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Ausgabe:

1911 Nr. 10

Spalte:

291-292

Autor/Hrsg.:

Stengel, Paul

Titel/Untertitel:

Opferbräuche der Griechen 1911

Rezensent:

Wendland, Paul

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291

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 10.

292

fähe ich lieber ,Frohnde', denn nichts weiter als diefe
bezeichnet das gefchwollene Fremdwort). — Kahle gibt
in Islamifche Schattenfpieltiguren aus Egypten I (264—299)
eine forgfältige Befchreibung der von ihm in Kairo aufgefundenen
und erworbenen Proben der feltfamen Er-
zeugniffe des Kunftgewerbes, die in engfter Beziehung zu
der redenden Kunft ftehen (S 269 u. ftatt .Hinterfuß' L
.Schwanz'). — Horovitz und Rieh. Hartmann geben in
Die Befchreibung eines Gemäldes bei Mutanabbi (385—388)
und Zum Thema: Minaret und Leuchtturm (388—390)
fyftematifche Unterfuchungen zur Gefchichte der Kunft (der
zweite Artikel auch wichtig für Gefchichte der Kriegführung
). — Über Jacobs Hinweis auf wichtige örtliche
Elemente der islamifchen Kunft f. ThLZ 1910, Sp. 708. —
Hochverdienftlich ift der Bericht des an erfter Stelle dazu
berufenen Kühnel über die Münchener Ausftellung
von Meifterwerken mohammedanifcher Kunft (183—194.
369-384).

V. Staat (Recht): außer Beckers fchon genanntem
Auffatz über das Syrien der Mamlukenzeit (f. oben III), der
öffentlichrechtliche Dinge behandelt, gehört hierher F. F.
Schmidt, Die occupatio im islamifchen Recht, eine Studie,
die das Problem mit vorzüglicher Quellenkenntnis und
großem Scharffinn behandelt und auch tief in die Wirt-
fchaftsgefchichte eingreift (gewürdigt in dem Sonderref.
Goldzihers D. Lit-Zeitg. 1911, Sp. 310h)

Hermsdorf b. Berlin. Martin Hartmann.

Stengel, Paul: Opferbräuche der Griechen. Mit 6 Textabbildungen
. Leipzig, B. G. Teubner 1910. (VI, 238 S.)
gr. 8° M. 6—; geb. M. 7 —

Der Verf. hat einen mehrfach ausgefprochenen Wunfeh
erfüllt, indem er feine zerftreuten Auffätze zum Sakral-
wefen, zum Teil ftark überarbeitet, zu einem Ganzen vereinigt
hat. Er hat fo ein Werk gefchaffen, das als ein
Mufter religionsgefchichtlicher Methode empfohlen werden
kann. Eine leichte Lektüre ift es freilich nicht. Auf die
jetzt beliebte, oft überreiche Ausftattung mit Völkerparallelen
verzichtet er; aber er zeigt, was innerhalb der
Grenzen eines Volkes exakte Materialfammlung, fcharfe
Interpretation, genaue Beobachtung der Terminologie,
deren Bedeutung durch Reitzenfteins letztes Buch be-
fonders in Erinnerung gebracht ift, zu leiften vermag.
Daß durch Kenntnis anderer Religionen fein Horizont
geweitet und fein Verftändnis vertieft ift, fpürt man; aber
er übt diefelbe abfichtliche Befchränkung wie Wiffowa.
Die Philologien müffen ja auch die natürliche Grundlage
aller religionsgefchichtlichen Forfchung bleiben, und tat-
fächlich find ihre größten Fortfehritte auf diefem Boden
gewonnen. Diefe vornehm anfpruchslofe Haltung entspricht
nicht ganz dem modernften Gefchmack; aber
gerade fie fordert zur energifchen Mitarbeit auf und ift
geeignet, ftarke Anregungen auch der religionsgefchichtlichen
Erforfchung anderer Völker mitzuteilen.

Ich verweife beifpielsweife auf Ausführungen, zu denen
fich den Lefern diefer Zeitfchrift manche Parallelen aufdrängen
werden: Befprengen des Altars mit Blut (S. 18),
Schächten (S. 20. 8off. 123 und öfter); Weihwaffer (S.
34ff), Vereinigung mit der Gottheit durch leibliches Effen
(S. 73 ff), Genitalien als Sitz des Lebens und ihre Berührung
beim Schwüre (S, 83. 84), Menfchenopfer (93.
127 f. 147. 199. 211 ff), Bedeutung der Intenfität und des
geraden Auffteigens der Opferflamme (98), Totenkult
(127fr.), Sagen vom weißen Totenpferd und vom Schimmelreiter
(161), Sachprozeß (220).

Einmal S. 166 wird für xagnovv und Sippe auf den
Sprachgebrauch der LXX hingewiefen. Von den behandelten
Termini (f. Regifter) finden fich in der LXX z. B.
auch änaQxai etjeagyso^ac evdgx^O&ai lyxaxa tm&veiv
txcpöai eoxdga yakatfrjvöq mgala xarevxto&at oZokv&iv
jtegiÖEinvov cpaQfiaxoi ngcoroyovoq. Mitunter find die

Stellen der LXX für die Begriffsbeftimmung von Bedeutung
; in andern Fällen ift das vielleicht durch den Kult
vermittelte Fortleben der Wörter durch die LXX bezeugt;
manche Wörter des profanen Kultes fcheinen mir abficht-
lich gemieden zu fein. Es fcheint mir eine dringende
und lohnende Aufgabe, die LXX und die vielleicht noch
ergiebigeren Paraphrafen mofaifcher Gefetze bei Philo
und Jofephus für die fakrale (und rechtliche) Terminologie
auszunutzen.

Man wird zu mancherlei Gedanken angeregt, wenn
man nach dem inhaltreichen Buche Stengels die mofai-
fchen Opfergefetze lieft. Aber einen befonderen Reiz hat
es auch, die Tatfachen des Kultes in den vom Verf. felbft
oft angedeuteten weiteren Zufammenhang der griechifchen
Religionsgefchichte einzuordnen. So finden fich z. B. feine
Bemerkungen über den Charakter homerifcher Religion:
Egoismus und Utilitarismus, Fehlen der Kathartik, ge-
dankenlofe Weiterübung alten Brauches, Fehlen des Dankgebetes
, Zurücktreten des Kultes der chthonifchen Mächte,
Schlachten auch ohne Opfer. ,Die Zeit des aufgeklärten
Rittertums, die der Dichter mit fo glänzenden Farben
malt, verfinkt; es war auch weniger eine Unterbrechung
der immer ftrömenden Entwicklung als ein Sichherausheben
aus der tiefer flehenden und verachteten Umgebung,
und der nie völlig zerftörte alte Glaube und Brauch ift
bald wieder kräftig und fichtbar' (S. 24).

Auf fchwebende Streitfragen einzugehen, ift hier nicht
der Ort. Für die Umkreifung des zu fühnenden Ortes
(S. 96. 150) verweife ich auf Ufener, Vorträge und Auffätze
S. 113ff, Weihnachtsfeft 1 S. 294ff. Das Pferdeopfer
ift von S. Reinach, Cultes, mythes et religions III 132 ff.
behandelt worden, die urfprüngliche Bedeutung Pofeidons
von O. Hoffmann, 84. Jahresbericht der Schlefifchen Ge-
fellfchaft für vaterländifche Kultur.

Göttingen. Paul Wendland.

Nöldeke, Theodor: Neue Beiträge zur femitifchen Sprach-
wilfenfchaft. Straßburg i. E., K.J. Trübner 1910. (VIII,
240 S.) Lex.-8° M. 14.50

Mit lebhafter Freude ift es zu begrüßen, daß der
jetzige Altmeifter der femitifchen Sprachwiffenfchaft die
feit einigen Jahren gewonnene Muße raftlos dazu benützt,
immer neue Garben von den Feldern feiner Forfcher-
arbeit in die Scheuern zu fammeln. Das neuefte Garbenbündel
ift ein zweiter Band von /Beiträgen zur femitifchen
Sprachwiffenfchaft', die er 1904 herauszugeben begonnen
hat. Auch fehlt es nicht ganz an einer pofitiven Beziehung
des Inhalts der beiden Bände.

Hatte der erfte Band mit der Behandlung des wichtigen
Themas ,das klaffifche Arabifch und die arabifchen
Dialekte' begonnen, fo berührt fich damit der erfte Auffatz
im zweiten Band über ,der Korän und die 'Arabija'.
Es handelt fich um die Entfcheidung der großen FVage,
ob der Qor'än in einer Mundart abgefaßt worden ift,
welcher die aus der altarabifchen Grammatik bekannten
Flexionsendungen (z. B. Nomin. malikun, Gen. malikin,
Akk. malikan) gefehlt hätten. Die Bejahung diefer PVage
war die Thefe, die der unlängft verftorbene Prof. Karl
Völlers (Jena) in feinem Buche ,Volksfprache und Schrift-
fprache im Altarabifchen' (1906) vertreten zu müffen
meinte. Dies war deshalb fo wichtig, weil wir, wenn es
Tatfache gewefen wäre, das Schaufpiel erlebt hätten, daß
die Geftalt einer Sprache im Laufe ihrer Gefchichte
reicher an Endungen geworden wäre, während fonft fo
oft das Gegenteil eintritt. Aber jene Thefe von Völlers
war unbegründet. Denn Nöldeke betont gewiß mit Recht:
,Hätten der Prophet und feine gläubigen Zeitgenoffen
den Qor'än ohne 'Hräb' (die kurzvokaligen Flexionsendungen
) ,gefprochen, fo wäre die Tradition davon nicht
fpurlos untergegangen' (S. 2). Alfo die Flexionsendungen
der altarabifchen Schriftfprache find im wefentlichen keine