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Ausgabe:

1910 Nr. 2

Spalte:

58-59

Autor/Hrsg.:

Hering, Hermann

Titel/Untertitel:

Der akademische Gottesdienst und der Kampf um die Schulkirche in Halle a. S 1910

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 2.

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S. VIII) ein vollftändiges Lebensbild von ihm verfprochen. j römifch-katholifchen Kirche', 1878. Die Abhandlung ift ein

Murler volkstümlicher Behandlung einer Kontroverslehre.
Walthers Sachkenntnis ift nach allen Seiten klar. Die Ge-
wiffensmaßfläbe, die er mit vollitem Rechte hier als die
entfcheidenden handhabt, find flreng, aber keineswegs
eng. Walther gibt weniger einen hiflorifchen Bericht
über ,Früchte', die die römifche Beichte fei es im Mittelalter
, fei es in neuerer Zeit hervorgebracht, als eine

Walther, Prof. D.W, Zur Wertung der deutfchen Reformation, pfychologifche Beleuchtung der einzelnen Akte des Buß-
'. a rr... . . . A n . .■ j», ! fakraments, fo zwar, daß er die authentilchen Inter-

Vortrage und Auffatze. Le.pz.g, A. Deichen fche j taüonen' maßgebender römifcher Theologen über die
Verlagsbuchh, Nachf. 1909. (V, 338 S.) gr. 8° M. 5.00 I beabfichtigte Tragweite der einzelnen Beftimmungen
Es find im ganzen elf .Vorträge und Auffätze', die j zum Grunde legt. Der Auffatz verdiente durchaus, neu-
der Roftocker Kirchenhifloriker hier zufammengeftellt. I gedruckt zu werden, wenn er auch vielleicht an einigen
bzw. von neuem veröffentlicht hat. Ich teile die Titel ! Stellen etwas gekürzt hätte werden mögen. Am eheften

Hoffentlich wird es uns gefchenkt!

Die Ausftattung des Werks ift vorzüglich, ja glänzend
. Bei Korrefpondenzen in fpanifcher Sprache find
die Regeften am Kopf der Stücke befonders ausführlich,
was gewiß den meinen fehr willkommen ift.

Tübingen. Karl Müller.

einzeln mit, um von dem mannigfaltigen Inhalte einen
Eindruck zu erwecken: I. Katholifche Verfuche aus
früherer Zeit, die Pfalmen .nutzbar' zu machen; 2. Die
Früchte der römifchen Beichte; 3. Die Bedeutung der
deutfchen Reformation für die Gefundheit unteres Volks-

zu einer Widerrede gegen manches fühle ich mich angeregt
bei Nr. 10 und 11. Nicht eigentlich in der Tendenz
bin ich da Walther entgegen; im Gegenteil, da ftimme
ich ihm zu. Aber es handelt fich um ein fo vielver-
fchlungenes Gewebe von Gedanken bei Luther, daß ich

lebens; 4. Worin befteht die reformatorifche Lebens- j meine, er greife nicht überall mit fo vorfichtiger Hand

auffaffung? 5. Luthers Bibelüberfetzung kein Plagiat; | hinein, wie es nötig ift. Indes ich würde mich demfelben

6. Luthers fpätere Anficht über den Jakobusbrief; j Vorwurfe ausfetzen, wenn ich hier in die Sache ein-

7. Luthers Ende; 8. Melanchthon als Retter der Schätzung treten wollte. Ein paar .Bemerkungen' haben keinen
der Wiffenfchaft; 9. Die Schweizer Taktik gegen Luther Zweck.

im Sakramentsftreit; 10. Das Zeugnis des heiligen Geiftes Hailea S F. Kattenbufch

nach Luther und nach moderner Schwärmerei; II. Die

falfche Geiftlichkeit der .Schwärmer'. Das einigende ., TT _ . . _., . „ „ ,. ,. „

Band der im einzelnen ja auf fich flehenden Ab- .Henng, H., Der akademirche Gottesdienlt und der Kampf
handlungen ift, wie Walther im Vorwort bemerkt und um die Schulkirche in Halle a. S. Ein Beitrag zur Ge-
im Titel in dem ,Zur Wertung'andeutet, ein polemifch- fchichte der Friedrichs-Univerfität dafelbft von ihrer
praktifcl.es. Der .Gegenfatz der deutfchen Reformation ! Gründung bis zur Erneuerung durch Friedrich Wil-
zu den Verirrungen einerfeits der römifchen Kirche, hdm nL Halle a g M Niem lgo (X 2ß
andererfeits der „Schwärmer" foll ins Licht geitellt werden. T, . . . _. „ '

Die Abhandlungen, von denen Walther übrigens (außer Urkundenanhang 109 S.) gr. 8« M. 8-

bei Nr. 2) nicht mitteilt, wo fie urfprünglich fchon ge- In erfter Linie ift es unfere Hallefche theologifche

druckt worden (es würde mir mehreremale willkommen j Fakultät, kaum weniger unfere Univerfität im ganzen (das
gevvefen fein, zu wiffen, welchen befonderen Anlaß Buch ift ihr als folcher gewidmet), die ihrem ehrwürdigen

Walther zu der Abfaffung gehabt und wo er fich zuerft
fo wie er tut geäußert habe), find ,einer Revifion unterzogen'
worden, ehe fie hier neugedruckt wurden.

Walther ift ein fo gründlicher Kenner der Reformation,
daß man erwarten kann, bei ihm viel Bedeutfames und

Mitgliede zu danken hat, daß er die ,Gunft der Altersmuße
' ausnützend fich daran begeben hat, die ältere Ge-
fchichte des akademifchen Gottesdienftes dahier darzu-
ftellen. Die Urkunden, die dabei zum Grunde liegen, hatte
Hering in dem .üfterprogramm' (das ein Mitglied unferer

Originales zu treffen. Und man wird nicht enttäufcht. ' Fakultät abwechfelnd zu verfafftn hat) für 1905 und 1906
Walther ift auch ein fo ernfter, gewiffenhafter, treuer | veröffentlicht. Daß er fie diesmal als .Anhang' mit auf-
Konfeffionslutheraner, daß man feine Urteile gewiß zu- i genommen hat, ift recht getan. Es will mir als Mitglied
weilen einfeitig, aber immer religiös-fittlich tief gegründet der Hallefchen Fakultät nicht geziemen, das Buch mit
zu finden erwarten darf. Und auch darin fieht man fich Lob zu bedenken; zur Kritik im einzelnen fühle ich mich
nicht getäufcht. Man kann von Walther überall nicht noch weniger berufen, denn ich verfuge über keine felb-
nur in Hinficht der hiflorifchen, fondern auch der dog- | Händige Kenntnis der Vorgänge, die Hering fchildert.
matifch-ethifchen Fragen viel lernen. Ich betone das, Man mag fragen, ob in diefer Zeitfchrift eine Befprechung
denn das ,Zur Wertung' im Titel will zu feinem Rechte ; oder auch nur Anzeige des Buches am Platze fei, ob
kommen. Ganz befonders wohltuend ift es, daß Walther,
ohne (was man fo nennt) milde zu urteilen, fehr der
Pflicht, Gerechtigkeit zu üben, eingedenk ift. So in dem
m. E. wiffenfchaftlich bedeutendften Auffatze Nr. 9. Er
deckt rückfichtslos eine ,Taktik' Zwingiis, aber auch
Bucers und Oekolamoads auf, die fittlich zweifellos fehr

nicht das Ganze nur lokalgefchichtlichen Charakter habe,
und fein Intereffe fich nicht fchlitßlich bei uns Hallenfern
oder doch bei Angehörigen desjenigen landfchaft-
lichen Bezirks, zu dem Halle gehört, erfchöpfe. Ich
darf dem widerfprechen. Das Buch fleht doch auf einem
höheren Niveau, als man vielleicht nach dem bloßen
wenig erfreulich ift, viel ,Unwahrhaftigkeit' in fich fchloß. I Titel denkt. Natürlich ift viel bloß Lokalgefchichtlich.es
Aber er weiß auch und betont, wie langfam gerade das darin. Es hat wunderfam viel Mühe gekoftet, eine Unter-
Bewußtfein um die Pflicht der Wahrhaftigkeit gewachfen kunft für akademifche Gottesdienfte hier in Halle zu
ift. Walther ift überall imftande, aus eigener Quellen- | finden. Urfprünglich hatte man an den Dom gedacht,

forfchung mindeftens allerhand neues Einzelmaterial bei
zubringen. Dem Gebiete, auf dem er unbeftritten in der
erften Reihe fleht, gehört Nr. 5 an. Er ftreitet hier gegen
voreilige Aufftellungen des ehemaligen Bonner Kirchen

aber man kam vielmehr in die ,Schulkirche' (die Kirche
des ehemaligen Franziskanerklofters, das als folches
fchon in der Reformationszeit mit allen feinen Räumlichkeiten
der Stadt zu Schulzwecken überwiefen war)

hiftorikers Wilhelm Krafft. Nr. 2 ift zuerft gedruckt ge- | Die Schickfale diefer Kirche (fie ift mit dem ganzen
wefen in einer Schrift Walthers (die ich nicht kenne und | Klofter niedergeriffen, als das jetzige Univerfitätsgebäude
von der ich auch nur deshalb annehme, daß fie von | gebaut wurde) find recht inftruktiv, man muß fchon
ihm felbft flammt, weil er fie ohne Autornamen zitiert: ] fagen: für die Sittengefchichte des 18. Jahrhunderts, auch
an fich möglich wäre, daß es fich um ein anonymes | die Zeit, in der Napoleon Preußen niederzwang. Wie
Sammelwerk handelte): ,Die hauptfächlichften Unter- j eng, kleinlich, ja armfelig es in einer doch immerhin an-
fcheidungslehren der evangelifch-lutherifchen und der , fehnlichen Stadt, wie Halle, damals beftellt war lieft