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Ausgabe:

1910 Nr. 6

Spalte:

172-174

Autor/Hrsg.:

Robert, G.

Titel/Untertitel:

Les Écoles et l‘Enseignement de la Théologie pendant la première moitié du XIIe siècle 1910

Rezensent:

Heim, Karl

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171 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 6. 172

oder ift damit der befondere Stand der Gemeindeexor- I
ziften gemeint? N. m. M. ift das erftere der Fall (vgl. I
Akten des Konzils von Konftantinopel v. J. 536 bei j
Man(i VIII, imd). Erörtert werden mußte diefe Frage
auf alle Fälle. — Weiter fcheint es mir, gerade
nach Krolls Ausführungen (a. a. O. S. 46 ff.), unumgänglich
zu fein, der Frage nachzugehen, ob denn nicht die j
Änderung des Namens in der Taufe mit exorziftifchen
Vorftellungen zufammenhängt: ändert man den Namen,
fo weiß einem der Dämon nicht mehr zu finden;
nimmt man einen heiligen Namen an, fo gewährt er
Schutz gegen ihn. Wenn ferner U. im allgemeinen —
ficher mit vollem Recht — behauptet, daß viele Bräuche
und Formeln des Taufexorzismus ihren Urfprung im j
Exorzismus der Befeffenen haben, fo ift doch die umge- j
kehrte Möglichkeit auch ins Auge zu faffen und ge- I
gebenenfalls genauer zu unterfuchen, ob nämlich nicht
allerlei Gebete ufw. aus dem Taufritual in das Ritual
des Krankenexorzismus übergegangen find. — S. 88 ff.
handelt D. vom ,Exorzismusbrot' und ,Exorzismuswaffer' 1
als Speife und Trank der Katechumenen. Zur vollen
Klarheit darüber, worum es fich eigentlich handelt,
bringt aber D. die Sache nicht. Es erweckt den Eindruck
, als fei in befonderem Akte den Katechumenen
dies Brot und dies Waffer gereicht worden. Allein nach
den angezogenen Stellen aus der ägyptifchen Kirchen- |
Ordnung handelt es fich um die Apagen. An ihnen j
nahmen auch die Katechumenen teil; doch follen fie ge-
fondert fitzen. Bei jeder Apage wurde geweihtes Brot 1
{zvXoyia oder Brot des i^oQXiOpög) und ein geweihter
Becher ausgeteilt und davon follen auch die Katechumenen
erhalten. Das ift der Sinn jener Stellen. Streng
genommen haben fie alfo mit dem Taufexorzismus nichts j
zu tun. Ebeniowenig wird der Lefer an fich das Zitat
aus einer alten ägyptifchen Taufliturgie S. 90 verftehen,
noch weniger, wie die mitgeteilte Stelle eine ausführliche
Befchreibung der Worte in der Penegrinatio Eucheriae
(richtiger Aetheriae) c. 46 fein könne: ,Consuetudo est enim
hic taiis, ut qui accedunt ad baptismum per ipsos dies
quadraginta quibns ieiunatur, primum mature a clericis
exorcizentur1. Über jene Stelle habe ich in Zeitfchrift f. j
Kirchengefch. XXVIII, 1907, S. 153 ff. gehandelt. Es handelt
fich um eine Darbringung der Kompetenten von Brot, 1
Waffer oder Öl während der Kompetentenzeit, die fie, die j
Taufbewerber, zu exorziftifchen Zwecken genießen, bezw.
womit fie gefalbt werden; nur auf diefen letzteren Brauch,
nicht aber auf die Darbringung von Brot, Waffer oder j
Öl, kann fich die Stelle in der Pereginatio beziehen. — !
Wenn in dem beigegebenen Exkurs D. den Exorzismus [
des Taufwaffers aus der allgemein verbreiteten An- j
fchauung ableitet, daß das Waffer infonderheit Sitz der
Dämonen gewefen fei, fo trifft dies letztere nicht zu. Die
ganz entgegengefetzte Anfchauung ift die herrfchende:
das Waffer, befonders das bewegte Waffer des Meeres,
der Flüffe, der Quellen gilt als reinigende Macht (vgl. z. B.
Rohde, Pfyche, 3. Aufl. 1903, II, S. 74f. und S. 405 f.;
Kroll, Antiker Aberglaube, 1897, S. 33 f.; vgl. auchjoh. 5, 7).
Deshalb gerade fchreibt man der Taufe exorziftifche Kraft
zu, befonders der Taufe im fließenden Waffer oder im
Meerwaffer (vgl. meinen Art. Taufe III. in Haucks Realenzyklopädie
19, 427). Deshalb wirft man heilige Gegen-
ftände, um fie vor Profanation zu fchützen, ins fließende
Waffer. Erft wenn man dies ins Auge faßt, entfteht 1
das Problem, das D. löfen will. Wie kommt es, daß
trotzdem das Waffer vielfach — vgl. die Stellen bei
D. — als das Element der Dämonen gilt? Sehe ich
recht, fo ift hier eine andere Anfchauung zur Erklärung I
heranzuziehen, nämlich die, daß die Dämonen gerade |
die heiligen Elemente in ihre Macht zu bringen fuchen. j
Das Waffer, geheiligt fchon durch den am Anfang
darüber fchwebenden Geift Gottes und dann durch die
Taufe Jefu, behält immer den Charakter des heiligen
Elements, aber die böfen Geifter tun es nun gerade dem j

heiligen Geift und Jefus nach und fuchen im Waffer fich
aufzuhalten (vgl. Tertullian, de bapt. c. 5). Um alfo ganz
ficher zu fein vor teuflifchem Trug, wurde ein Exorzismus
des Taufwaffers für nötig befunden.

Mag fo in einzelnem D.s Studie zu Ergänzungen
oder Korrekturen Anlaß bieten, im Ganzen ift fie doch
als ein fehr wertvoller Beitrag zur Kultusgefchichte zu
begrüßen.

Halle a. S. P. Drews.

Robert, G., Les Ecoles et rEnseignement de la Theologie

pendant la premiere moitie du XIL siecle. Paris, V.
Lecoffre 1909. (XVI, 249 p.) gr. 8°

Diefe Schrift bedeutet zwar keinen Fortfehritt der
hiftorifchen Detailforfchung, fie arbeitet meift mit anderwärts
fchon verwertetem Material, ift abhängig von Denifle
(Die Univerfitäten des Mittelalters bis 1400, Abälards
Sentenzen und die Bearbeitungen feiner Theologia), Endres
(Über den Urfprung und die Entwicklung der fcholaftifchen
Lehrmethode), Haureau, Picavet u. a. Trotzdem ift fie
eine wertvolle Ergänzung zu dem etwa gleichzeitig mit
ihr erfchienenen erften Band von M. Grabmanns Gefchichte
der fcholaftifchen Methode. Denn fie ftellt einen Faktor
der Entftehungsgefchichte der Scholaftik, der bei Grabmann
vielleicht zu wenig berückfichtigt ift, einfeitig in
den Vordergrund und läßt ihn als den Hauptfaktor in
der Entwicklung der mittelalterlichen Theologie erfcheinen,
nämlich den Einfluß des Unterrichtsbetriebs an den
älteften mittelalterlichen Hochfchulen auf die Entftehung
und methodifche Geftaltung der erften Summen und
damit auf die ganze Entwicklung der fyftematifchen
Theologie. Robert fchildert im erften Teil die Organi-
fation, die Unterrichtsweife und das Studienprogramm
der Hochfchulen während der erften Hälfte des 12. Jahrhunderts
. Dabei begnügt er fich aber nicht damit, über
die Arten der Schulen (scholae episcopales und monasticae),
die akademifchen Grade, die ökonomifchen Verhältniffe
und den vorgefchriebenen Studiengang des triviiim und
quadrivium zu referieren, fondern er ftellt fich die aus
den Quellen fehr viel fchwerer zu beantwortende und
doch viel intereffantere Frage, inwieweit diefer vorge-
fchriebene Studiengang vom mittelalterlichen Studenten
auch wirklich ordnungsgemäß eingehalten wurde, und wie
der alltägliche Lehrbetrieb an einer mittelalterlichen Hoch-
fchule im einzelnen ausfah. Der Metalogicus von Johannes
von Salisbury, in dem diefer die Lehrweife feiner Lehrer
Bernhard von Chartres, Wilhelm von Conches u. a. dar-
ftellt, gibt uns ein anfehauliches Bild der täglichen
Morgen- und Nachmittagslektion des mittelalterlichen
Studenten. Schon innerhalb des trivium, bei der Lektüre
heidnifcher Schriftfteller begann der Unterricht nach
einleitenden Bemerkungen über die Abfaffungsverhältniffe
mit der litera (grammatikalifche Erklärung), fchritt fort
zum sensus' (Wortfinn) und führte dann zur sententia
(Lehrgehalt). Dieabendlichen disputationes oder eollationes,
von denen Johannes von Salisbury erzählt, Konverfatorien
zwifchen dem Lehrer und den Schülern, die die letzteren
in der Kunft des Sprechens ausbilden follten, find wahr-
fcheinlich aus den fchon bei den orientalifchen Mönchen
gebräuchlichen klöfterlichen Kollationsftunden, in denen
Ermahnungen gegeben und die aus der Lektüre oder Reflexion
erwachsenden Schwierigkeiten befprochen wurden,
hervorgegangen und aus dem Klofterleben auf die Hoch-
fchule übertragen worden. Nachdem Robert den erften,
die Hochfchulverhältniffe des 12. Jahrhunderts im allgemeinen
behandelnden Teil mit einer Darfteilung des
bekannten, mit dem Aufkommen der neuen Logik einfetzenden
Kampfes zwifchen den Dialektikern und den
teils utilitariftifchen teils asketifch gerichteten Antidialek-
tikern gefchloffen hat, geht er im zweiten Teil zum
theologifchen Unterrichtsbetrieb über. Die theologifche
Unterrichtsweife war die Anwendung der Methode, nach