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Ausgabe:

1911 Nr. 6

Spalte:

187

Autor/Hrsg.:

Schullerus, Adolf

Titel/Untertitel:

Alltags-Christentum. Predigten 1911

Rezensent:

Schian, Martin

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i87

Theologifche Literaturzeitung 1911 Nr. 6.

188

Die .Predigten und Anfprachen bei befonderen Gelegenheiten
' (27—36) find an Feften des Guftav-Adolf-
Vereins, des Rheinifchen Kirchengefangsvereins, des
Calvin-Jubiläums, der Einführung des neuen Gefangbuches,
einer Orgelweihe, des Leipziger Bachfeftes ufw. gehalten.
Auf die ebenfo ergreifende wie liebliche Predigt beim
Jahresfeft der Blödenanftalt (über 1. Mofe 28,16. 17) mache
ich befonders aufmerkfam. Die Verwertung der kafuellen
Unterlage ift geradezu meifterhaft. Als Predigten, alfo
abgefehen von der liturgifchen Umrahmung, find fie den
Akademifchen Predigten mindeftens ebenbürtig.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Schullerus, Stadtpfr. D. Adolf: Alltags-Chriltentum. Predigten
, gehalten in der ev. Pfarrkirche zu Hermann-
ftadt (Siebenbürgen). (Moderne Predigt-Bibliothek.
VII. Reihe, 4. Heft.) Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
1910. (102 S.) 8° M. 1.20; geb. M. 1.80

Wir freuen uns der in letzter Zeit ftärker einfetzenden
theologifchen Mitarbeit aus dem räumlich weit entfernten,
geiftig uns eng verbundenen Siebenbürger Land. Wir
freuen uns auch diefer Predigtgabe von der Kanzel der
altehrwürdigen Hermannftadter Stadtkirche, weil fie ein
neues Zeugnis diefer engen Gemeinfchaft ift. Sch. wandelt
die Bahnen der modernen Homiletik; er hat fich vom
Schema freigemacht, meidet alle religiöfe Phrafe, läßt
das Dogma dahinten, greift ins frifche Leben ein, erörtert
ernft und praktifch Fragen aus der täglichen Arbeit,
private Herzensnöte und öffentliche Angelegenheiten.
Dabei knüpft er zumeift recht energifch an einen Text
an, und erörtert ihn anfchaulich-gefchichtlich. Die Themata
find fehr konkret: Das Recht auf Freude; Der Weg zur
Freude; Die Grenzen der Freude; Wir und unfere Kinder;
Rückficht auf den Nächften. Die Behandlung ift den Inter-
effen der Gemeinde angepaßt; der Kirchenbefuch in der
eigenen Kirche (S. 65), die Tätigkeit der Hermannftadter
Diakoniffen (S.66) werden erwähnt; der heimifche Dichter
Michael Albert wird mehrmals zitiert. Eine gebildete
Hörerfchaft ift vorausgefetzt; auch für fie find die Ausdrücke
allerdings hier und da recht hoch gegriffen; einige
Predigten haben fogar etwas von der Art der Abhandlung
an fich; z. B. Das Problem der chriftlichen Ehe; Die
Frau im öffentlichen Leben. An manchen Stellen geht
die theologifche Unbefangenheit reichlich weit: z. B. in
dem dankbaren Gedenken an D.F.Strauß (S. 15); aber
nirgends ftört dogmatifche Polemik, auch nicht in der
Ofterpredigt über Mc. 16,7. Gelegentlich wünfcht man
den fpezififch religiofen Klang noch fchärfer herauszuhören
: mußte nicht z. B. in d:n Predigten über die Freude
das frohe Sein der Seele mit Gott mehr betont werden,
als S. 16 f. gefchieht? In der das Alltagsleben religiös-
ethifch durchhauchenden und verklärenden Haltung liegt
die Eigenart diefer Predigten, die von Pietismus keine
Spur zeigen. Das Recht diefer Art ift unbeftreitbar; ein
Alleinrecht aber wird auch Sch. ihr nicht zufprechen
wollen.

Gießen. M. Schian.

Referate.

Kittel, Prof. D. Rudolf: Die alttettamentllclie Wirientchaft in ihren

wichtigften Ergebniffen mit Berückfichtigung des Religionsunterrichts
dargeftellt. Mit 6 Tafeln und 10 Abbildungen im Text. Leipzig,
Quelle & Meyer iqio. (VIII, 224 S.) 8» M. 3 —; geb. M. 3.50
Der Titel deutet fchon an, daß das Büchlein nicht der Förderung
der altteftamentlichen Wiffenfchaft dienen, fondern ihre wichtigften Er-
gebniffe (mit möglichfter Bezeichnung des Grades ihrer wiffenfchaftlichen
Sicherheit) zufammenftellen und, wenigftens andeutungsweife, auf den
Religionsunterricht der Schule anwenden will. K. bietet hier den Inhalt
feiner 6 Vorträge, die er auf Wunfeh des Kgl. Sachs. Kultusminifteriums
für Volksfchullehrer gehalten hat. Er ordnet: I. Ergebniffe auf Grund
der Ausgrabungen, II. E. a. G. der Literarkritik, III. E. a. G. der ge-
fchichtlichen und religionsgefchichtlichen Forfchung. Ein Anhang enthält
Mitteilungen aus den angefchloffenen Befprechungen, meift pädagogifcher

Art. — Eine fachmännifche Kritik ift hier natürlich nicht am Platz, (ich
würde mich im wefentlichen, foweit ich urteilen darf, ähnlich ftellen wie
Nowack in feiner ausführlichen Anzeige von Kittels Gefchichte des
Volkes Israel; 1910, Sp. 649 ff ). Es genügt, dem VerfalTer für das überaus
lehrreiche, klar und warm gefchriebene, mit vortrefflichen Abbildungen,
einem brauchbaren Regifter und einer (etwas knappen) Literaturangabe
ausgeftattete Buch den aufrichtigen Dank der Religionslehrerfchaft aus-
zufprechen.

Hannover. S c h u ft e r.

Das Leben Kaller Heinrich des Vierten. Nach der Ausgabe der Monu-

menta Germaniae überfetzt von Philipp Jaffö und W. Wattenbach.

Vierte, neubearbeitete Auflage von W. Eberhard. (Die Gefchicht-

fchreiber der deutfehen Vorzeit. Band 50.) Leipzig, Dyk (1910).

(XXVIII, 56 S.) 8» .. M. 2 —

Die vierte Auflage diefer trefflichen Überfetzung ift von W. Eberhard
hergeftellt nach feiner Ausgabe des in den Monumenta Germaniae
erfchienenen lateinifchen Textes (3. Auflage, Hannover 1900); ße bat die
neueren Forfchungen forgfältig berückfichtigt, durch inftruktive Anmerkungen
den Wert der Schrift als Gefchichtsquelle und ihre literarifche
Eigenart, d. h. die Abhängigkeit ihrer Form von gefchätzten Vorbildern
anlchaulich zu machen gewußt.

Es ift durchaus zu billigen, daß der Bearbeiter fowohl Taffes wie
Wattenbachs Einleitung wieder abgedruckt hat; denn beide find lehrreich
für den Gang der Unterfuchungen über den Verfaffer der Vita und ihren
Charakter. Ihre Angaben find von Eberhard fortgeführt worden; er
kommt in feinem kritifchen Referate über die neueren Arbeiten zu dem
Refultate, daß es wenn nicht völlig erwiefen, fo doch höchft wahrfcheinlich
fei, daß Bifchof Erlung von Würzburg die Vita, und zwar bevor er fein
Bistum wieder erhalten, Ende 1106, gefchrieben habe; eine Annahme, die
wie mir fcheint durch die beften Gründe geftützt wird.

Kiel. G. Ficker.

Bibliographie der Schweizerilchen Landeskunde. Unter Mitwirkung der

hohen Bundesbehörden, eidgenöffifcher und kantonaler Amtsftellen
und zahlreicher Gelehrter herausgegeben von der Zentralkommiffion
für fchweizerifche Landeskunde. Faszikel V 5: Kirchliche Und
religiöfe Gebräuche. Bearbeitet von Doz. Biblioth. Dr. Franz
Heinemann. Heft IV der Kulturgefchichte und Volkskunde (Folklore
) der Schweiz. Bern, K. J. Wyß 1910. (XII, 195 S.) 8" M. 2.50
Auf diefe Bibliographie feien die Kirchenhiftoriker und Folkloriften,
auch die praktifchenTheologen, foweitfie für die „Kirchenkunde" intereffiert
find, nachdrücklich aufmerkfam gemacht. Zur Ergänzung muß man das
weitere Heft: „Aberglaube, geheime Wiffenfchaften, Wunderfucht" heranziehen
. Den reichen Inhalt glaube ich am beften kennzeichnen zu können,
wenn ich die Dispofition angebe: I. Allgemeines. Quellen. II. Die einzelnen
Kantone (die Literatur zu ihrer Gefchichte in chronologifcher Ordnung).
III. Spezieller Teil: i. Abendmahl, 2. Ablaß, 3. Begräbnis, religiöfe Beerdigungsgebräuche
, 4. Beichte, Beichtfpiegel, 5. Bettag, 6. Bibellefen,
7. Bildverehrung, 8. Bruderfchaften, 9. Chorgericht, Ehegericht, 10. Drei-
könig-Festfpiel, 11. Ehe in ihrem kirchlich-religiöfen Charakter, 12. Eid,
13. Einkommen der Geiftlichen und der Kurie, 14. Einfiedlerleben, 15.
Fafttagbrauch, Faftengebot, 16. Fefte, kirchliche und religiös-profane,
17. Gebete und Gebetbücher, 18. Geiftlichkeit (Leben und Sittenreform),
19. Heiligfprechung, 20. Heiligen-Kalender, 21. Katechefe, 22. Kirch-
weihfeft, 23. Liturgie, 24. Marienverehrung, 25. Melle, 26. Millionen,
27. Myfterien-, Weihnachts-, Öfter- und Heiligenfpiele, 28. Nuntien,
29. Ordensgeiftlichkeit und Klofterleben, 30. Paftoration, 31. Patrone,
hlg. Patronatsfefte, 32. Pilgerreifen, Wallfahrten (fehr forgfam nach den
einzelnen Orten gruppiert), 33. Predigt, 34. Priefterehe, 35. Prozeffionen,
Bittkreuzgänge, 36. Reformations-Feiern (fetzen mit 1619 ein), 37. Reliquienkult
, 38. Sakramente, 39. religiöfe Schwärmerei, Sektenwefen und
Sektenverfolgung, 40. Sonntagsheiligung, 41. Taufe und Tauffitten,
42. Vifitationen, 43. Weihungen (Weihwaffer, Wetterläuten etc.).

Soweit ich fehen konnte, ift innerhalb der einzelnen Rubriken fehr
forgfältig gebucht, ein Autorenregifter ift beigegeben. Die Schweiz
kann auf diefes ausgezeichnete, bequem benutzbare Werk ftolz fein.
Möchte die Religionsgefchichte in weiteftem Sinne davon Nutzen ziehen !
Zürich. Walther Köhler.

Sinaibriefe an meinen NeffenFritz. Eine moderne Gloffe von einem Rechtsgelehrten
. Neuwied, J. Meincke (1910). (IV, 132 S.) gr. 8U. M. 1.80
In der Form von Briefen an feinen Neffen Fritz entwickelt der ungenannte
Verfaffer, offenbar ein Jude, im Anfchluß an die 10 Gebote
eine populäre Ethik. Die Gedanken des Verfaffers find umfichtig und
felbftändig. Den Studenten und anderen jungen Leuten kann das Buch
helfen zu fittlicher Selbftbefinnung und Fertigung. Was der 13. Brief
über die gefchlechtlichen Fragen ausführt, ift z. B. in hervorragendem
Maße geeignet, in junge Gemüter Klarheit über diefe Fragen zu bringen,
befonders deswegen, weil die „Perfönlichkeitsenergieeu", die hier für die
fittliche Beurteilung entfeheidend find, von dem Verfaffer in erfter Linie
betont werden.

Gotha. Fiebig.

Mitteilungen.

15. Zu Luc. 10,34: „Er (d.h. der barmherzige Samariter)
verband feine Wunden und goß hinein Öl und Wein." Zu
diefer Stelle bemerkt A. Jülicher, Die Gleichnisreden Jefu, II (1899),
S. 590: „Lc hat nach Meinung der Väter eine Mifchung von Öl und