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Ausgabe:

1910 Nr. 24

Spalte:

753-755

Autor/Hrsg.:

Fleisch, Paul

Titel/Untertitel:

Zur Geschichte der Heiligungsbewegung. 1. Heft: Die Heiligungsbewegung von Wesley bis Boardman 1910

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 24.

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daher von feinem dankbaren Könige geehrt wie kein I bot ein Kapitel über ,Die moderne Heiligungsbewegung'
zweiter Geiftlicher in der ganzen Monarchie: 1812 ernannte [ (S. 107—153), das der Verf. in der zweiten Auflage aus
er ihn zum Generalfuperintendenten von Preußen, 1815 ftichhaltigen Gründen weggelaffen hat, ,um vielleicht ein-
zum Oberhofprediger an der Königlichen Refidenz-Schloß- | mal fpäter es gefondert zu behandeln' (S. 238). Von
kirche; 1816 zum Bifchof, 1829 zum Erzbifchof der evan- j diefer geänderten Behandlung liegt nun hier ein erdes
gelifchen Kirche, fchließlich 1831 zum Ritter des Schwar- Heft vor. Von dem, was S. 107—153 der erften Auflage
zen Adlerordens, mit dem der perfönliche Adel verbunden | der ,Gemeinfchaftsbewegung' zur Darftellung kam, ent-
ift. Borowski gehört ganz der oftpreußifchen Kirche an. j hält dies Heft noch nichts. Fl. hat das, was über die

Er war 1740 als Sohn des Küfters der Schloßkirche
geboren und in Königsberg auf derUniverfität vorgebildet.
Durch perfönliche glückliche Beziehungen erhielt er in

Heiligungsbewegung in Deutfchland zu fagen id, zweckmäßigerweife
in umfaffenderen Rahmen geftellt und ift
in diefem erften Hefte noch nicht einmal mit dem

dem noch jugendlichen Alter von 22 Jahren im fieben- Rahmen fertig geworden: er behandelt 1) die Lehre
jährigen Kriege die Stelle eines Feldpredigers im Re- von der Heiligung im Methodismus, zunächft bei Wesley,
giment von Lehwald 1762, dann 1763 in Bartenftein ; dann im (gleichzeitigen und fpätern)Methodismus (S.9—77),
Rationiert. 1770 wurde er Erzpriefter, d. i. Superintendent, 2) die amerikanifche Heiligungsbewegung bei Ch. Finney
in Schaaken bei Königsberg, 1782 Prediger an der Neu- ', (1792—1875), feinen Zeitgenoffen Mahan und Upham
roßgärtener Kirche in Königsberg. In diefer Stellung und ihrem Schüler W. E. Boardman, deffen Geburtstag
hat er 33 Jahre lang feine erfolgreichfte Tätigkeit ent- in diefen Tagen zum hundertften Male wiederkehrt,
faltet. Daneben war er mit arbeitsreichen Nebenämtern Befcheiden nennt Fl. fein Büchlein, wie er ausdrücklich
beladet: 1793 Kirchen- und Schulrat, 1805 Konfiftorialrat, f hervorhebt, nicht eine ,Gefchichte der Heiligungsbe-
1809 Oberkonfillorialrat, worauf 1812 feine Ernennung '• wegung', fondern nur einen Beitrag ,Zur Gefchichte der
zum Generalfuperintendenten erfolgte, der dann die j Heiligungsbewegung'. Um fo ferner liegt es mir, an
weiteren Ehrungen fich anfchloffen, die ihm zuteil wurden, ; dem Buche zu mäkeln. Es dient feinem Zwecke, weitere
bis er im Alter von 91 Jahren 1831 ftarb. Mit bewun- 1 für die Sache intereffierte Kreife über die Herkunft der
derungswürdiger Rüftigkeit war er amtlich tätig geblieben in der modernen Heiligungsbewegung umlaufenden Ge-
bis wenige Wochen vor feinem Tode: am 4. September 1 danken aufzuklären, gibt reichliche (ja m. E. nicht genug
1831 hat er feine letzte Predigt gehalten. Die letzten 1 befchnittene) Auszüge aus den Ausführungen der be-
vierzehn Jahre feines Lebens fielen in die Zeit kirchlicher handelten Vertreter der .völligen Heiligung' und zeichnet
Kabinetspolitik des Königs Friedrich Wilhelms III. Bei fich wie die früheren Bücher des Verladers durch ein
dem nahen Verhältnilfe, in welchem er zu feinem von gefundes, auf wirklichem Verftändnis Luthers ruhendes
ihm hochverehrten Könige fiand, ift es felbftverftändlich, : Urteil aus. Nur das kann man an dem Buche, ohne
daß er zu den Plänen des Königs nicht bloß äußerlich ( höhere Anforderungen zu ftellen, als es felbft befriedigen
Stellung nehmen mußte; war er es doch gewefcn, der im j will, ausfetzen, daß es die Perfönlichkeiten, deren An-
Unglücksjahre 1808 den verzagenden König auf Luther , fchauungen es befpricht, von Wesley fowie einer Angabe
gewiefen und fo den Anlaß gegeben hatte, daß Friedrich j über Finneys Geburtsjahr und gelegentlichen andern No-
Wilhelm III fich in die lutherifchen Gottesdiendordnungen | tizen abgefehen, dem Lefer nirgends vorflellt. Solche
vertiefte und aus ihnen — die Agende fchuf. Union feit Größen der Kirchengefchichte find Esther Rogers, W.
1817 und Agende feit 1822 befchäftigten damals alle Carvosso, Fofter, Mahan, Upham und Boardman doch
kirchlichen Kreife Preußens. Borowski, gemäßigt wie er nicht, daß der Lefer über ihre Zeit und Lebensumftände
war, hat fich, ohne fein bibelfeftes Luthertum zu verleugnen, nicht in einer Anmerkung aufgeklärt zu werden erwarten
die Union gefallen laffen, dagegen über die Einführung j könnte!

der Agende ernfte Bedenken geäußert, aber fchließlich Doch wenn auch dem Büchlein nicht bt dritten werden

in Gemeinfchaft mit feinem Konfiftorium nur erreichen foll, daß es leidet, was es leiden will, — daß eine ,Ge-
können, daß wie für andere Provinzen, fo auch für Od- i fchichte der Heiligungsbewegung' weiter ausgreifen und
preußen die Agende einen befonderen Anhang erhielt. ! tiefer graben müßte, foll doch nicht ungefagt bleiben.

Der Verfaffer der vorliegenden Schrift hat mit großer Es müßte eingefetzt werden fchon mit der lutherifchen
Mühe ein beträchtlichesQuellenmaterialzufammengebracht , und reformierten Orthodoxie. Denn fchon hier werden
und verwertet, verfügt dazu über eine reiche Kenntnis 1 justificatio und sanctificatio mehr auseinander geriffen,
der einfchlagenden Literatur und befleißigt fich einer als Fl.'s gut lutherifches Denken es für recht halt. So-
dreng fachlichen Dardellung in klarer, durchfichtiger dann wäre der Pietismus vor Wesley zu behandeln.
Form. Er hat der odpreußifchen Kirche einen großen > Hatte doch fchon 1689 der Züricher Kirchenrat wider einige
Diend geleidet. Und die fuperklugen Leute im deutfchen I Bürger und einen zugereiden Pfälzer Barbiergefclien zu
Reiche, die mit Mitleid auf ,Odelbien' fchauen, mögen verhandeln, weil fie durch die Thefe, daß ein Wiederaus
ihr erkennen, was doch für herrliche Charaktere fo- I geborner nicht mehr fündigen könne, Andoß gaben
gar ödlich von der Weichfei wachfen. (Schweizer, Zentraldogmen II, 751); und der,Perfektismus'

war einer der Irrtümer, welche die Orthodoxie, mit Unrecht
generalifierend, den Pietiden nachfagte, ufw. Es
würde bei folch weiterem Ausholen m. E. deutlich werden
, daß es in der Tat nicht richtig id, in Wesleys Gedanken
über die Heiligung prinzipielle Lehrdifferenzen
gegenüber dem gleichzeitigen Protedantismus zu finden
(vgl. RE 3 XII, 800, 14). Ich habe in dem Artikel .Methodismus
' der RE 3 abfichtlich diefe Behauptung über-
fcharf ausgebrochen (vgl. a. a. O. und S. 799, 1 ff.), weil

Göttingen. P. Tfchackert.

Fleifch, Paul, Zur Gefchichte der Heiligungsbewegung. Erdes
Heft. Die Heiligungsbewegung von Wesley bis Boardman
. Leipzig, H. G. Wallmann 1910. (136 S.) gr. 8°

M. 2—; geb. 2.80

Wer, wie der Unterzeichnete, dankbar das Buch ge-

lefen hat, in dem P. Fleifch, z. Z. Vereinsgeidlicher für es Unrecht id, die verdändigen Theologen der Metho-

innere Mi'ffion in Hannover (geb. 1878), ,Die moderne Ge- diden und Wesley felbd mit der theologifchen Unbildung

meinfchaftsbewegung in Deutfchland' kirchengcfchicht- und den Überfchwänglichkeiten der exzentrifchen Laien-

lich greifbar gemacht hat (1. Aufl. s. a. 1903, 2. Aufl. Theologie zu beladen, die man bei deutfchen Methodiden,

1906, Nachträge 1905 u. 1908 — vgl. diefe Zeitung 1909, auch folchen, die einmal ,dudiertl haben, kondatieren kann.

Sp. 657 f), de*r wird diefem neuen Buche desfelben Ver- SelbftbeidemgutenBuchvonGennrich(DieLehrevonder

faffers mit den gündigden Vorurteilen entgegenkommen. Wiedergeburt, 1907) id das vergeblich gewefen. Es wendet

Gehört es doch aufs engde mit den früheren Publikationen fich (S. 197) mit ganz ungenügendem Material gegen meine

zufammen. Die erde Auflage der .Gemeinfchaftsbewegung' Behauptung. Die Anknüpfung der Gotteskindfchaft an die