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Ausgabe: | 1910 |
Spalte: | 752 |
Autor/Hrsg.: | Lobstein, P. |
Titel/Untertitel: | La Connaissance religieuse d‘après Calvin. Etude d’histoire et de dogmatique 1910 |
Rezensent: | Eck, Samuel |
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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 24.
752
König David 90 Ortfchaften gefchenkt hatte — fie find
S. 57 ff. aufgezählt — war 175 Jahre lang verödet; nur
die Landleute kamen alljährlich noch zu einem Feft dort
zufammen. Die einzige Handfchrift, in der die Gefchichte
erhalten ift, wurde leider durch Feuer fehr befchädigt,
erft nachdem Roffini einen Auszug aus derfelben gemacht
hatte. Neben Stellen der Bibel, wobei z. B.
Joh. 8, 44 als Kap. 28; II, 51 als Kap. 13 und 108; 19, 34
als Kap. 161 zitiert wird, findet fich auch ein Zitat aus
Kap. 53 des Buches Henoch.
3) Die rieben Stücke, welche in diefen Bänden uns geboten
werden, find
I. Martyrium s. Basilidis (p. 1).
II. M. ss. lusti, Aboli et Theocliae (p. 73).
III. M. s. Theodori Anatolii (p. 103).
IV. M. ss. Apatris et Irenis (p. 145).
V. M. s. Claudii (p. 173).
VI. M. s. Victoris (p. 205).
VII. M. s. Sisinnii (p. 237).
Zu I—VI gehört je ein poetifcher Anhang. Die Stücke
gehören alle zufammen, f. S. 24. 32.
Nr. I foll von Papft Cäleftin unter Theodofius
(379—395) verfaßt und 1397 unter König David (1382
bis 1411) von Abba Simeon, einem Mönch des An-
tpniusklofters in Ägypten, aus dem Koptifchen ins
Äthiopifche überfetzt worden fein. Das Äthiopifche
habe viele Anklänge ans Arabifche; ein griechifcher oder
koptifcher Text fei noch nicht gefunden. Arabifch finde
fich die Erzählung in Paris; äthiopifch ift fie aus fieben
Handfchriften bekannt. Am merkwürdigfien und zugleich
deprimierendften war mir in den Stücken die
Herleitung der diokletianifchen Verfolgung aus der Erbitterung
des Kaifers über den Falfcheid, den ihm der
Erzbifchof Acacius von Antiochien aus Geldgier ohne
alle Scheu über der Hoftie gefchworen hatte (S. 13 ff.;
im Martyrium des Juftus S. 77 ff.; im Martyrium des
Theodorus heißt der Erzbifchof abba Caius und fchwört
fogar zwei Falfcheide). Der Kaifer läßt ihm das gefchmol-
zene Gold in den Mund gießen; aber der chriftliche Erzähler
verrät nicht die geringfte Befchämung über die
Tat des Erzbifchofs. In die Zeit Diokletians fallen alle
diefe Martyrien, deren Helden mit einander verwandt find,
fämtlich aus Antiochien Mammen, aber nach Ägypten zur
Aburteilung gefchickt werden. Zu vergleichen fei über
einzelne der Stücke Amelinean, Les Actes des Mariyrs
de l'Liglise copte, Paris 1890. Vom vierten (Apater) ift ein
koptifcher Text fchon von H. Hyvernat (Les Actes des
Martyrs de l'Egypte, Paris 1886) herausgegeben worden;
vom fünften (Claudius) gibt es eine franzöfifche Über-
fetzung eines arabifchen Textes (Amelineau, Contes et
romans de VEgypte chretienne II, 1—51). Zum letzten,
das bisher nur äthiopifch bekannt ift, fei auch R. Basset,
Les Apocryphes ethiopiens IV, IO zu vergleichen. Selt-
fam ift die Angabe am Schluß von V: Der Philofoph
Ariftoteles habe dies nach der Erzählung eines antiocheni-
fchen Sklaven des Klaudius, namens Anaftafius, gefchrie-
ben, und man habe es ,in bibliotlieca Cappadociae1 niedergelegt
; aus dem Arabifchen aber habe es Abba Salama
ins Äthiopifche überfetzt. Für die künftige LJrosopo-
grapläa Christiana bieten die Akten eine Menge der
feltfamften Namen. Über das Verhältnis der Überfetzung
zum Texte kann ich mir kein Urteil mehr erlauben; aber
hinzuweifen ift noch auf die poetifchen Anhänge, die
m Je 53 gleichgebauten Strophen das ,Bild' des Gefeierten
zeichnen, feine einzelnen Gliedmaßen grüßen:
orientalifche Seitenftücke zu dem abendländifchen Salve
Caput.
Maulbronn. Eb. Neftle.
Lobstein, Prof.P., La Connaissance religieuse d'apres Calvin.
Etüde d'histoire et de dogmatique. (Extrait de la
Revue de theologie et de philosophie de Lausanne.
Janvier—avril 1909.) Paris, Fischbacher 1909. (64 p.) 8°
Eine hiftorifche und dogmatifche Studie benennt
Lobfiein diefe Abhandlung. Die Schlußausfuhrungen
leiten die bei Calvin gewonnenen Einrichten über Wefen,
Beziehungen, Grenzen der religiöfen Erkenntnis über in
einen religiöfen und dogmatifchen Konfenfus, der, von
deutfchen und englifchen Theologen abgefehen, feine
Vertretung im Symbolismc von Sabatier und dem Ludeisme
von Menegoz findet. Deutfchen Lefern wird am ein-
fachften klar, worum es fich für Lobftein handelt, wenn
fie an Hermann Schultz's fchöne Abhandlung über Luthers
Anficht von der Methode und den Grenzen der dogmatifchen
Ausfagen über Gott (ZKG. IV, 1881) erinnert
werden. Ähnlich wie da bei Luther (vgl. auch W. Herrmanns
und Gottfchicks Arbeiten) fucht Lobftein bei Calvin
; Anfätze zu neuer Formulierung und Begrenzung der dog-
| matifchen Aufgabe nachzuweiien. Und zwar gilt das
1. von dem praktifchen Erfahrungscharakter, 2. den fub-
jektiven Bedingungen, 3. den unüberfchreitbaren Grenzen
der religiöfen Erkenntnis. Aber wenn mit alledem eine
methode evangelique, issue de la foi libre et personnelle
de Penfant de Dieu angezeigt erfcheint, fo koexiftierte
diefe in dem ehemaligen Mönch Luther mit der metliode
scolastique, essentielle a la religion a"autorite; und Calvin,
aufs tieffte von dem großen Vorgänger beeinflußt, hat
noch weniger als er beides auseinanderzuhalten gewußt,
er vermag noch weniger der Schrift gegenüber (ich die
Freiheit zu bewahren, und,flrengerden biblifchen Urkunden
unterworfen, verwechfelt er noch entfchiedener als Luther
die Autorität der Offenbarung mit der Autorität der
Schrift, dem entfprechend religiöfen Glauben (foi) mit
einem Fürwahrhalten (croyance) des Schriftzeugniffes.
S Dennoch weiß Lobftein an einer Fülle von Auslprüchen
des Reformators, zumal aus weniger bekannten Schriften
I und Predigten, die ebenfo befreiende wie begrenzende
Tendenz feines Verftändniffes des religiöfen Erkennens
nachzuweifen. Und wenn, fowohl dem Buchftaben der
Schrift wie dem überlieferten Dogma gegenüber, autoritärer
Intellektualismus überall durchbricht, fo wird es
die Aufgabe gereifter hifforifcher Einficht fein, die disparaten
Elemente von einander zu fondern, auf ihren
verfchiedenen Wert zu prüfen und danach für die eigne
Arbeit zu nutzen. Das ift kein neues Programm, aber
man wird es mit Freuden begrüßen dürfen, daß es unter
veränderten Verhältniffen wieder feine zukunftsfrohe Vertretung
findet.
Gießen. S. Eck.
Wendland, Paft. Walter, Ludwig Ernlt von Borowski, Erzbifchof
der evangelifchen Kirche in Preußen. Ein
Beitrag zur Gefchichte der oftpreußifchen Kirche im
Zeitalter der Aufklärung. (Schriften der Synodalkom-
miffion für oftpreußifche Kirchengefchichte. Heft 9.)
Königsberg i. Pr., F. Beyer 1910. (VIII, 104 S. m.
Bildnis.) gr. 8° M. 1.60
Eine der wirkungskräftigften Geftalten der neueren
Kirchengefchichte Oftpreußens ift ohne Zweifel Ludwig
Ernft von Borowski, der erfte evangelifche Generalfuper-
intendent des Landes, in der Zeit der Aufklärung ein
j biblifch frommer Prediger, als Theologe Lutheraner, aber
ohne jede Anwandlung von Schulfanatismus, dem wech-
felnden Zeitbewußtfein mit vollem Verftändnis gegen-
überftehend, Schüler von Immanuel Kant von deffen eifter
Vorlefung an und Mitglied feines engeren Freundeskreifes,
Kants erfter Biograph; dann im Greifenalter als Seelforger
der moralifche Halt des faft verzweifelnden Königs
Friedrich Wilhelms III feit dem Unglücksjahre 1808,