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Ausgabe:

1911 Nr. 8

Spalte:

242-244

Autor/Hrsg.:

Drews, Paul

Titel/Untertitel:

Studien zur Geschichte des Gottesdienstes und des gottesdienstlichen Lebens. IV. u. V 1911

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 8.

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genügen dürfte Das ift aber leider nicht der Fall. Wohl eine wiffenfchafthche Darfteilung und Beurteilung des-
hat Schulte die vorhandenen Quellen und die rne.fte ! felben ,ft es leider nicht.
Literatur über Cochem fleißig gelefen, und durch Nachfrage
bei zahlreichen Pfarrämtern aus einigen Gegenden
der Cochemfchen Wirkfamkeit einiges neue wertvolle
Material gefammelt; aber von einer kritifchen Bearbei-

Bremgarten. Albert Bruckner.

Drews, Prof. D. Paul: Studien zur Gefchichte des Gottes-

iviatenai geiammcn, aut.i vwu .

lung feines Lebens und Wirkens zu reden, liegt kein An- I dienftes und des gottesdienftlichen Lebens IV u V
laß vor. Denn Schulte dringt in kein einziges Problem träge zu Luthers liturgifchen Reformen, Y Luthers
tiefer ein, fondern begnügt fleh in der Regel mit einem _ ^umers

höchft fubjektiven Abwägen der verfchiedenen über
Cochem gefällten Urteile, und feine Behauptungen entbehren
in der Regel jeglichen Beweifes.

So behauptet er S. 9 Anm., der Ausdruck ,Sacerdos Jubilarius'
1707) fei offenbar eine Verkürzung von Sacerdos und Jubilarius Ordi-
nis, da nicht angenommen werden könne, daß Cochem vor Erreichung
des kanonifchen Alters die Priefterweihe erhalten habe, obwohl diefe
Erklärung durch Nichts indiziert ift und durch die Eintragung Cochems
im Totenbuch iS. 166, Anm. 4) als Jubilarius Ordinis et Sacerdotii'
sehr unwahrfcheinlich gemacht wird. Die Identität des durchaus ver-
fchollenen Kinderlehrbüchleins (1666) mit dem Katechismus von 1682 behauptet
er als fehr wahrfcheinlich (S. 31. 67) ohne auch nur den Schatten
eines Beweifes dafür anführen zu können. Über Lindemanus und
namentlich Becks Unterfuchungen, betreffend Cochem als Kirchenlieddichter
, fagt ereiufach: ,Man hat Cochem vielfach als Kirchenlieddichter
hingedeHt. Doch wohl mit Unrecht' (S. 72). Betreffs der fcharfen Mo-
nita des Mainzer Provinzialkapitels, die fehr beftimmte und fcharfe An

'T-0;t H„c rlomfils kurmninzifchei

lateinifche und deutfehe Litanei von 1529. — II. Luthers
deutfehe Verfikel und Kollekten. Tübingen, J. C. B.
Mohr 1910. (XII, 120 S.) gr. 8° M. 4 —

Bereits im Jahre 1902 hatte Drews in Bd. XI der RE.3
einen Artikel über,Litanei' veröffentlicht, der auch Luthers
Bemühungen um Wiedereinführung des Litaneigefanges
fo gründlich und felbftändig zur Darfteilung brachte, wie
es nur umfängliche Spezialftudien möglich machen. Er
hat dann 1910 in Weim. Ausg. XXX, 3 S. iff. Luthers
deutfehe und lateinifche Litanei von 1529 zum Abdruck
gebracht und hier auf das Erfcheinen einer befonderen
Abhandlung über die liturgifchen Fragen, zu denen Luthers
Arbeit Anlaß gibt, verwiefen. Diefe erhalten wir in dem
vorliegenden Heft feiner ,Studien zur Gefchichte des Gottes-
dienftes'. Er fucht die Abfaffungszeit genauer zu beftimmen

klagen gegen die ^J^^^^Z ™d weift mit guten Gründen ebenfo Knokes Annahme

Vifitators erhoben, und ihm bei Vorkommen weiterer annncner Anrauue [ . . 0T ,, n .____, ™ c ,, , ,

mit der tatfächlich bald darauf erfolgten Abfetzung drohten, fchreibt | zurück, daß die Litanei zuerft unter den Tafeldrucken des

Schulte: ,Auf den erften Blick ergibt fich, daß diefelben nicht aus Volks-
kreifen erhoben worden find, daß vielmehr ein Teil des von feinen Anordnungen
betroffenen Weltklerus, fowie einzelne Ordensbrüder dafür
verantwortlich gemacht werden muffen' (S. 87), obwohl diefe Annahme
bei verfchiedenen der angeführten Punkte (i. 2. 5. 6) durchaus
zweifelhaft iß. Und ungeachtet dafelbß über fein Übermaß im etwaigen
Weingenuß und feine allzugroße Vertraulichkeit mit dem weiblichen Ge-
fchlechte bittere Klage geführt wird (S. 86. Anm. 3), gibt es Schulte
doch Nichts zu tun, in feiner Gefamtcharakteriftik von der befonders

kleinen Katechismus erfchienen fei, wie auch die Meinung
Zelles, der fie fchon in Gefangbüchern von 1528
erfchienen fein läßt. Es ift dankenswert, daß — nun
hoffentlich endgültig — mit der irreführenden Annahme
aufgeräumt ift, als hätten wir in einem Gefangbuchfragment
auf der Berliner KgL Bibl. noch das Wittenberger Gefangbuch
von Weiß 1528 vor uns, während es fleh um einen

ßrengeu asketifchen Lebeusweife Cochems zu reden (S. 168). Erfurter Druck von Sturmer, fruheftens von 1533, handelt.

Aber auch die literarifche Würdigung der Schriften Nicht minder wichtig ift der Nachweis, daß das Enchiridion,

Cochems, auf die Schulte den Hauptnachdruck gelegt
wiffen will, wie die Beurteilung feines Charakters, weift
diefelben Schäden einer ziemlich kritiklofen Bewunderung
auf, und erregt dadurch gerechte Zweifel an der Fähigkeit
des Verfaffers zu vorurteilslofer, krilifcher Prüfung.
Allerdings macht Schulte im einzelnen erhebliche Zu-
geftändniffe. So, wenn er S. 123 f. über die Hiftorybücher
Cochems fchreibt: .Abgefehen von fehr wenigen Ausnahmen
, enthalten die Cochemfchen Exempel durchgängig
meiftens ebenfoviel Abgefchmacktheit als Erbauung
'. Aber folche kritifche Bedenken und Zugeftänd-
niffe hindern Schulte doch nicht, von der befonderen
religiöfen Tiefe und Innigkeit des Verfaffers zu reden,
die fleh in allen feinen Schriften offenbare, obwohl er
öfters geftehen muß, daß namentlich feine Gebets- und
Betrachtungsbücher nur feiten mehr find als mofaikartige
Kompilationen älterer asketifcher Erzeugniffe, die lediglich
durch ihren volkstümlichen Stil und mannigfache
Konnivenz an den kraffeften Aberglauben der Zeit eine
fo ftarke Verbreitung gefunden haben. Ebenfowenig
gibt es Schulte zu tun, von dem klaren, durchdringenden,
Verftand und dem reichen theologifchen Wiffen Cochems
zu reden (S. 169), er merkt nicht, daß dem deffen
völlige Kritiklofigkeit direkt widerfpricht. Ebenfo fleht
es aber mit der Aufrichtigkeit und Kindeseinfalt Cochems
und feiner demütigen Befcheidenheit, die ein anderer
nach dem, was Schulte gelegentlich über ihn mitteilt,
kaum an ihm entdecken würde. Denn fogar nach
der Sitte der damaligen Zeit ift es ein ftarkes Stück
für einen demütigen Chriftenmenfchen, wenn er in der
Vorrede eines feiner Bücher fchreibt: ,Wer in dem Büchlein
lefen wird, wird in die wunderbarliche Gottheit fo
tief hineinfehen, daß er darüber erftarren wird' (S. 162).
So bleibt dem Buche von Schulte nur das Verdienft,
manches neue wertvolle Material zur Kenntnis und Würdigung
des Cochemfchen Lebens und Wirkens einem
größeren Publikum zugänglich gemacht zu haben; aber

das bei Michael Blum in Leipzig gedruckt wurde, das
Zelle um Neujahr 1529 erfchienen fein läßt, wahrfcheinlich
erft 1535, jedenfalls nicht vor 1533 gedruckt fein kann.
Nicht fo überzeugend ift mir die Drewsfche Beweisführung,
mit der er Sonderausgaben der Litanei ohne Noten als
frühefte Erfcheinungsform zurückweift. Denn der Grund,
daß die Ausgabe ohne Noten, die noch vorhanden ift,
eine Ausgabe mit Noten als ältere vorausfetze, da fie ja
die Verteilung der Litanei auf zwei Chöre vorfchreibe,
was nur aus einer Ausgabe mit Noten entlehnt fein könne,
ift nicht zwingend. Denn wenn Luther am 13. Febr. 1529
fchreibt, fie fangen jetzt in der Kirche die Litanei lateinifch
und deutfeh, und zugleich eine Ausgabe mit Noten ankündigt
, fo hat jedenfalls die Verteilung auf zwei Chöre
längft feftgeftanden, ehe die Notenausgabe erfchien. Man
wird aber fragen müffen, wie doch in Wittenberg die
Litanei mit den Schülern eingeübt werden konnte, wenn
ihnen nicht der Text zugänglich war. Mufikverftändige
werden mir zuftimmen, daß wenn den Schülern der Text
vorlag, es nicht fchwierig war, die Noten der Litanei auch
nach dem Gehör ihnen einzuprägen. Jedenfalls mußten
fie aber den Text lernen, ehe fie ihn im Gottesdienft
fangen. Und es fcheint mir zweifelhaft, daß die Einübung
des Textes nur nach einem handfehriftlichen Exemplar,
das Luther dem Lehrer in die Hand gegeben, erfolgt fein
follte. Der Text mit feinen 44 aufeinanderfolgenden Sätzchen
machte gerade eine Druckvorlage auch für die Hand
der Schüler erwünfeht. Ich möchte daher die Annahme,
daß fchon vor Feb. 1529 ein Druck des Textes erfchienen
war, nicht fo beftimmt abweifen; ein folcher mußte aber
aus praktifchen Gründen die Verteilung auf die zwei Chöre
angeben, auch wenn die Noten noch nicht mitgedruckt
wurden. Vorzügliche Sorgfalt hat Drews darauf verwendet
die Entftehung der Litanei deutlich zu machen, ber-
nommenes und Neues in ihr zu unterfcheiden. In ficherer
Methode hat er dabei die Überlieferung der Allerheiligenlitanei
in den Ritualien und Brevieren der Auguftiner