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Ausgabe:

1911 Nr. 8

Spalte:

230-231

Autor/Hrsg.:

Peters, Norbert

Titel/Untertitel:

Die jüdische Gemeinde von Elephantine-Syene und ihr Tempel im 5. Jahrhundert vor Christi Geburt 1911

Rezensent:

Wellhausen, Julius

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 8.

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zu beftreiten denn felbft wenn man zugibt, daß vielleicht fett des Rö- I thormythus, und umgekehrt, was für diefen charakteriflifch

tels urfprünglich Blut genommen wurde, hat man immer noch viel auf- jfl-. fjie Götterverfammlung, das finnlofe Wüten der Ha-
fallenclere und eingehendere Parallelen im heutigen Paläftina felbft, wie : thQr und jhre ßeraufchung, findet fich nicht in der israe-

Völter aus der ,urfemitifchen *g^J™^£%^£^ ' litifchen Erzählung. Was Völler herausgreift, find Ne-

Rürhern hatte lernen können. Nichts zwingt dazu, agyptilcne nerKuuu » » >

o^^luibritacb^ behaupten. 2. verweift Völler auf eine Nachricht | benfachen, die nichts beweifen kormen. Damit foll nicht

bei Herodot II, 47 L daß am Vollmondtage dem Dionyfos Schweine geleugnet werden, daß beide Gefchichten in den ,Hauptgeopfert
wurden; am Vorabend fchlachtete jeder ein Ferkel vor feiner | motjven< (Vernichtung der Menfchen wegen ihres Frevels,

Rettung Einzelner) übereinftimmen, aber diefe Motive
find über die ganze Welt verbreitet und brauchen nicht
aus Ägypten zu flammen. 3. Die charakteriftifchen
Einzelheiten dürfen nicht verallgemeinert und die Un-
terfchiede nicht verwifcht werden, wie es Völter auf
Schritt und Tritt tut und wie es die angeführten Bei-
fpiele zur Genüge lehren. 4. Völter kennt die wiffen-
fchaftliche Literatur nur mangelhaft, zu feinem eigenen
Schaden. Denn teils könnte er feine Pofitionen
durch Gründe Anderer verftärken, die auf demfelben
Gebiete arbeiten, teils könnte er feine Thefen fo modifizieren
, daß fie nicht von vornherein abgelehnt werden.
Mit Ausnahme der ägyptifchen Forfcher nennt er faft
gar keine Namen und zitiert faft gar nicht, aber aus den
Ausführungen auf S. 60 ift zu fchließen, daß er nie
etwas von den Verhandlungen über Janchamu, aus denen
auf 116f., daß er nichts vom apfü, aus denen auf S. 128 ff.,
'aß er nichts von Stahn gehört hat.

Berlin-Weftend. Hugo Greßmann.

Pur und ,läßt es dann den Schweinehirten, der das Ferkel verkauft hat
fortnehmen'. Hier follen die Parallelen mit dem Paschafeft ,fofort ins
Auge fpringen'. Aber es fehlt ein Beleg für die Hauptfache, daß die
Ägypter an diefem Feile die tierifchen Erftgeburten darbringen. Ferner
foll die Schlachtung des Ferkels bei den Ägyptern der Schlachtung des
Paschalammes entfprechen. ,Bei den Ägyptern erfolgt die Schlachtung
vor der Tür des Haufes, und ift es offenbar ()) das Blut diefes Ferkels
gewefen, mit dem die Ägypter die von Epiphanius erwähnte, urfprünglich
gewiß (?) mit Blut ausgeführte Beftreichung vorgenommen haben.
Bei den Israeliten muß (?) das Lamm . . . ebenfalls vor der Türe des
Haufes gefchlachtet worden fein'. Im heutigen Paläftina benutzt man
häufig das Dach als Opferftätte, fodaß das Blut von oben über Pfoften
und Schwellen rinnt. Aber auch davon abgefehen und ungerechnet des
Unterfchiedes von Lamm und Ferkel, ift dennoch keine Parallele vorhanden
. Denn das I.amm wird gegeffen, das Ferkel aber von dem
Schweinehirten fortgetragen. So bleibt von den .auffallendften und ein-
gehendften Parallelen' fchlechterdings nichts übrig. Freilich hat Völter
die letzte Differenz wohl beachtet und fie fogar als ,wefentlich' bezeichnet
. Aber er fucht fich diefer Schwierigkeit zu entziehen. Das
Wegfenden des Ferkels mit dem Schweinehirten bedeutet .offenbar' eine
Gabe an den böfen Seth. Obwohl dies keineswegs .offenbar' ift, mag

es dennoch als möglich gelten. Nun aber entdeckt der Verfafier eine I daß er n; ht g h . * ^

neue Parallele zwifchen dem Ferkel und dem .Sündenbock', um dann I
weiter zu .vermuten, daß der Brauch, dem Azazel einen Bock in die
Wälle zu fenden, urfprünglich mit dem Paschafeft verbunden gewefen'
fei Indeffen beachtet er nicht, daß das Ferkel zuvor erft gefchlachtet
ward, ehe man es dem Schweinehirten übergibt und ehe diefer es angeblich
dem Gott überbringt, daß dagegen der Sündenbock lebendig
dem Azazel zugefchickt wird. Das Mazzothfeft endlich foll feinen Ur-
fprung in dem Feft zu Ehren der Erntegöttin Rannut gehabt haben, an
dem die Erftlinge der Feldfrucht dargebracht wurden. Aber obwohl
Völter ausdrücklich behauptet: .Grade jene Verbindung, in der wir Pascha
und Mazzoth bei den Israeliten finden, hat nun auch in der ägyptifchen
Religion ihr Analogon', bleibt er den Beweis fchuldig; denn von
einem Opfer der tierifchen Erftgeburt am Dankfeft der Rannut ift nicht
die Rede. So find die Thefen diefes Abfchnittes unhaltbar.

Mit den meiden anderen Paragraphen fleht es nicht
beffer. In Einzelheiten wird man Völter zuftimmen
können, fo z. B., wenn er die Befchneidung auf ägyptifchen
Urfprung zurückführt (S. 11), wenn er Parallelen
zwifchen dem Dekalog und dem Sündenbekenntnis der
Ägypter im 125. Kapitel des Totenbuches annimmt (S. 90),
wenn er in der Anlage der ägyptifchen Tempel das Vorbild
für das Heiligtum Salomos fleht (S. 116). Anderes
verdient, wohl envogen zu werden, namentlich was im
Anhang (S. 119fr.) über Simfon ausgeführt wird. Aber
das Buch als Ganzes, das außer Simfon auch Abraham
, Jakob, Mofe für mythifche Geftalten und die von
ihnen erzählten Sagen für ägyptifche Mythen erklärt, ift
verfehlt, aus folgenden Gründen: 1. Es muß als metho-
difcher Grundfatz gelten, daß man fremden Urfprung
für israelitifche Erzählungen nur da vermuten darf, wo
man zuvor aus inneren Gründen gezeigt hat, warum
fie nicht in Israel felbft entflanden fein können. Nur
wenn dies gefchieht, kann man auf zwingende Weife
die ,Parallelen' für .Entlehnungen' ausgeben. Da Völter
den allein möglichen Weg nicht geht, fo bleiben die
von ihm herangezogenen Mythen der Ägypter im gün-
ftigflen Falle .Parallelen', über deren Urfprung zunächft
nichts weiter ausgemacht, wird. 2. Erzählungen find nur
dann identifch, wenn fie in den wefentlichen Beftand-
teilen übereinftimmen. So behauptet Völter z. B., daß
fich in der Sage vom Untergange Sodoms der ägyptifche
Mythus von der Vernichtung des Menfchengefchlechtes
.wiederfpiegele' (S. 3). Der einzige Unterfchied fei ,im
Grund nur' der, daß es fich hier um ein Strafgericht
über die ganze Menfchheit handle, während es dort auf
Sodom befchränkt fei. In Wirklichkeit aber weichen
beide Erzählungen grade in den Hauptfachen von einander
ab. Die Bewirtung der drei Männer unter dem
Baume, der perfönliche Befuch der Gottheit und ihre
perfönliche Erfahrung von dem Frevel, kurz, die konfti-
tutiven Elemente der israelitifchen Sage fehlen im Ha-

Peters, Prof. Dr. Norbert. Die jüdische Gemeinde von
Elephantine-Syene und ihr Tempel im 5. Jahrhundert
vor Christi Geburt. Freiburg i. B., Herder 1910. (IV,
57 S.) gr. 8« M. 1.50

Daß der Verfaffer in Paderborn „von den wiffen-
fchaftlichen Zentralen ferngehalten ift", merkt man feiner
Abhandlung nicht an. Das große Werk von Sachau
(75 Tafeln und 30 Bogen Text), welches in diesem Jahre
bei Hinrichs in Leipzig erscheinen foll, konnte er natürlich
nicht beriickfichtigen, und die Ausbeute der fran-
zöfifchen Grabungen ebenfowenig, da ihre Veröffentlichung
durch Clermont-Ganneau auch noch ausfteht.
Aber von dem was publiziert ift, nicht bloß von den
Urkunden felber, fondern auch von der umfangreichen
und fehr zerftreuten Literatur darüber, wird ihm nichts
Nennenswertes entgangen fein. Es wäre nur zu wünfchen,
daß er ein Verzeichnis der von ihm gefammelten weit
über hundert Nummern beigegeben hätte.

Peters eignet fich das Urteil von Lidzbarski an, daß
den jüdifchen Papyri von Elephantine aus vorchriftlicher
Zeit, abgefehen von den Keil-Texten, auf femitifchem
Gebiete nichts an die Seite geftellt werden könne. Das
ift zu ftark ausgedrückt; nicht bloß die Stele des Mesa,
fondern auch einige phönizifche und (leider fchlecht zu
verftehende) aramäifche Infchriften können ihnen fehr
wohl zur Seite gefetzt werden. Aber allerdings ift ihre
Bedeutung fehr groß, fowohl in fprachlicher und graphi-
fcher Hinficht, als auch befonders in hiftorifcher. Es
fällt von ihnen aus ein ungeahntes Licht über die Juden
an der Südgrenze Ägyptens. Gegenüber der Behauptung
, diefe feien Nachkommen der exilierten zehn
Stämme, oder gar Samaritaner, hält Peters mit Recht
daran feft, daß fie richtige Judäer feien, meint aber, über
die Zeit und den Anlaß ihrer Anfiedlung in Elephantine
und Syene laffe fich vorläufig nichts Gewiffes fagen.
Nur die von Smend ausgefprochene Vermutung, daß fie
urfprünglich eine perfifche Militärkolonie waren, fcheint
ihm ficher. Er findet fie entfcheidend beftätigt durch
einen von Sachau in der Sitzung der Berliner Akademie
vom 3. Dezember 1908 befprochenen Papyrus, während
er den aus dem Namen Varizat (Cowly K2) hergenommenen
Einwand dagegen damit entkräftet, daß die Lefung ganz
zweifelhaft fei. Er will aber keineswegs ausfchließene
daß zu dem militärifchen Grundftock recht bald jüdifche