt
natürlich gar Manches in diefen Vorträgen auch demjenigen,
welcher ganz anders wie Zahn-Haußleiter zur evangelifchen
Überlieferung fleht. Die Themata find: ,Das religiöfe
Bewußtfein Jefu'; ,Die Liebe Jefu'; ,Die Glaubenserziehung
Jefu (nach den Synoptikern)'; ,Die Glaubenserziehung Jefu
(nach dem Johannes-Evangelium)'; ,Die Bedeutung des
Leidens und Sterbens Jefu'; Jefus und die Gemeinde der
Glaubenden'.

Leipzig. K. Thieme.

Bacon, Prof. Benjamin Wisner, D.D. LL. D.: The Fourth
Gospel in Research and Debate. A series of Essays on
Problems concerning the origin and value of the ano-
nymous writings attributed to the Apostle John.

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