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Ausgabe:

1910 Nr. 25

Spalte:

773-774

Autor/Hrsg.:

Dhorme, Paul

Titel/Untertitel:

Les livres de Samuel 1910

Rezensent:

Nowack, Wilhelm

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773

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 25.

774

Sonderrechte in diefer Weife betätigt hätten. Die Ver-
fchiebung des letzten Monates an die erfte Stelle bedingt
natürlich auch eine Verfchiebung aller anderen Monate
um eine Stelle. Ich kann dafür keine andere Erklärung
finden als die Berückfichtigung der Präzeffion. Der
eine Kalender behält die alte nicht mehr zutreffende
Rechnung bei, der andere trägt den aftronomifchen Tatfachen
Rechnung.

Berlin. Hugo Winckler.

Dhorme, P. Paul, O. Pr., Les livres de Samuel. (Etudes
bibliques.) Paris, V. Lecoffre 1910. (VIII, 448 p.) gr. 8°

Diefer Kommentar ift als Teil der lttudes Bibliques
erfchienen, die uns fchon eine Reihe wertvoller Gaben
gefchenkt haben, ich erinnere an die Stüdes sur les
Religions Scmitiqucs von Lagrange und Vincent's Canaan,
fowie an die exegetifchen Arbeiten von Lagrange zum
Richterbuch, von Hoonacker zu den kleinen Propheten
und Condamin zum Jefaja. Der Verfaffer unferes Kommentars
ift, fo viel dem Ref. bekannt, bisher nur als
Affyriologe hervorgetreten — von ihm flammt eine Auswahl
affyrifch-babylonifcher religiöfer Texte in Trans-
fkription, Überfetzung und Kommentar — durch vorliegende
Arbeit hat er fich auch als altteftamentlicher
Exeget legitimiert. Abgefehen von den trefflichen Beiträgen
zur Text- und Literarkritik fowie zur Erklärung der
Bücher Samuel, dieN. Peters 1899 veröffentlicht hat, ift mir
keine Arbeit katholifcher Gelehrter zu Samuel bekannt,
welche in gleicher Weife den Anfprüchen, die man billiger
Weife zu ftellen berechtigt ift, entfpricht wie diefe, deren
unbeftreitbares Verdienft es ift, den Ertrag der wiffenfchaft-
lichen Arbeit der letzten Jahrzehnte für die franzöfifche
katholifche Theologie nutzbar gemacht zu haben.

Der eigentlich wertvollfte Teil des Buches ift der
textkritifche: hier zeigt fich der Verf. als gut gefchulter
Semitifl, der mit felbfiändigem Urteil die Vorarbeiten
von Wellhaufen, Budde, Smith u. ä. zu benutzen verlieht.
Diefe textkritifchen Noten, in denen D. auch die Über-
fetzungen zur Rekonftruktion heranzieht, nehmen den
meiden Raum ein und verdienen alle Beachtung, zumal
D. auch öfter feine affyriologifchen Kenntniffe glücklich
verwertet. Hinter der Überfetzung mit den exegetifchen
bezw. textkritifchen Noten folgt die Critique Uttiraire,
in welcher fich D. mit den verfchiedenen literar-kritifchen
Verfuchen auseinanderfetzt. Er fußt durchaus auf den
Arbeiten der deutfchen Gelehrten, wo er von ihnen abweicht
und feinen eigenen Weg geht, id er durch fachliche
Gründe bedimmt, nirgend macht fich die Dogmatik
geltend. Ob freilich die von dem Verf. vertretenen
Refultate Anerkennung finden werden, id mir fehr zweifelhaft
. Bisher galt es z. B. als allgemein anerkanntes
Refultat, daß Spuren von P. bezw. auf dem Standpunkt
von P. flehenden Schriftdellern im Sam. nicht zu finden
feien. Dh. bricht mit diefer Anfchauung und fchreibt P.
1 Sam. 2,27—36, 2 Sam. 3,2—5 und 7,1—29 zu, während
er die 2 Sam. 3,2—5 analogen Vv. in 2 Sam. 5 inkonfe-
quenter Weife R zuteilt. Die Gründe für die Zuweifung
von 2, 27—36 an P find mehr als dürftig. Treffend hatte
Budde auf die fachliche wie fprachliche Differenz zwifchen
2,28a und Dt. 10,8 fowie auf die Übereindimmung von
28b mit Dt. 18, I hingewiefen und daher in 28b ein Zeichen
deuteronomid. Bearbeitung gefehen, Dh. fchreibt demgegenüber
: lout le passage est de P. Lc mot iiwX est cha-
racteristique de P, unbekümmert darum, daß an der von
B. zitierten Stelle des Deut, ebendies iilBX fich findet.
Der zweite für P. geltend gemachte Grund foll das in
v 36 fich findende TGTO fein, während "1 Di« du v. 30
s'oppose d Pattribution a D.! Diefe Beweisführung id
charakteridifch für Dh.: lediglich aus einzelnen fprach-
lichen Wendungen, unbekümmert um alle fondigen Gründe,
derartige literarkritifche Fragen löfen zu wollen; hier
muß Dh. erkennen, daß der Unterbau für das Gebäude,

das er aufführt, zu fchmal und unfolide id. Das tritt in
fchärfder Weife in Dh.'s Stellung zu 2 Sam. 7 hervor.
Auch hier find es lediglich einige fprachliche Momente,
die er geltend macht, während er kein Wort darüber
verliert, wie fich die Stellung des Verf. von 2 Sam. 7
und feine Stellung zu dem Tempel mit einer derartigen
Zuweifung des Stückes an P. verträgt. Zudimmung dürfte
auch kaum Dh.'s Anficht über 1 Sam. 13,7b—15 finden,
er ficht hier ein genuines Stück von J ohne ein Wort
über das Verhältnis diefes Stücks zu 1 Sam. 15 zu verlieren
. Damit kommen wir auf die eigentlich fchwächde
Seite diefer Arbeit, nämlich die hidorifche Kritik. Die
kurzen Abfchnitte, die fich damit befchäftigen, find ja
mit großer Klugheit und Vorficht verfaßt, und öfter muß
man zwifchen den Zeilen lefen, auch aus dem Schweigen
des Verf. auf feine Stellung fchließen: aus allem ergibt
fich, daß Dh. kein Vertreter des darren principiis obsta
id, fondern nicht abgeneigt, der hidorifchen Kritik allerlei
kleine Konzeflionen zu machen. Im Ganzen aber wird
man doch nicht bedreiten können, daß Dh. zu jenen auch
in unfern Reihen nicht ganz ausgedorbenen Kritikern
gehört, die meinen, die traditionellen Vordellungen völlig
preisgeben, aber doch zugleich bei der auf diefen tradi-
i tionellen Anfchauungen beruhenden Gefchichtsauffaffung
bleiben zu können. Ich verweife zur Begründung nur
auf Dh.'s hidorifche Kritik von 1 Sam. I—7: hier figuriert
Samuel ruhig als Richter weiter und Dh. hält es gar
nicht für nötig, ein Wort über die völlige Unvereinbarkeit
der in Kap. 4, 1 ff. vorliegenden Nachrichten mit denen der
alten Quellen zu verlieren. Vgl. ferner zu 1 Sam. 13. 15. 17
ufw. Wer die Verhältniffe kennt, unter denen Dh. arbeitet,
wird fich freilich darüber nicht wundern und auch zu
mildem Urteil geneigt fein.

Jedenfalls id die Arbeit als Ganzes angefehen ein
erfreuliches Zeichen, welches beweid, daß die Fäden hinüber
- und herüber noch nicht völlig durchfchnitten find.

Straßburg i/E. W. Nowack.

Heinifch, Priv.-Doz. Dr. Paul, Die griechifche Philofophie
im Buche der Weisheit. (Alttedamentliche Abhandlungen
. Herausgegeben von J. Nikel. I. Band. 4. Heft.)
Münder i. W., Afchendorff 1908. (VII, 157 S.) gr. 8°

M. 4.20

Die vorliegende Schrift dient der Unterfuchung des
Verhältniffes der Sapientia zur griechifchen Philofophie.
Nach einer Einleitung, in der Heinifch einen Überblick
über die bisherige Behandlung der Frage gibt (S. 1—11)
und kurz das Verhältnis des Verfaffers der Sap. zu der
hellenifchen Bildung und zum jüdifchen Glauben be-
fpricht (S. 12—15), geht er nach einander der Frage
feiner eventuellen Beziehungen zu den vorfokratilchen
Philofophen (S. 15—35), zu Plato (S. 35—99), zu Stoizismus
und Epikureismus (S. 99—120) fowie zur jüdifch-
griechifchen Philofophie nach (S. 120—150). Nachdem
er dann noch mit Recht die Hypothefe effenifchen oder
therapeutifchen Urfprunges der Sap. abgewiefen hat
(S. 150—154), faßt er feine Ergebniffe in einem Schlußwort
(S. 155 f.) zufammen. Sein Refultat lautet: ,Dic
Bekanntfchaft des Autors von Sap. Sal. mit der griechifchen
Philofophie war eine fehr oberflächliche. Nicht
ein einziger flichhaltiger Grund läßt fich für die Behauptung
erbringen, daß er in ein Syftem tiefer eingedrungen
fei oder gar eine klaffifch-philofophifche Schrift
gelefen habe. Was wir von griechifcher Philofophie bei
ihm antreffen, find einzelne Worte und Wendungen,
welche aus dem Bereiche der Schulen längft ihren Weg
in das große Publikum, foweit es noch den Anfpruch
auf Bildung machte, gefunden hatten, eine Weisheit, wie
fie damals billig zu haben war . . . Von einem Studium
der griechifchen Denker kann bei ihm keine Rede fein.
Nur das ift wahrfcheinlich, daß er den Mythos von Her-