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Ausgabe:

1911 Nr. 9

Spalte:

271-272

Autor/Hrsg.:

Körner, Emil

Titel/Untertitel:

Erasmus Alber. Das Kämpferleben eines Gottesgelehrten aus Luthers Schule, nach den Quellen dargestellt 1911

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 9.

272

kritifche Durcharbeitung gewünfcht hätte), den Auf-
fchwung, den Verfall durch die Perfonalunion mit dem
Bistum Lüttich und die Verfchleuderung des Kirchengutes
, die Grundlegung der geiftigen Blüte infolge der
wiedererlangten Selbftändigkeit und der Fürforge des
Bifchofs Notker von Lüttich und des Abts Folkwin. Es
ift natürlich, daß die Gefchicke des Klofters in enger
Verbindung mit denen des Bistums Lüttich gefchildert
werden und damit die Gelegenheit geboten wird, die
großen politifchen und kirchlichen Ereigniffe, namentlich
des 10. Jhs. zu ftreifen.

Der zweite Teil zeichnet unter gewiffenhafter Benutzung
der wenigen erhaltenen Nachrichten Herigers
Lebensgang, katalogifiert und analyfiert die ihm zugehörigen
und ihm zugefchriebenen Schriften und erhebt
daraus die für die Geiftesart und Bildung des Verfaffers
charakteriftifchen Züge. Hirzeis Abfehen ift darauf gerichtet
, die literarifche und wiffenfchaftliche Eigenart
Herigers herauszuftellen. Er findet feine Bildung und
Belefenheit ftaunenswert, da fie faft lückenlos denWiffens-
fchatz feiner Zeit umfaßte; die von ihm gelefenen und
benutzten Autoren werden namhaft gemacht; trotzdem
er antike Schriftfteller verwertet, ift eine Einwirkung
des antiken Geiftes bei ihm nicht zu fpüren. Die Ge-
wiffenhaftigkeit, die er als Gefchichtsfchreiber zeigt, die,
wenn auch nur leifen, Anfätze zu einer Kritik von un-
Avahrfcheinlichen Erzählungen heben ihn aber doch aus
der Kultur des 10. Jahrhunderts heraus. Wie mir fcheint,
hat Hirzel den Geift des 10. Jahrhunderts richtig erfaßt
und zu zeigen verftanden, wie eine einzelne, immerhin
bedeutende Perfönlichkeit die allgemeinen Züge ihrer Zeit
repräfentiert und doch auch ihre Eigenart behauptet.

In den Literaturangaben finde ich einige Lücken;
Böhmers Artikel im 7. Band der Real-Enzyklopädie hätte
angeführt, auch die Bibliotheca hagiographica latina der
Bollandiften hätte verwertet werden können.

Kiel. G. Ficker.

Körner, Dompred. Emil: Erasmus Alber. Das Kämpferleben
eines Gottesgelehrten aus Luthers Schule, nach
den Quellen dargeftellt. (Quellen und Darftellungen
aus der Gefchichte des Reformationsjahrhunderts,
hrsg. von G. Berbig. XV. Band.) Leipzig, M. Hein-
fius Nachf. 1910. (VI, 203 S.) 8° M. 6.50

Angezogen von dem kerndeutfchen Wefen und der
lauteren evangelifchen Frömmigkeit Erasmus Albers hat
fich der Verfaffer mit feinem Leben und feinen Schriften
eingehend befchäftigt. Den Ertrag feiner langjährigen,
mühevollen Forfchungen bietet er uns in dem vorliegenden
Buche. Eine mühevolle Arbeit. Denn wenn auch Alber
vielleicht mehr als mancher andere feiner Genoffen bald
hierher bald dorthin verfchlagen wurde —, wir finden ihn
in der Nähe Frankfurts a. M. und in Küftrin, in Rothenburg
o. T. fowohl als in Hamburg —, fo fließen doch die
Quellen über fein Leben überaus fpärlich, und feine
Schriften, die noch am meiften orientieren, find teilweife
nur noch mit Mühe zu eruieren; manche fcheinen gänzlich
verfchwunden zu fein. Man kann es daher dem
Verfaffer nicht verargen, wenn noch manches im Leben
Albers der Aufklärung bedarf. Das gilt vor allem von
feiner Jugendzeit. Wenig geklärt ift fein Weggang von
Mainz (S. 9) und Wittenberg (S. 15); die Überfiedlung
von Büdingen nach Urfel (S. 16); der Eintritt in den
heffifchen Kirchendienft (S.26); die Berufung nach Küftrin
(S. 41); der Weggang von Sprendlingen und die Übernahme
der Schulftelle in Butzbach (S. 55); die Übertragung
der Pfarrei Staden (auf ein Jahr!) (S. 75). Aber
auch feine fpäteren Schickfale ftellen noch manche
Fragen, fo z. B. feine Bekanntfchaft mit Georg von Minkwitz
(S. IOO), fein Aufenthalt in Lübeck (S. 143ff.). Auch
die Vermutungen des Verfaffers, mögen fie auch noch

fo anfprechend fein, helfen uns darüber nicht hinweg
(So z. B. S. 16, 147). Doch hege ich die Hoffnung, daß
eben diefe Monographie den Anftoß gibt zu neuem
Forfchen, welches nicht ohne Ertrag bleiben wird; nahm
doch diefer Mann an den Zeitereigniffen, an den Kämpfen,
die die Kirche erfüllten, überaus tätigen Anteil.

Der Verfaffer hat fich manche Befchränkung auferlegen
müffen; er hätte wohl fonft Alber noch mehr
felbft zu Worte kommen laffen. Manchmal wünfcht man
allerdings eine weitere Ausführung. So hätte die Angabe
der Gründe, warum fein Vorgänger Maternus Tref-
ferus in Sprendlingen abgefetzt wurde, vielleicht manches
dazu beigetragen, um feine Schickfale dafelbft verftänd-
licher erfcheinen zu laffen (S. 28). Sollte er nicht auch
einen befonderen Anlaß gehabt haben, gegen Wicel aufzutreten
?

Die Arbeit verrät immer wieder die innere Anteilnahme
. Das ift kein Schade; doch liegt die Gefahr nahe,
daß das Urteil nur ällzuleicht beeinflußt wird. Und diefer
Gefahr fcheint mir der Verfaffer doch nicht ganz entgangen
zu fein. Seine charakterfefte Art, feine Überzeugung
mutig und unerfchrocken in allen, auch den
gefährlichften Situationen zu vertreten, zwang Alber zu
einem unßätem Wanderleben; aber eine gewiffe Schroffheit
, — er nennt fich felbft einen ,groben' Wetterauer —
mußte manche fchwierige Lage ohne Grund nur noch
verfchärfen. Durch Entgegenkommen in manchen äußerlichen
Anliegen hätte fich gewiß manches vermeiden laffen
(nicht zum wenigften am Ende feines Lebens in Neubrandenburg
). Dies hätte bei aller Anerkennung des
lauteren Charakters Albers wohl etwas mehr betont werden
können (cf. Kolde RE.3 I, 288). Ganz unwillkürlich
hat fich auch der Verfaffer manches Utteil Albers felbft
angeeignet. Buzer (S. 41) und Ofiander (S. 136) verdienen
bei aller Anerkennung ihrer Schwächen doch
eine andere Beurteilung als wie fie hier finden. Doch
führt fich die andere Einfehätzung diefer Männer vielleicht
auf eine verfchiedenartige prinzipielle Auffaffung der ver-
fchiedenen Strömungen der Reformationszeit zurück (S.
26 das Urteil über Philipp möchte darauf hinweifen).

Das Buch foll offenbar das Leben und Wirken
Albers einem weiteren Kreis näher bringen. Darum wird
man manche mehr perfönliche Bemerkung nicht übel
nehmen; auch ift es verftändlich, wenn durch Rückfchlüffe
manches belebt werden tollte, obwohl gerade da die
größte Vorficht geboten ift. (S. 11 unten; Vorlefungen
bei Luther; S. 40 Rückkehr noch Urfel; S. 47 oben; S.
57 oben; S. 78 Buzers Antagonismus gegen ihn). Der
wiffenfchaftliche Charakter mußte infolge deffen etwas
zurücktreten. Aber es wäre doch wohl möglich gewefen,
ein Verzeichnis fämtlicher Schriften Albers unter genauer
Angabe der Titel und der Fundorte beizugeben; denn
trotz der Vorarbeiten Schnorrs und Gödeckes wird man
es immer zuerft in diefem Buche fuchen. Auch hätten
etliche Angaben erft genau auf ihre Berechtigung hin
geprüft werden follen; denn örtliche Angaben find ja oft
fehr wenig begründet (S. 83 oben Z. 4 klingt etwas un-
wahrfcheinlich; ebenfo fehlt in Quelle für die Stiftung
des Kruzifixes S. 55).

Bezüglich der Anmerkungen find etliche Verbefferungen nötig, während
der Druck des Textes äußert! korrekt ift. S. 23 muß noch die Anmerkung
40 eingefügt werden; S. 43 ift Anm. 14 einzufügen und Anm. 14
in I4a umzuwandeln; S. 186. Abf. 4. A. 3 lies: Conv.; S. 117t. ift Anm.
14. 15 in 15 und 16 umzuändern; S. 193. A. 15. Abfchnitt 13 lies: wie
Anm. 9; ebenfo S. 194. A. 20; Anm. 33: Hortleder; S. 133. Z. 11 lies
9a; S. 139. Z. 16 Anm. 13; S. 143. Abfch. 15 muß ,Anm. [' eingefügt
werden; S. 146 Z. 6 v. o.: Anm. Ii; S. 164 fehlen die Anmerkungen
10—12; zu S. 192 Abfch. 12 Anm. 3 vergleiche H. v. Schubert, Bekennt-
> nisbildung und Religionspolitik. Gotha 1910. S. 183fr.

Auf zweierlei darf noch aufmerkfam gemacht werden: nach S. 53
teilten die kath. Geiftlichen in der Landfchaft Dreieich an Odern an die
Laien auch den Kelch aus; die röm. Kirche hat auch nach S. 164 nicht
verfchmäht, fich die Melodie, die einer ihrer Todfeinde komponiert hat,
anzueignen.

Alfeld bei Hersbruck. Schornbaum.