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Ausgabe:

1910 Nr. 2

Spalte:

56-57

Autor/Hrsg.:

Finke, Heinrich (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, französischen, spanischen Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II 1910

Rezensent:

Mueller, Karl

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55 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 2. 56

fchiedenartigen Verwendung unteres Terminus 2 Haupt- ! Acta Aragonensia. Quellen zur deutfchen, italienifchen,
bedeutungen zugrunde liegen, eine religiöfe {sancti die franzöfifchen, fpanifchen Kirchen-und Kulturgefchichte

aus der diplomatifchen Korrefpondenz Jaymes II.
(1291—1327). Herausgegeben von Prof. Dr. Heinrich
Finke. Zwei Bände. Berlin, Dr. W. Rothfchild 1908.
(VII, CXC, 975 S.) Lex. 80 M. 45—; geb. M. 48 —

Eine der wunderbarften Bereicherungen unteres
Quellenmaterials für ein Menfchenalter des ausgehenden

Chriften, die Verklärten, die Märtyrer, die Kleriker) und
eine zeremonielle {sanctus offizielles Attribut des Kaifers,
des Bifchofs ufw.), diefe auf den paganen, jene auf den
biblifch - urchrifflichen Sprachgebrauch zurüchgehend.
(Ob die Formel sancta ecclesia wirklich, wie D. S. 173,
A. 3 annimmt, in erfler Linie eine Parallele zu der zeremoniellen
Bezeichnung des Bifchofs als sanctus darfteilt,
und nicht vielmehr eine Übertragung des religiöfen

Terminus dyia kxxlr,aia von der Gefamtkirche auf die '3- und beginnenden 14. Jfts. hegt hier vor: Mittel ungen
Einzelgemeinde, wie ja der Ausdruck dyla xafrohxfj aus der diplomatifchen Korrefpondenz Jaymes II von
IxxlJia fogar auf Kirchengebäude übertragen worden j Aragon I29*-j327'. d!e dem Kronarch.lv zu Barcelona
ift?) Verf. zeigt fodann, wie die technifche Bezeichnung entnommen find und doch nur eine vorlaufige Ausbeute
des ,Heiligen< durch einfachen Zufatz von sanctus zum felner unermeßlichen Schatze darfteilen. Konig Jayme
Namen die letzte unter verfchiedenen Phafen darfteilt, war an der Kurie dafür bekannt, daß er an fie mehr
die in der Bezeichnung des Märtyrers zu beobachten ! ichreibe, als alle andern Furften zufarnmen. Und eben^
find (N., martyr N. neben dominus N., sanctus martyr ;ben darum ubertrifft die diplomatifche Ber.chterftattung
N., sanctus N). In diefer feiner technifchen Verwendung i Agenten weitaus alles, was wir fonft aus jener

ift der Terminus ,vaguement charge de toutes les nuances I 7e,t ^hen- Sch,on «nmal. Vat , 6 *u.s felner KSrreJ
par lesquelles ü a passe au cours des äges dans le da- ! fpondenz wertvolles Material vorgelegt in fernem Buch

maine profane comme dans le domaine religieux' (S. 186)
Für die Zeit vor der offiziellen kirchlichen Kanonifation
kommt das Prädikat sanctus im technifchen Sinne all'
den und nur den Verdorbenen zu, denen irgendwie ein
offizieller Kult gewidmet ift. Von den hiftorifch-kriti-
fchen Mitteln, folches zu kondatieren, handelt ein letzter
Abfchnitt, unter Anführung von fehr lehrreichen Bei-
fpielen. Die Studie ftellt eine höchft wertvolle, durch
erftaunlichen Reichtum des Materials als Frucht um-
faffender Forfchungen gekennzeichnete Arbeit dar, zumal
fie fich durch die Klarheit und methodifche Sicherheit
auszeichnet, die wir an dem Verfaffer gewohnt find.

Straßburg i. E. Anrieh.

Genier, Raymond, Vie de Saint Euthyme le Grand (377 —
473). Les moines et l'eglise en Palestine au V«

siecle. Paris, V.Lecoffre 1909. (XXXII, 305 p.) 8» fr.4- 'j^^ni^iUMW enes&zu eVwähnem'von' dem

Aus den Tagen Bonifaz' VIII. 1902. Aber was er diesmal
gibt, ift viel mehr. Es ift ganz einfach erftaunlich,
was in den Korrefpondenzen auf 941 Seiten größten
Oktavs enthalten ift. Ich habe den Verfuch, das In-
tereffantefte daraus hier mitzuteilen, fofort aufgeben
müffen, weil ich nicht den Raum dazu fände und bloße
Hinweife auf einzelne Nummern keinen Sinn haben. Ich
könnte einige Gruppen kirchengefchichtlicher Vorgänge
hervorheben, die hier durch eine Fülle von lebendigen,
anfehaulichen Nachrichten erhellt werden: die Wahl
Johanns XXII, die Gefchichte Ludwigs d. B. und feines
Kampfes mit der Kurie in jenen Jahren oder die fizi-
lianifchen Spiritualen, die kirchlichen Verhältniffe Ara-
gons u. ä. Aber das wäre gar nicht die Hauptfache. Das
Merkwürdigfte ift einmal die Tatfache einer folchen
Korrefpondenz in jener Zeit und fodann die Fülle von
perfönhehen und kulturgefchichtlichen Zügen, die für alle
Kreife und Gebiete darin zutage treten. Welch ein

Das vorliegende Werk will in erfter Linie ein Treiben an der Kurie, der unermeßlichen Ausdehnung
Erbauungsbuch fein (S. 52) und ftellt fich ausdrücklich ihrer Gefchäfte, auch der Art, wie die Päpffe ganz per-
in Gegenfatz zu der ,ungläubigen Hagiologie' als einer fönlich damit befaßt find, von den Stimmungen des
bizarren Erfcheinung der Gegenwart (S. 48). Ein fran- Papftes und feiner Umgebung, wie fie durch die Ereigniffe,
zöfifcher Dominikaner aus Jerufalem möchte feinen etwa in Deutfchland, hervorgerufen werden, von den Ge-
Glaubensgenoffen im Weften die Geftalt des großen genfätzen und Parteiungen unter den Kardinälen! Und
paläftinenfifchen Mönchsvaters, die ihn begeiftert, lebendig ! daneben eine Menge charakteriftifcher Züge anderer
vor Augen führen. Er tut dies, indem er der Lebens- ', Perfonen, Eindrücke, die fie hervorrufen und empfangen,
befchreibung des Cyrillus von Scythopolis folgt und ! Man fieht in eine Welt perfönlichen Lebens hinein, die
dabei manche Perfonen und Ereigniffe, die in das Leben I uns fonft verfchloffen ift. Man muß fchon zwei Jahr-
feinesHelden hineinragen, in umfaffenderer Weife fchildert, : hunderte herabgehen, um Parallelen dazu zu finden. Ich
fo daß z. B. den Konzilien von Ephefus und Chalcedon j verweife in diefer Beziehung auf die vortreffliche Skizze,

und der Kaiferin Eudocia je ein befonderes Kapitel gewidmet
ift. Die Tatfächlichkeit der erzählten Wunder
ift dabei unferm Autor fo felbftverftändlich, wie einft

die Finke felbft in der Vorrede gibt. Möchte fie viele
veranlaffen, das Quellenmaterial fich anzufeilen!

In der gehaltvollen Einleitung S. XXIII—CXC handelt

Cyrill, doch ohne daß er m irgend aufdringlicher Weife Finke A über das Urkundenwefen unter Jayme. 2) über
aus ihnen Kapital fchlüge; und mit derfelben Selbftver- ( Gefandtfchaftswefen und diplomatifche Berichte zu feiner
ftändlichkeit wird aller Schatten und alles Unrecht auf; Zeit Dabei wirdauch von den freiwilligen Korrefpondenten
feiten der heterodoxen Theologen und Parteien der 1 handelt: dem genuefifchen Großkaufmann Chriftian
Zeit gefunden Im übrigen aber ruht die Darftel ung auf j §pinula und vor allem von der intereffanteften Ge-
fehr gew.ffenhaftem Studium des Materials Und was : ft£u des damaligen Kardinalskollegiums, Napoleon Orfini,
ihr auch für den ungläubigen Hag.ologen' ihren Reiz ; für deffen Pläne und Handeln in dem Werk eine Fülle
verleiht ift, neben der franzöfifchen Eleganz der Diktion, ! neuen intereffanten Materials vorliegt: fein ftolzer Wider-
die Tatfache, daß es ein Landeskundiger ift, der die j f n gegen Pa ft ]ohann XXII und deffen Politik
heiligen Stätten fchildert. Der Verf. und feine Genoffen ; J: Ludwig d. B. tritt ins hellfte Licht, aber auch die
Vabe" f'ch um Auffindung und Identifizierung der alten rt wje er uberall Gehilfen und Bundesgenoffen an fich
Monchsftätten gemüht und vermögen in diefer Beziehung j zieht und nach allen Seiten feine kirchlichen und national-
manches neue zu bieten vgl z B. die intereffanten | ital;enjfchen Pläne fpinnt. Wie wertvoll freilich wäre es,
Ausfuhrungen über die N.ederlaffung der chriftlichen wenn man folches Material auch für feine intereffantefte
Araber (b. 94 ff.). Hierin hegt der w.ffenfchafthche Wert und fpannendfte Aktion hätte, die Verfchwörung des Jahrs
des Buches zumal es von zwei Kartenf kizzen und einigen ^ Endiich Arnold von Villanova, für den aber leider

photographifchen Onginalaufnahmen geziert wird. ; daaj'Material nicht fo reich ift, wie ich erwartet hatte.

Straßburg i. E. Anrieh. | Allein Finke hat fchon früher (Aus den Tagen Bonifaz'VIII