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Ausgabe:

1910 Nr. 5

Spalte:

147-148

Autor/Hrsg.:

Reck, Franz Xaver

Titel/Untertitel:

Das Missale als Betrachtungsbuch. Vorträge über Meßformularien. 2. Bd.: Vom Pfingstsonntag bis zum 24. Sonntag nach Pfingsten. 3. Bd.: Das Commune Sanctorum. - Auswahl aus dem Proprium Sanctorum 1910

Rezensent:

Drews, Paul

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147

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 5.

148

bild haben. Das Argument ift fomit eine Anwendung
des Kaufalitätsprinzips, aber nicht im Sinne der causalitas
efficiens, fondern der causalitas exemplaris.

Diefe Hypothefe von Daniels ift eine Variante der
Erklärung Adlhochs, auf die er leider gar nicht bezug
nimmt, obwohl fie ebenfalls im ontologifchen Argument
eine verfteckte Anwendung des Kaufalitätsprinzips, einen
Schluß aus einem pfychologifchen Datum auf feine meta-
phyfifche Urfache findet. Das Mittelglied, das damit in
die Beweiskette des ontologifchen Arguments eingefchoben
wird, findet fich aber weder bei Anfelm felbft, noch in
einer der zahlreichen umfchreibenden Reproduktionen
feines Gottesbeweifes im 13. Jahrhundert auch nur mit
einem Wort angedeutet. Das Charakteriftifche des Be-
weifes in allen feinen Variationen ift vielmehr gerade,
daß zwifchen dem summum cogitabile als pfychologifchem
Datum und als ontologifcher Realität nicht unterfchieden
wird, daß es darum eben gerade nicht für nötig befunden
wird, ein Mittelglied in den Beweisgang einzufchieben,
das den Übergang zwifchen dem pfychologifchen und
dem metaphyfifchen Datum vermittelt. An diefer Tatfache
müffen alle mit Hilfe des Kaufalitätsprinzips unternommenen
Interpretationen diefes Arguments fcheitern.
Den Weg zum Verftändnis desfelben wird auch künftig
der Ontologismus im Sinne der Stelle in Bonaventuras
Itinerarium weifen: Esse igitur est quod primo cadit in
intellectu, et illud esse est quod est purus actus. Sed hoc

non est esse particulare, quod est esse arctatum.....

Restat igitur quod illud esse est esse divinum (Itinerarium
c- V § 3). Daß diefe ontologifche Gotteserkenntnis in der
Scholaftik als eine verhältnismäßig hohe Stufe des reli-
giöfen Erkenntnisprozeffes auftritt, ift kein Gegengrund.
Denn das rührt im letzten Grunde daher, daß die onto-
logiftifche Denkweife im Mittelalter als ein fremdartiges I
dem Neuplatonismus entflammendes Element in den
Rahmen der ganz anders orientierten kirchlichen Gnadenlehre
und der kirchlichen Auffaffung des religiöfen Erkenntnisprozeffes
eingefügt wird.

Halle a/S. Karl Heim.

Reck, Dir. Dr. Franz Xaver, Das Millale als Betrachtungsbuch
. Vorträge über die Meßformularien. Zweiter
Band: Vom Pfingftfonntag bis zum vierundzwanzigften
Sonntag nach Pfingften. Freiburg i. B., Herder 1909.
(III, 389 S.) gr. 8° M. 4.60; geb. M. 5.80

Dasfelbe. Dritter Band: Das Commune Sanctorum. —
Auswahl aus dem Proprium Sanctorum. Ebd. 1909.
(V, 610 S.) gr. 8" M. 7—; geb. M. 8.20

Den erften Band diefer ,Vorträge' habe ich in diefer
Zeitfchrift, Jahrgang 1909, Nr. 20 angezeigt. Die weiteren
in Ausficht geftellten Bände find rafch gefolgt. Sie behandeln
die Trinitatiszeit, das Commune sanctorum und
in Auswahl das Proprium Sanctorum. Das Unternehmen j
des Verfaffers hat auf katholifcher Seite foviel Anklang
gefunden, daß er noch einen vierten Band, der die
Ferialmeffen und die nach dem Advent fallenden Fefte
behandeln foll.

Zur Charakteriftik des Ganzen verweife ich auf das,
was ich früher über den erften Band gefagt habe. Ich
füge hinzu, daß im dritten Band — es liegt das am be- I
handelten Gegenftand — auffallend ftark die Heiligenverehrung
betont und verteidigt wird, aber es ift doch
zu beobachten, daß im Mittelpunkt der von dem Ver- j
faffer empfohlenen Frömmigkeit nicht die Heiligenverehrung
, auch nicht die Verehrung der Maria ftehr.
Vielmehr lebt feine Frömmigkeit von Gott und Chriftus
und der Kirche; in ihnen hat fie ihren Mittelpunkt; die
Heiligen könnten aus diefer Frömmigkeit weggedacht
werden, Gott, Chriftus, die Kirche nicht. Es ift bezeichnend
, was R. über die Heiligenverehrung fagt: ,Das I
erfte, was mir an diefen (Heiligen-) Orationen beachtenswert
erfcheint, das ift ihre ftrenge dogmatifche Korrektheit
. Die Oration ift immer und ausfchließlich gerichtet
an Gott den Herrn, niemals direkt an den Heiligen,
auch nicht an die Königin aller Heiligen, die feligfte
Jungfrau'..... ,Ich will damit nicht fagen, daß es inkorrekt
fei, fich an die Heiligen direkt zu wenden und
ihre Fürbitte anzurufen. Ihre Interzeffion ift auch in
den kirchlichen Orationen vorausgefetzt und wenn der
Glaubensartikel von der Communio sanctorum Sinn und
Inhalt hat, dann muß diefe Interzeffion vorausgefetzt
werden; dann ift aber auch die Anrufung der Heiligen
um ihre Fürfprache berechtigt' .... ,Man fage nicht, es
heiße Chrifti Verdienfte mißkennen und beeinträchtigen,
wenn man zu den Heiligen feine Zuflucht nehme; das
wäre richtig, wenn wir von den Heiligen erwarteten, was
zu gewähren Gottes und Chrifti Sache ift; aber wir
nehmen zu den Heiligen unfere Zuflucht ja eben, um
der Verdienfte Chrifti teilhaftig oder der Verheißungen
Chrifti würdig zu werden. Wir ftellen auch nicht die
Heiligen zwifchen uns und unfern Gott: zwifchen uns
und ihm fleht nur der eine Mittler Chriftus Jefus; aber
wir ftellen die Heiligen neben uns, und dazu haben wir
allen Grund' (III, S. 134 f.). Rechtfertigt fo der Verf.
die Heiligenverehrung, fo weift er fie doch gleichzeitig
in beftimmte Grenzen, und weit weniger als Gegenftand
der Andacht empfiehlt er fonft die Heiligen als Ideal,
dem es nachzueifern gilt. Ganz ebenfo fleht es mit der
Schätzung der Maria. Es muß auffallen, wie ftark fie
im Allgemeinen zurücktritt. Nur einmal, veranlaßt durch
die kirchliche Zeit, tritt R. warm für die Marienverehrung
ein, ja hier rückt er die Jungfrau Maria, gut katholifch,
unmittelbar neben Chriftus und fchreibt ihr — im Wider-
fpruch mit den eben zitierten Worten — neben ihm die
Mittlerrolle zwifchen uns und Gott zu (III, I20ff.). Aber
wenn das Bild der ,allerfeligften Jungfrau' lebendig und kräftig
die Seele des Schreibers erfüllte, müßte fich ihr Name
von felbft ihm weit häufiger in die Feder ftehlen, als es der
Fall ift. — Charakteriftifch für des Verfaffers Frömmigkeitstypus
ift es auch, wie wenig des Papftes gedacht
wird. Von einer bedingungslofen Verherrlichung des
Papfttums ift der Verfaffer jedenfalls weit entfernt.
So feft er feine jugendlichen Zuhörer an die Kirche zu
binden trachtet, mit der Idee des unfehlbaren Papfttums
durchdringt er fie nicht; dazu ift er offenbar felbft zu
wenig davon durchdrungen. Nur einmal fpricht er ausführlicher
von der Göttlichkeit des Papfttums, aber nicht
in dem Tone der fieghaften Zuverficht, daß ihm die Zukunft
gehören werde (III, S. 456 f.). —> Auch dies möchte
ich noch herausheben als bemerkenswert für die Auffaffung
des Verfaffers, wie er vom Wunder fpricht.
,Wunder und Zeichen find ein Mittel, den Glauben zu
pflanzen; aber fie find weder das einzige noch auch find
fie ein unfehlbares Mittel' .... ,Alfo auch angefichts der
Wunder kommt zum Glauben nur, wer glauben will;
wer nicht will, wird Wege finden, dem Glauben fich zu

entziehen'.....Damit ift nicht gefagt, daß die Wunder

nicht ihre Bedeutung haben für die Pflanzung des
Glaubens; im Gegenteil: es wird Situationen geben, wo
fie geradezu notwendig find' .... ,Aber wir müffen nicht
Wunder gefehen haben, um zum Glauben zu kommen
und glauben zu können; mit uns ift die Gnade zunächft
andere Wege gegangen' (III, S. 451).

Alles in Allem: es tritt uns hier ein Typus katholifcher
Frömmigkeit entgegen, der einen gewiffen Einfluß
der fittlichen Auffaffung der Religion, wie fie der
Proteftantismus vertritt, nicht verleugnen kann. Natürlich
ift fich der Verf. deffen nicht im Geringften bewußt.
Wer die Frömmigkeit des deutfchen Katholizismus
der Gegenwart ftudieren will, muß zu Schriften wie der
vorliegenden greifen, um gerecht zu urteilen.

Halle a. S. P. Drews.