Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1910 Nr. 4

Spalte:

108-109

Autor/Hrsg.:

Falk, Franz

Titel/Untertitel:

Die Ehe am Ausgange des Mittelalters. Eine kirchen- und kulturhistorische Studie 1910

Rezensent:

Köhler, Walther

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

107 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 4. 108

noslv gehe auf ein Gemeindemahl ohne Euchariftie,
welches von den Reichen den Armen bereitet wurde und
dem Bifchof unterfland (S. 230 ff.). Er mißachtet jedoch
dabei die vorhergehende Parallele Ad Smyrn. 7, 1:
EVX<xQiOriag xal JigoöEvxrjg dstE^ovxai x. x. X. övveqjege
de avxolg ayastäv, 'Iva xal avaoxmöiv. Oder glaubt
Baumgartner etwa, Almofengeben fei für Ignatius
cpdguaxov aO-avaaiag} Sehr umfaffend handelt Baumgartner
(S. 247 ff.) über die bekannte Pliniusftelle. Er
deutet carmenque Christo quasi deo dicere secam invicem
auf das große Euchariftiegebet. Allein dasfelbe richtet
fich ja zunächft ftets an Gott, nicht an Chriftus, wie
z. B. das von Puniet neuerdings mitgeteilte Fragment
altägyptifcher Liturgie zeigt. Übrigens hat fchon Tertul-
lian Apol. 2 unter jenem Carmen Gefang verftanden. —
Am dankenswerteften dünkt mich Baumgartners Unter-
fuchung der Didachegebete, befonders wegen einer fehr
forgfamen Vergleichung derfelben mit den aus Mifchna
und Talmud rekonftruierten Tifchgebeten des jüdifchen
Sabbat- oder Feftmahles (S. 282 fr.). Baumgartner glaubt,
daß der Verfaffer einfach diefe jüdifchen Tifchgebete
habe durch eine Umarbeitung für die Chriften erfetzen
wollen. Für die eigentliche euchariflifche Liturgie feien
die Didachegebete c. IX, 1—4. X, I—6 nicht beftimmt,
fondern für das Gemeindemahl des Sonntags. C. XIV
gebe den Befehl zur Sonntagsfeier mit dem eigentlichen
euchariftifchen Opfer. Baumgartner fchließt fich damit
wefentlich an Ladeuze und Ermoni an (S. 278). Die
Schwierigkeiten diefer Annahme entgehen ihm nicht
ganz. Er erkennt z. B., daß in den Gebeten über den
Becher und das Gebrochene Gott nicht für die irdifchen
Gaben, wie man bei gewöhnlichen Tifchgebeten erwarten
muß, gelobt wird, fondern für geiftige. Gleichwohl
meint er, es handle fich bloß um folche Gebete; weil
fich keine deutliche Bezugnahme auf die h. Euchariftie
darin finde. Aber wer fagt Baumgartner, daß der Verfaffer
derDidache diefelben Euchariftievorftellungen hatte,
wie er, Baumgartner, und die römifche Kirche fie hat?
Auch beim Dankgebet nach der Sättigung ,für geiftige
Speife und Trank und ewiges Leben', die der allmächtige
Herrfcher gnädig gefpendet durch feinen Knecht (Jefus),
foll nach Baumgartner (S. 307 ff.) auf keine beftimmte
Nahrung, wie die euchariftifche, gezielt fein, fondern auf
die chriftliche Heilslehre im Sinne von Joh. 4, 32, Hebr.
15, 12. Und doch liegt es meines Erachtens hier gar
nicht fern, an die bei der Euchariftie durch Jefus in
feiner Knechtsgeftalt von Fleifch und Blut dargereichte
geiftige Speife und Trank zu denken nach Stellen wie
Ignatius Ad Rom. VII, 3, Joh. 6, 531. oder etwa Jüdin
Apol. I, 66: ov ydg mg xocvov dgxov ovöh xoivbv jcofia
xavxa Xafißdvousv' dXX* — xrjv öl evxrjg Xoyov xov stag'
avxov EvxccQiöxrjdelöav xgo(pr}v, s§ rg cäfia xal Cagxsg

nichts zu tun hatten. Indeffen wird der Abendmahls-
forfcher an Baumgartners Schrift nicht vorübergehen
dürfen. Sie id eine mit ernfthaften wiffenfchaftlichen
Mitteln unternommene Verteidigung der römifch-
katholifchen eucharidifchen Praxis in der genannten
Richtung.

Bafel. K. G. Goetz.

Falk, Dr. Franz, Die Ehe am Ausgange des Mittelalters.

Eine kirchen- und kulturhidorifche Studie. (Erläuterungen
und Ergänzungen zu Janffens Gefchichte
des deutfchen Volkes. Herausgegeben von L. Pador.
VI. Bd., 4. Heft.) Freiburg i. B., Herder 1908. (VIII,
96 S.) gr. 8° M. 2.60

Sehe ich recht, fo id vorliegende Schrift die letzte
größere Arbeit des im Oktober diefes Jahres (1909) verdorbenen
Gelehrten gewefen. Sie trägt ganz den Stempel
feines Geides, F. id niemals ein guter Dardeller, wohl aber
ein forgfamer Sammler und Bibliograph gewefen, müh-
fam erforfchte Notizen wurden aneinandergereiht und, fo
gut oder fo fchlecht es eben ging, miteinander verbunden.
So auch in diefer letzten Studie über die Ehe; ihr Wert
liegt in dem beigebrachten literarifchen Material. Falk
felbft freilich möchte mehr, er polemifiert gegen die Behauptung
,gewiffer Kreife, die Kirche des Mittelalters fei
dem Werte der Ehe nicht gerecht geworden, fie habe
die Ehe nicht nach Gebühr geachtet, fogar etwas Sündhaftes
darin erkannt, das eben zu dulden fei'; dem gegenüber
will er pofitiv zeigen, daß die Kirche des Mittelalters
den Eheftand in hoher Ehrung gehalten, hingegen
die Reformation ihn entwürdigt und entwertet habe —
das bekannte Janffenfche Schema: glanzvoller Abfchluß
des Mittelalters, Degeneration durch die Reformation!
Infofern paßt die Studie gut in die »Erläuterungen und
Ergänzungen zu Janffens Gefchichte des deutfchen Volkes'
hinein. Wir würden uns gern dem Urteile beugen, wenn es
nur richtig wäre. Aber wie beweift Falk? Er fpricht von
dem fakramentalen Charakter der Ehe, von kirchlicher
Einfegnung, öffentlichen Gebeten, den Symbolen: Ring,
Schleier und Gürtel, der Bibel als Hochzeitsgefchenk,
bürgerlicher Fürforge für Mütter und Kindbetterinnen,
Losbitten von Verbrechern durch Jungfrauen ,dem h. Eheftand
zu Ehren', Eheftandsfchriften, Eheftandsbüchlein,
Lehr- und Erbauungsbüchern, Profanovellen, Brautaus-
ftattung, Kanonifation h. Frauen wie der h. Anna, der
h. Monica, der h. Elifabeth u. a. — Alles nicht gerade
völlig neu, wohl aber an einer Fülle neuer Beifpiele erläutert
—, um auszuklingen in einen Lobpreis der Jungfrau
Maria!! Dem gegenüber illuftrieren die ,Neuerung
im 16. Jahrh.' Landgraf Philipp von Heffen, Melander,
xaxa uexaßoXrjv xgstpovxai tfucöv, —'ivdovxal öägxa xal j Johann Lening u. a.; von Luthers Frau heißt es: ,Es

alfia EÖiöäx&rjUEV sivai elfia. Überdies ift nicht erwiefen, | zeugt keineswegs von Klugheit, Katharina v. Bora und
daß, wie es allerdings bereits Juftins Worte hier nahelegen, überhaupt das evangelifche Pfarrhaus gegen die Kirche
von Anfang an überall gleich die befondern Worte Jefu I und die Orden auszufpielen! Denn wir kennen das trau-
im Euchariftiegebet felber wiederholt wurden. Eher das 1 rige Lebensende Katharinas und andere Vorkommniffe;
Gegenteil ift wahrfcheinlich, da nach allen neuteftament- im Klofter wäre der Bora ein befferer Lebensabend beliehen
Berichten Jefus beftimmt erft nach dem Euchariftie- fchieden gewefen'. Es ift zwecklos, viele Worte über
gebet, während der Austeilung die Worte von feinem eine folche Beweisführung zu machen, es leuchtet ohne

Leib oder Fleifch und Blut gefprochen hat. Denn ficher
haben wenigftens die Evangeliften nicht der gleichzeitigen
Abendmahlsfitte zuwider die Sache rein hiftorifch dar-
geftellt. Deshalb fcheint begreiflich, wenn wir Jefu
Worte beim Abendmahl in der Schlußeuchariftie der
Didache nicht direkt finden, fondern lediglich eine Anspielung
auf ihren Sinn, wie er uns zwar nicht aus der

weiteres ein, daß hier Licht und Schatten in gänzlich
ungerechter Weife verteilt wurden. Gerne wird man fich
von Falk über das belehren laffen, was die katholifche
Kirche für die Achtung der Ehefrau getan hat, und wie
fie die Ehe als Sakrament unter die göttlichen Gnadenkräfte
ftellte, ein Einfichtiger auf unferer Seite wird nicht
sans phrase von Geringachtung des Weibes im M. A.

Überlieferung des Paulus (doch fiehe I. Kor. 10,3.4) und J reden, aber das alles fchafft die doppelte Sittlichkeit
der nach diefer berichtigten Erzählung der jetzigen nicht aus der Welt, und die ftellt nun einmal die Vir-
Synoptiker, aber aus andern Quellen bekannt ift. — So j ginität als den fichereren Weg zur Seligkeit über die Ehe
wäre noch mehreres gegen Baumgartners verruchten und drückt ihren Wert damit doch herunter. Und ift
Nachweis einzuwenden, daß das fonntägliche Herrnmahl j es gerecht, die reformatorifche Anfchauung von der
oder die Agape von Anfang an mit der h. Euchariftie j Ehe an jenen anrüchigen Exempeln klarzumachen? (Da-