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Ausgabe:

1911 Nr. 9

Spalte:

267-268

Autor/Hrsg.:

Zwaan, Johannes de

Titel/Untertitel:

II. Petrus en Judas 1911

Rezensent:

Hague, W. V.

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267

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 9.

268

Zwaan, Johannes de: II. Petrus en Judas. Textuitgave
met inleidende Studien en textueelen commentar.
Proefschrift. Leiden, S. C. van Doesburgh 1909. (XI,
147 blz.) gr. 8°

Das Werk zeichnet fich durch Gründlichkeit und
fehr gute Kenntniffe der einfchlägigen, insbefondere der
englifchen Literatur vor den meiften Doktorarbeiten vorteilhaft
aus und darf wohl als Beifpiel tür die hohen
Anforderungen gelten, welche die Univerfität Leiden an
ihre Doktoranden ftellt. Der Plan der Ausgabe, wofür
Verf. fich auf Neftle, Einführung in das Gr. N. T.3,
S. 248, beruft, ift fehr zu empfehlen. Das Ganze zerfällt
in zwei Teile, (1) eine kritifche Einleitung und (2) eine
Textausgabe der beiden Briefe mit ausführlichem text-
kritifchem Kommentar.

Die Einleitung bietet im erften Kapitel eine kurzgefaßte
Gefchichte der n.t.lichen Kritik von Tifchendorf
bis von Soden. Verf. ift fehr gut unterrichtet und gibt
eine wertvolle Überficht über den heutigen Tatbeftand.
Dabei befpricht er die Theorien von Tifchendorf und
Westcott-Hort, fowie die methodifchen Grundfätze und
die Neubezeichnung von v. Soden. Trotz aller Anerkennung
der großartigen Leiftungen des letztgenannten,
kommt er, in Anlehnung an Gregory, zu dem Schluß,
daß die Theorie von Weftcott-Hort in abfehbarer Zeit
immer noch maßgebend bleiben wird (S. 27). Mit Recht
weift er darauf hin, daß der Einfluß Tatians, oder genauer
ausgedrückt, der Einfluß von Evangelienharmonien
überhaupt, nicht hinreicht, um die in den älteften Hdff.
fo häufig vorkommenden Abweichungen von I-H-K völlig
zu erklären. Dann aber fällt die ganze Hypothefe eines
Grundftockes von I-H-K zufammen (S. 42).

Das zweite Kapitel behandelt die Minuskeln und
trägt ,einige neuen Tatfachen' auf diefem Gebiete vor.
Auf Grund forgfältiger und felbftändiger Unterfuchungen
fucht de Z. in Siefen Wirrwarr Ordnung zu bringen. Aus
feinen Refultaten fei folgendes hervorgehoben. Er unter-
fcheidet vier Hauptfamilien: (1) Farn. 13, welche als
Kern umfaßt 13, 180, 15, 25, 18, 68, 36, 5. (II) Fam. 27
mit 27, 29, 68, 7, 66, 13, 6. (III) Fam. 214, mit 214, 69,
137- 13, 68, 5. (IV) Fam. 100, mit 100, 36, 16, 22, 23,
37) 39 (S- 73)- Der Charakter der letzten ift viel weniger
beftimmt als derjenige der drei erften. Wohl dürfte
diefe Gruppierung nur als eine vorläufige gelten; indes
bietet fie einen feften Anhaltspunkt bei weiteren Unterfuchungen
. Hier wäre insbefondere zu betonen, daß die
drei erften Gruppen von einem Grundftock abzuftammen
fcheinen, und ferner, daß, wie aus den angeführten Bei-
fpielen erfichtlich ift, diefer größtenteils mit den früheren,
im Gegenfatz zu den fpäteren, Minuskeln übereinftimmt.

Das dritte Kapitel befpricht die Zeugniffe der wich-
tigften alten Überfetzungen der betr. Briefe, die alt-
lateinifche und die (fyrifche) Philoxeniana. Hier zeigt
fich Verf. wieder gut orientiert. Was die lat. Hdff. anlangt
, fo gibt er ein fo gut wie vollftändiges Verzeichnis
der Varianten von Fris., Flor., Spec, ,Spec. Aug.', und
Lucifer v. Cagliari, foweit diefe für unfere Briefe in Betracht
kommen. Darauf folgt eine Erörterung der Ver-
hältniffe zwifchen Philoxeniana und Harklensis, die ebenfalls
durch ein Verzeichnis der Abweichungen beider vom
Textus receptus (Neftle) erläutert werden.

Der zweite, wohl der wichtigfte Teil des Werkes
enthält einen Abdruck des Textes, ,foweit diefe Schriften
auf Grund der vorhandenen Daten gelefen werden
können' (S. IX). Anftelle einer unzufammenhängenden
MaffeVarianten tritt hier ein textkritifcher Kommentar
ein. Insbefondere, was mir fehr lobenswert erfcheint,
werden die gelegentlich vorgefchlagenen Konjekturen
berückfichtigt, und zwar nicht bloß gefammelt, fondern
gewürdigt und beurteilt. Nur ein Beifpiel kann hier angeführt
werden, aber ein wichtiges:

Bekanntlich ift Jud. 5 die beftbezeugte Lesart 'hjaovg, die doch
meiftens, wie von Hort, als .Schnitzer' rundweg verworfen wird und m. W.
nur von Buttmann in den griechifchen Text aufgenommen worden ift.
Mit vollem Recht verweift aber de Z. darauf, daß das Fehlen von xvQiog
vor 'Irjaovg für das hohe Alter diefer Lesart fehr deutlich fpricht. Der
Gedanke, daß Jefus die handelnde und fprechende göttliche Perfon in
der Gefchichte der Offenbarung fei, ift gewiß fehr alt, (vgl. Juftin, Dia].,
120). Übrigens haben Orig., Did., Hier., Tert., Bar., Eufeb., Cyr., Lact.
'Itjoovg gelefen. Hier. (c. Jovin., I 21), identifiziert 'Irjrtovg mit Jofua,
was an Philos Auffaffung des letzteren als .Erlöfer' denken läßt. Doch
ift jene Ausfage des Judasbriefes nicht bloß ,typologifch' zu verftehen.
Vielmehr will der Schreiber dem Glauben Ausdruck verleihen, daß eben
Jefus durch Mofe das Volk aus Ägypten erlöft habe und, wie es V. 6
zu lefen fteht, die gefallenen Engel bis zum Gerichte des großen Tages
mit ewigen Banden in der Finfternis hält. (Vgl. Ency. Bib., II Sp. 2632.)
Selbft wenn wir xvgwg lefen, wird Jefus damit gemeint fein, denn wir
haben V. 4 ja die Worte xbv itbvov ösanbxrjv xal xbv xvqiov fjftwv
'Itjoovv Xqigxov ; daß aber Jefus V. 4 xvQiog heiße und nicht auch V. 5
ift einfach undenkbar. Damit erhalten wir eine nicht zu überfehende
Bezeugung der Auffaffung des Urchriftentums, wonach Jefus als Erlöfer,
als .zweiter Gott' (denn fonft hätte V. 6 keinen Sinn), erfcheint. Im
übrigen, beziehen wir mit Verf. «Trag auf abbaag, fo bekommen wir
einen erheblich befferen Sinn, wobei auch das emphatifche xb 6evx£qov
zur vollen Geltung kommt. — Weitere wertvolle Anmerkungen gibt de Z.
zu II Pet. 1,4; 15, 17; 2, 13, 14; 3, 10.

Im ganzen eine fehr gediegene Arbeit. Möge fie zur
Ermunterung zu weiteren textkritifchen Behandlungen,
etwa der johanneifchen Briefe, dienen.

Pforzheim i/B. W. V. Hague.

Budge, E. A. Wallis, M. A., Litt. D.: Texts relating to
Saint Mena of Egypt and Canons of Nicaea in a nubian
dialect. With facsimile. Printed by order of the tru-
stees. Sold at the British Museum. (London) 1909.
(V, 75 p. w. 36 plates.) s. 12 —

Als der Referent im J. 1906 die erften Bruchftücke
in altnubifcher Sprache in Aegypten erwarb und fie der
Königlichen Bibliothek zu Berlin übergab, durfte man
hoffen, daß noch weitere Literaturdenkmäler diefer Gattung
auftauchen würden, zumal da die Ausgrabungen in
Nubien von verfchiedenen Seiten in Angriff genommen
wurden. Diefe Erwartung ift infofern nicht getäufcht
worden, als gleich darauf in der Sammlung eines Herrn
Rustafyaell ein Manufkript mit nubifchen Texten entdeckt
wurde, das einem größeren Funde koptifcher Hand-
fchrilten in der Nähe von Edfu (Oberägypten) entftammt
— aus dem gleichen Funde werden wohl auch die Berliner
Handfchriften flammen. Die Sammlung ift von
dem Britifchen Mufeum erworben worden, und fo konnte
Budge die nubifchen Stücke im Auftrage der Truftees
edieren. Freilich handelt es fich nicht um eine Publikation
der Texte im eigentlichen Sinne, fondern nur um
eine photographifche Reproduktion der 18 Blätter der
Handfchrift auf 34 Tafeln in Originalgröße. Im übrigen
widmet der Herausgeber, abgefehen von einer Einleitung
über die Entftehung des nubifchen Chriftentums, nur
wenige Seiten der Befchreibung der Handfchrift und
ihres Inhaltes. Es wird feftgeftellt, daß das Mf. (c. aus
dem 10. Jahrh.) zwei verfchiedene Werke umfaßt, u. zw. enthält
der erfte Teil auf den erften 17 Seiten gemäß der
Überfchrift und einer Zeichnung auf S. 18, die uns einen
Heiligen, hoch zu Roß mit der Lanze in der rechten
Hand und drei Kronen über dem Haupte neben der In-
fchrift «.vioc Mim«., zeigt, eine Abhandlung, die fich mit
dem heiligen Menas befchäftigen muß, und Budge fügt
hinzu: it may be a hymn to the saint, or an encomium
on him, or a history of his martyrdom, or a short sum-
mary of his life similar to the summaries of the lives of
saints which are found in the Arabic or Ethiopic Synaxa-
rium. Bei dem zweiten Teile, der 16 befchriebene Seiten
umfaßt, fchließt Budge aus dem Vorkommen des Wortes
nute«, und K«.non auf eine Auswahl aus den Kanones
von Nicaea. Ein Vernich zur Entzifferung der Sprache
felbft ift nicht gemacht worden; es ift mir daher unbegreiflich
, aus welchen Gründen die Truftees diefe Auf-