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Ausgabe: | 1911 Nr. 8 |
Spalte: | 227-228 |
Autor/Hrsg.: | Friedlaender, Ludwig |
Titel/Untertitel: | Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von August bis zum Ausgang der Antonine. 8., neu bearb. u. verm. Aufl. 4 Tle 1911 |
Rezensent: | Wendland, Paul |
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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 8.
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Friedlaender, Ludwig: Darftellungen aus der Sittengeich ichte
Roms in der Zeit von Auguft bis zum Ausgang der
Antonine. Achte, neu bearbeitete und vermehrte
Auflage. Vier Teile. Leipzig, S.Hirzel 1910. (XXXIII,
593; XII, 605; X, 415 u. IX, 440 S.) gr. 80 M. 42 —;
geb. M. 52 —
März 1862 ift die Vorrede der erften Auflage datiert.
Uie Arbeit der Abfaffung und Vervollkommnung des
Werkes, mit dem die Kommentare zu Martial, Petronius,
Juvenal und manche kleinere Arbeiten in enger Verbindung
ftehen, erftreckt fich alfo über ein halbes Jahrhundert
. Wie ein Nachwort Dehios mitteilt, ift der Ver-
faffer am 26. Dezember 1909, kurz nachdem er die neue
Bearbeitung zu Ende geführt hatte, fünfundachtzigjährig
geftorben.
Die voraufgehende Auflage war befonders im Ab-
fchnitt über das Chriftentum und den Unfterblichkeits-
glauben bereichert worden; mit unermüdlichem Fleiß j
hatte der Greis von den neueren Forfchungen auf diefem
Gebiete gelernt, foweit es für feine Zwecke nötig fchien.
Aber diefe Auflage hatte leider dem Forfcher eine empfindliche
Einbuße gebracht, indem auf Wunfeh des Verlegers
Noten und Exkurfe ausgeladen waren. Erfreulicherweife
find fie wieder zu ihrem Rechte gekommen,
und erft dadurch ift das Werk wieder recht nutzbar geworden
. Auch wer einzelne Urteile Friedlaenders fich j
nicht ganz aneignen kann, findet meift in den Noten
alles wefentliche Material gefammelt, auf das er fein
eigenes Urteil gründen kann. So hat Fr. verbreitete
Anfchauungen über den römifchen Luxus befonders
durch Vergleichung mit andern Zeiten als unhaltbar er-
weifen wollen. Die Mißlichkeit folcher Vergleichungen
verhehlt er fich nicht (III 3). Und ich meine in der Tat,
fo richtig Fr. manche Übertreibungen zurückweift, wird
doch, wer die m. E. wefentlichen Momente, das Verhältnis
des Luxus zum wirklichen Befitz und zur allgemeinen
Lebenshaltung (die von Fr. hervorgehobene Mäßigkeit I
des Südländers ift befonders zu beachten), das unvermittelt
rafche Aufkommen des Luxus erwägt, zu einem un-
günftigeren Gefamturteil kommen und die ftarke Reaktion
der Moralpredigt wie der verbreiteten asketifchen
Tendenzen beffer verftehen.
Fäner Inhaltsangabe bedarf es nicht. Der 4. Band,
der Bildungswefen und Literatur, religiöfe Zuftände,
Philofophie als Erzieherin zur Sittlichkeit, Unfterblich-
keitsglauben behandelt, ift für theologifche Forfchung
von befonderer Bedeutung. Wie in den andern Bänden,
fo findet man befonders hier neue literarifche Nachweife
und Zufätze. Umgeftaltet ift z. B. auf Grund der neueften
Forfchungen, befonders Cumonts, die Überficht über die
Ausbreitung der orientalifchen Religionen S. 155ff.
Öfter find Fr. wichtige neuere Arbeiten entgangen, fo S. 128 ff.
(Dämonenlehre, f. Tamborini, Religionsgefch. Verfuche und Vorarbeiten
VII 3, wo reichliche Literaturnachweife gegeben werden), 138 (Chronologie
des Rhetors Ariftides, f. bef. E. Schwartz, Abb.. Gef. Gött. Philol.-
hift. Klaffe VIII6, S. 130 ff.), 152 (von Domaszewski, die Religion des
römifchen Heeres), 162 fr. (Herrfcherkult, f. die Nachweife in der Th. L. Z.
1911 Sp. 8 ff. angezeigten Schrift Bauers), 194 (Gebet, f. H. Schmidt,
Religionsgefch. Verfuche IV1). FUr die Legende von Senecas Verhältnis
zu Paulus (273 ff.) verweife ich auf Bickel, Rh. M. LX 505 ff.,
für die Chronologie des Paulus (275) auf Schwartz. Harnacks Miffion
wäre öfter mit Nutzen zitiert worden.
Die Behandlung der Philofophie hätte ihren natürlichen
Abfchluß im Neuplatonismus, zu dem die ganze
Entwicklung feit Pofeidonios gravitiert, gefunden. Unzureichend
find die den gegenwärtigen Stand der
Forfchung nicht wiedergebenden Ausführungen über
Aftrologie (76) und über heidnifche Elemente im Chriftentum
(279—281). Für den Jenfeitsglauben war auch
Nordens Kommentar zur Aeneis VI zu verwerten, und
ich empfehle fehr die Lektüre des jüngft erfchienenen
anziehenden Auffatzes Cumonts: Bibl. de vulgarisation
du Musee Guimet XXXIV 1910, wo die Einflüffe fremder
Kulte zu ihrem Rechte kommen. Auch einige wenige
literarifche Hinweife für die andern Bände möchte ich
dem künftigen Editor empfehlen:
Zu I 514 (534) die für Zauberwefen • wichtige Arbeit von Abt,
Religionsgefch. Verfuche IV 2, zu I 529 (fabulatores) Reitzenfteins Wundererzählungen
. Das Amor und Pfyche (544 ff.) zugrunde liegende Märchen ift
in einer guten Leipziger Diff. von Bock 1901, das Fortleben des Stoffes
(I 553) ausführlich von Stumfall, Münchener Beiträge zur romanifchen
und englifchen Philologie XXXIX behandelt worden. Für das Räuber-
unwefen (II 48) geben die älteften Mönchsgefchichten, in denen auch
noch zum Teil alte novelliftifche Räuberromautik fich erhalten hat,
manches Zeugnis. Zu den Weltwundern (II 171) vgl. Diels, Laterculi
Alexandrini 9. Für Gefchichte der Gymnaftik (II 492 ff.) hat die wich-
tigflen Beiträge Jüthner in feiner Ausgabe von Philoftrats Schrift über
Gymnaftik, Lzg. 1909, gegeben. Als Verfafferin der Peregrinatio wird
II 207 noch fälfehlich Silvia genannt (f. Meiner, Rh. M. LXIV).
Der künftige Editor wird manche Hinweife auf ältere
Literatur (z. B. IV2753) durch folche auf neuere Arbeiten
zu erfetzen, manche Zitate veralteter Ausgaben (IV 204'-.
2053. 2142. 388'2), die fchwer aufzufinden find, zu ändern
haben. Ferner fähe ich gern die vier Regifter durch
ein Gefamtregifter erfetzt, da man oft Zufammengehöriges
jetzt in 3 oder 4 Regiftern fuchen muß. Durch folche
Nachbefierungen und Nachträge neuerer Literatur wird
das Werk, das einen fo befcheidenen Titel trägt und
eine fo reiche Fundgrube des Wiffens ift, ohne tiefere
Eingriffe in den Text noch auf Jahrzehnte feinen Platz
behaupten können.
Göttingen. Paul Wendland.
Völter, Prof. Dr. Daniel: Ägypten und die Bibel. Die Ur-
gefchichte Israels im Lichte der ägyptifchen Mythologie
. 4., neubearbeitete Auflage. Leiden, Buchhan-
lung u. Druckerei, vorm. E. J. Brill 1909. (VIII, 135 S.)
gr. 8° M. 2.50
Das vorliegende Buch ift nach dem Vorwort in der
vierten Auflage .durchaus neu bearbeitet, auch einigermaßen
vermehrt'. Der Verfaffer verweift mit Recht darauf
, daß die neuen Ausgrabungen in Paläftina einen
Marken ägyptifchen Einfluß auf die Kanaaniter und Israeliten
kennen gelehrt haben. Der Verfuch, Einwirkungen
der ägyptifchen Mythologie im Alten Teftamente auf-
fpüren zu wollen, ift darum von vorn herein nicht nur
berechtigt, fondern erfcheint auch als ausfichtsvoll.
Mancherlei Berührungen und Zufammenhänge find bereits
behauptet und mehr oder minder ficher feftgeftellt
worden. Ich habe Völters Schrift daher mit großen
Erwartungen zur Hand genommen, zumal nach dem
Vorwort keine andere Mythologie als eben nur die ägyp-
tifche eine .fortlaufende, zufammenhängende, enge Paral-
lelifierung mit jenen altisiaelitifchen Überlieferungen geplattet
'. Üm die Arbeitsweife des Verfaffers zu beleuchten
und feine Ergebniffe nachzuprüfen, fei aufs Geratewohl
der Abfchnitt herausgegriffen, der den ,Gott vom Sinai
und fein Feft' behandelt (S. 70—86).
Völter gibt zunächft eine Analyfe der mit dem Auszug verbundenen
Fefte, der man im großen und ganzen zuftimmen kann. Jedenfalls
behauptet er mit Recht, daß der Ritus, wonach Blut an Türpfofteu und
Schwelleu geftrichen wird, uralt fei, obwohl erft fpät bezeugt. Auch die
Vermutung, daß diefer Paschabrauch urfprünglich häuslichen Charakter
trug, und daß man zwifchen Jahve und dem umhergehenden Verderber
unterfcheiden muffe, leuchtet durchaus ein. Aber wie will man beweifen,
daß der Verderber ein Jahve feindlicher Gott oder Dämon gewefen fei?
Er erfcheint in der uns vorliegenden Überlieferung überall als ein untergeordneter
Diener Jahwes. Wenn auch die Erftgeburt der Israeliten bedroht
wird, fo ift diefe Tatfache fchwerlich aus einem Israel oder Jahve
feindlichen Gegengott zu erklären, denn dafür fehlen alle Parallelen im
Alten Teftamente, fondern eher aus der älteren, gut bezeugten Forderung
der (tierifchen und) menfehlichen Erftgeburt durch Jahve felbft. Völter
unterfcheidet drei Beftandteile: den Blutritus, die Darbringung der tierifchen
Erftlinge und das Opfer der ungefäuerten Brote. Seine Thefc
lautet, daß zu diefen Beftandteilen die ägyptifchc Mythologie ,die auf-
fallendften und eingehendften Parallelen' biete. I. erinnert Völter an
eine Stelle bei Epiphanius (Haer. XVIII, 3), wonach die Ägypter um die
Zeit des Pascha ihre Tiere und Bäume mit Rötel beftrichen, um Krankheiten
abzuwehren. Damit fei bereits ,ein Anhaltspunkt gewonnen für
die Annahme, daß das Paschafeft ägyptifchen Urfprungs' fei. Das ift