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Ausgabe:

1911 Nr. 7

Spalte:

196-197

Autor/Hrsg.:

Puukko, A. Filemon

Titel/Untertitel:

Das Deuteronomium. Eine literarkritische Untersuchung 1911

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 7.

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Übergänge von roheften, grob finnlichen Vorftellungen und
brauchen bis zu zarter Spiritualifierung.

Jefu jungfräuliche Geburt wird mit Ufener auf grie-
chifche Anfchauung zurückgeführt; die Einwirkung des
Glaubens, daß das der Gemeinfchaft mit Gott gewürdigte
Weib die övvovOia mit einem Menfchen zu meiden habe,
auf den chriftlichen Vorftellungskreis wird dargelegt,
ebenfo das Fortleben allgemein verbreiteter Anfchauungen

delphifche Religion vgl. Wilamowitz, Greek historical writing and Apollo,
Oxford 1908.

Göttingen. Paul Wendland.

Puukko, Doz. Dr. A. Filemon: Das Deuteronomium. Eine
literarkritifche Unterfuchung. (Beiträge zur Wiffen-
fchaft vom Alten Teftament. Herausgegeben von

der Liebesvereinigung mit Gott im chriftlichen Asketen- R' KitteL Heft 5-) Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buch

tum und Mönchtum (vgl. S. 217°). Auf den Glauben
daß lüfterne Dämonen fchöne Frauen, weibliche Dämonen
Männer rauben (S. 192, vgl. 402. 92), verweife ich des
Buches Tobith wegen. — II. Gefchlechtlicher Verkehr befleckt
(f. o. Sp. 131), die Anfchauung ift im Kult, im Mythus,
in der Literatur oft bezeugt. S. 33. 34 werden Beifpiele
des A. T., S. 39. 40 I Kor. 11,2 ff. befprochen. — III
behandelt die Wortfippe ayveia in Bedeutung und Be-
griffsumfang. — IV. Als Wirkung der Keufchheit erfcheint
Verleihung befonderer (zauberhafter) Macht und Sicherheit
vor böfen Einwirkungen. — V. An die Priefter als
Mittler des Verkehrs mit der Gottheit pflegen befonders
Forderungen der Reinheit und Keufchheit geftellt zu werden.

K. VI S. 75—154 Hellt das Material der Keufchheits

handlung 1910. (VIII, 303 S.) gr. 8° M.6 —;geb.M.7—

Seit 17 Jahren hat das Dtn. im Vordergrund der
literarkritifchen Unterfuchungen über das A.T. geftanden.
Die Zahl der dies Buch betreffenden Probleme und ihrer
Löfungsverfuche ift gewaltig angewachfen; eine erneute,
allfeitige Unterfuchung, die zu allen bisherigen Arbeiten
kritifch Stellung nimmt und für die noch ftrittigen Fragen
eine neueLöfung vermehrt, ift daher keineswegs überflüffig.
Mit Freude und Genugtuung kann ich konftatieren, daß
das, was ich in meinen Erftlingsarbeiten über das Dtn.
geäußert habe, in weitem Umfang fleh als ftichhaltig er-
wiefen und Anerkennung gefunden hat. Dafür ift auch
das Buch P.'s ein Zeugnis; denn auf weite Strecken fchiießt
fleh P. meiner Quellenanalyfe und meiner Beurteilung der

vorfchriften bei Griechen und Römern zufammen, unter- | Quf,!len an und verteidigt fie gegen Einwände anderer,
fchieden als Vorfchriften für Priefter und Priefterinnen,
für andere Kultbeamte, für Laien, innerhalb diefer Abteilungen
nach Göttern geordnet. Vorftellungen von
Mantik, Infpiration und Enthufiasmus (S. 79 ff.), die Vor-
fchrift, daß die Priefterin nur mit einem Manne verkehrt
habe (S. 1062 F. vergleicht die bekannten Stellen der
Paftoralbriefe), Unterfcheidung von Gläubigen und Pro-
felyten im Ifiskult (S. 137) feien aus der Fülle des gut
geordneten Materiales beifpielsweife als einige der Beobachtungen
, die den Lefern diefer Zeitfchrift bemerkenswert
fein werden, hervorgehoben. Religionsgefchichtlich
wertvoll ift befonders die Erkenntnis (S. 154), daß die
Mehrzahl der Keufchheitsvorfchriften in die helleniftifch-
römifche Zeit gehört und daß diefe Gebote in fremden
Kulten eine große Rolle fpielen.

Auf ein kurzes Kapitel über Keufchheitsfriften, das für

Daß mein Urteil in allen Punkten Anerkennung finden
würde, konnte und durfte ich nicht erwarten, und in einer
in naher Ausficht flehenden Neubearbeitung meines
Kommentares über das Dtn. werde ich Gelegenheit haben,
zu zeigen, daß ich aus den neueren Arbeiten gar manches
gelernt habe, befonders auch von P. Mit Rückficht darauf,
daß ich mich da im einzelnen genauer mit ihm auseinanderfetzen
muß, kann ich mich hier auf einige Hauptpunkte
befchränken.

P. behandelt zuerft (S. 1—90) den Bericht II Reg. 22—23,
erörtert die Frage, worauf fleh die Reform Jofias gründet
(nicht auf den Gefamtpentateuch, das Bundesbuch, die
Gefetze von Ex. 34, den Dekalog, das Heiligkeitsgefetz,
fondern auf das Dtn., deffen urfprünglicher Umfang freilich
noch genauer zu ermitteln ift), und unterfucht die Stellung
der vorjoflanifchen gefchichtlichen Literatur und Propheten
zur Idee der Kultuskonzentration. Hier befteht eine Dif-

yolkstümlich religiöfe Zahknfymbolik von Wert ift, folgt ferenz zwifchen uns faft nur bezüglich der Kultusreform
K. VIII Jungfräuliche Gottinnen. IlaQiHvoc, begegnet, oft Hiskias II Reg. 18,4. P. meint mit den meiften Neueren,

fynonym mit xopt], als Kultbenenung. In lokal begrenzten
Kulten findet fleh öfter eine Mehrzahl jungfräulicher Göttinnen
. Jungfräuliches und mütterliches Wefen find bei den
weiblichen Gottheiten nicht fcharf gefondert. Mütterlichkeit
war in manchen Kulten, in älterer Zeit wohl auch in Athen,
Charakterzug Athenas. — Die Ausführungen diefes Kapitels
enthalten manches, was geeignet ift, Stimmungen
und Motive des Marienkultes aufzuklären.

Auf K. IX (,Kultifche Keufchheit in der römifchen
Religion') folgt (X) eine Überficht über die Entwickelung:
Primitive Vorftellungen von (gefchlechtlicher) Gottes-
gemeinfehaft, ihre Verweltlichung bei Homer und ihre
Umdeutung unter dem Einfluß eines verfeinerten fittlichen
Empfindens, Einfluß des delphifchen Apollo, derDionyfos-
religion und der Orphik, volkstümliche ftrengere Anfchauungen
vom Gefchlechtsverkehr, die von Plato ausgehende
und durch mancherlei Einflüffe fich verftärkende
myftifche, asketifche Richtung der Philofophie und die
dadurch geförderte Geringfehätzung der Ehe und des
Gefchlechtsverkehrs (die ftark auf das Chriftentum eingewirkt
hat, S. 2366.) werden in einer gedankenreichen
Betrachtung als wefentliche Momente diefer Entwickelung
betrachtet.

Einige Einzelheiten berühre ich noch. S. 7. 81: Die von Infpiration
handelnden Stellen der Schrift llspl vipoVQ find kürzlich von Reitzenftein,
Myfterienreligioneii S. 149, befprochen worden. S. 93 vermilfe ich den
Hinweis auf Wilamowitz, Die Amphiktionie von Kaiaurea, Gött. Nachr.
1896 S. 158 fr. S. 193: Das Zitat ,Pf. Alkidonnas I 670' ift unverftänd-
lich; gemeint ift der Odyffeus § 13fr., Bekkers Oratores V 670; zitiert

fie für ungefchichtlich halten zu müffen. Darin kann ich
nicht nachgeben: das Perf. mit Waw cop. ift hier, wo es
fich um eine bloße Aufzählung, nicht um Erzählung handelt,
durchaus das Normale; daß die Propheten des 8. Jh. die
Konzentration nicht gefordert haben, beweift nicht, daß
Hiskia fie nicht einführen konnte, hat doch Jofia fie eingeführt
, obwohl weder Sephanja noch Jeremia fie forderten;
es hat ficher mehr einflußreiche Perfonen gegeben, als wir
wiffen, namentlich in Priefterkreifen.

Im zweiten Hauptteil (S. 91—269) Hellt P. fich die
Aufgabe, aus unferm Dtn. das Urdtn. Jofias herauszu-
fchälen. Nach Aufweis der Anläffe der kritifchen Analyfe
(S. 93—114) behandelt er zunächft die gefchichtliche Umrahmung
Kap. 1—4. 31—34 und das ifolierte Kap. 27
(S. 114—147). Hier ftimmt P. meift mit mir überein.

Nur Kap. 4 faßt er anders auf, nämlich als eine Kap. 5— 11 und
28—30 parallele parünetifche Umrahmung einer exilifchen Sonderausgabe
des Gefetzes, das zwifchen V4 und 5 eingefchaltet war. Dadurch wird
der perfektifche Rückweis auf die Gefetzesmitteilung in v5 gut erklärt.
Doch kann ich nicht zuftimmen, weun P. 4,1 ff. von Kap. 1—3 abtrennt
und der exilifchen Zeit zuweift. Da er zugibt, daß an Kap. 4 mehrere
Hände tätig waren, da Gründe für exilifche Abfaffung in vi—8 nicht
vorliegen, und da vi—4 am natürlichften als Fortfetzung von Kap. 1 — 3
aufgefaßt werden, die als vorexilifch auch von P. anerkannt find, ift die
Sonderausgabe für vorexilifch und nur die Erweiterung der Schlußparänefe
4,5 fr. in V9ff. für exilifch zu halten.

Sodann analyfiert P. den paränetifchen Rahmen
Kap. 5—XI- 28—30 (S. 148—229). Meine Ausfcheidung
des Rahmens mit fingularifcher Anrede (Sg.) erkennt er
im ganzen als richtig an; daß er den Umfang in Kap. 10f.

wird aber in Wahrheit ein veralteter, fehlerhafter Text. S. 225: Über i 28. 30 etwas befchneidet, ift Uliwefentlich. Auch bezüglich