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Ausgabe:

1910 Nr. 23

Spalte:

731-732

Autor/Hrsg.:

Lorenz, Ottomar

Titel/Untertitel:

Der Konfirmanden-Unterricht 1910

Rezensent:

Bornemann, Wilhelm

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731 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 23. 732

raturund der Auslandspfarrftellen; ein alphabetifches Ortsverzeichnis
befchließt das lehrreiche Buch.

Die Ausflattung in Papier und Druck, in den Bildern
und Karten irt vortrefflich. Zu beandanden id das
fchriftftellerifche Ungefchick des Verfaffers, der ohne
alle Gliederung jeden Teil uuo tenore hingeflellt hat.
Auch darf wohl nicht unerwähnt bleiben, daß namentlich
in dem Abfchnitt über Jerufalem (175 —189) die Liebe
zu unterem Kaiferhaus wohl allzu devote Formen
annimmt.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Lorenz, Superint. Kreisfchulinfp. Dr. Ottomar, Der Konfirmanden
-Unterricht. (Praktifch-theologifche Handbibliothek
. Herausgegeben von F. Niebergall. 12./13. Band.)
Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1910. (VIII, 260 S.)
8° M. 3.80; geb. M. 4.40

Der verdiente Verfaffer bietet für Theorie und Praxis
des Konfirmandenunterrichts ein vortreffliches Handbuch,
das, mag auch feine Behauptung, es habe bisher eine
Theorie des Konfirmanden-Unterrichts gefehlt, unrichtig
fein, doch in vieler Hinficht einen Schritt vorwärts bedeutet
und fehr beachtenswert ift. In den fämtlichen
Abfchnitten feines Buches (1. Um was handelt es fich
im K.-U.? 2. Der Konfirmand. 3. Der Konfirmandenpaftor
4. der Unterricht) hat er mit Gefchick und Erfolg ver-
fucht, die Eigenart diefes Unterrichts herauszuarbeiten
und befonders feinem feelforgerlichen Charakter gerecht
zu werden. Er behandelt die Probleme fo, daß ich zu
meiner Freude in den meiften wefentlichen Punkten ihm
zuftimmen kann, wie ihm die Lektüre meiner ihm unbekannt
gebliebenen Schrift ,Der Konfirmandenunterricht
und der Religionsunterricht in der Schule in ihrem gegenteiligen
Verhältnis' (Gießen 1907) zeigen kann. Wenn
L. als Zweck des K.-U. ,die Stärkung der Konfirmanden
im Entfchluffe Jefu Jünger zu werden' bezeichnet, fo klingt
diefe Formulierung zwar religiöfer und individueller, liegt
aber doch eigentlich in derfelben Linie wie meine Definition
,Einführung in das chriftliche Gemeindeleben'.
Befonders wertvoll erfcheinen mir feine Ausführungen
über die Beibehaltung des Katechismus, über die Behandlung
des dritten Hauptftückes, über die Projektion der
religiöfen und fittlichen Wahrheiten in die Gegenwart,
fowie feine Forderungen, daß der K.-U. nicht Infpektions-
objekt fein dürfe und nicht nach einem bis ins Kleinfte
geregelten Lehrplan überall gleichmäßig erteilt werden
könne, und daß bei dem Katechismus nicht der Text,
fondern Luthers Erklärung für uns das eigentlich Maßgebende
fei. Die allgemeinen Gefichtspunkte der Stoffabgrenzung
und Stoffverteilung kann ich anerkennen.
Nur halte ich die Durchnahme von 6 Propheten (S. 145)
für viel zu umffändlich, wenn dabei wirklich ein dauernder
Ertrag gewonnen werden foll. Der reiche und fachgemäße
Stoff, den L. bei dem erften und zweiten Hauptflück
behandeln will, fcheint mir doch z. T. mehr in die Predigt
als in den Unterricht zu paffen, dürfte aber wenigftens
m. E. in der zur Verfügung flehenden Zeit nicht ganz zu
erledigen fein. Dagegen glaube ich, daß die konfeffio-
nellen Fragen wohl in rechter Genauigkeit und Gerechtigkeit
behandelt fein wollen, aber nicht ,in rechter Kürze'
(S. 136); gerade hier fehlt bei L. die Anleitung. Daß
die Unterfchiede der Evangelien gelegentlich bei dem
fünften Hauptflück zur Sprache kommen follen, halte ich
für einen didaktifchen Mißgriff. Wenn in die ,Heimatskunde
' die Konfeffionen und Sekten und die Religionen
der Erde einbezogen werden (S. 131), fo fcheint mir das
doch zu weit. Neu und intereffant find die didaktifchen
und pädagogifchen Konfirmanden-Analyfen (S. 68—89),
die ich dringend zum Studium empfehle, freilich nicht
zur Nachahmung in fchrifdicher Fixierung, fondern zu
ernfter, feelforgerlicher Überlegung. Die Schilderung der

Lebensalter und Temperamente (S. 50ff. Ö4ff.) ifl reichhaltig
und im Allgemeinen fehr zutreffend, gibt aber im
letzten Grunde doch auch nur eine gewiffe, nicht überall
ausreichende Schablone. Immerhin entfpricht fie der
notwendigen Forderung, daß der Pädagoge und Seel-
forger unabläffig praktifche Pfychologie treiben muß.

Hier und da finden fich Übertreibungen, die fich freilich
flets aus der Liebe zur Sache erklären: die Lehre vom
K.-U. müffe eine befondere Wiffenfchaft werden (S. 107),
der K.-U. fei gegenwärtig der Verfumpfung verfallen (S.
110), der Rat, Schulentlaffung und Konfirmation zu trennen,
fei Seelenmord (S. 52), zwifchen Konfirmand und Seelforger
beflehe ein Ewigkeitsverhältnis (S. 63), alles Auswendiglernen
gehöre unter normalen Verhältniffen in die Schule
und nicht in den K.-U. (S. 35. 144), für die Konfirmanden-

I ftunden kommt nur dieZeit innerhalb des fchulplanmäßigen
Unterrichts in Betracht (S. 127), Unterricht im Vollfinne
des Worts verfolge flets perfönliche Ziele (S. 19), im
K.-U. follen nur Lieder gefungen werden, deren Melodie
und Text den Kindern bekannt feien (S. 139), das A. T.
verflehe, wer die Propheten verftehe (S. 145), der Paftor
folle die Kinder mit der vollen und umfaffenden Rüflung
des Glaubens verfehen (S. 105) u. a. m. Die Forderung:
,der Paftor foll die lebendige Verkörperung feiner Lehren
fein' ift gewiß richtig (S. 91), ebenfo wie der Satz ,Kinder,
deren Perfönlichkeitsentwicklung noch keinen Anfang

j gemacht hat, find noch unreif für den K.-U.' (S. 124),
aber ihre Anwendung in der Praxis ifl nicht ganz einfach.

: Selbflein idealer Konfirmandenpfarrer, wie L. ihn fchildert
(S. 105), kann nicht ohne Weiteres ,die Kinder mit Gottes

l Hülfe zu dem machen, was fie fein und werden follen',

i fondern Gemeinde und Familie fpielen dabei die Hauptrolle
, und es fragt fich fehr, ob Kinder aus den kurzen
Stunden und einigen fondigen Eindrücken wirklich fchon
das Verftändnis dafür gewinnen können, daß der Pfarrer
,die lebendige Verkörperung feiner Lehren' ift. Den
Erfolg wird man auch mit der betten Methode, auch unter
Berückfichtigung der gewiß richtigen Förfterfchen Intentionen
(S. 177) nicht fichern können. Wir können in

) diefer Hinficht nicht nüchtern genug und nicht befcheiden
genug fein. 1. Kor. 3,7.

Etwas künftlich erfcheint mir das, was auf S. 2 ff.
über einzelne Bezeichnungen, z. B. vMXfiyjaiv, nicht ganz

I genau, was S. 9 über die öffentliche und allgemeine Ein-

I führung der Konfirmation, mehr geiftreich als klar das,

I was S. IOI über die ,feelforgerliche Methode' gefagt wird.

1 Die Darlegungen über das öffentliche und gemeinfame

1 Gebet halte ich mindeftens für einfeitig (S. 211); aus dem
Gebet Jefu in Gethfemane können für die Frage nach

1 dem Charakter und Inhalt des Gebets fchwerlich fo all-

I gemeine Folgerungen gezogen werden. Am meiden er-
daunt haben mich die Urteile über Luthers Erklärung des
vierten und fünften Hauptdückes, gerade bei der verdän-

i digen Art, wie L. felbd wenigdens Luthers Worte zum 4.

j Hauptdück verwandt hat. Wo ,kämpft Luther bei dem
fünften Hauptdück mit den Waffen fpitzfindigerScholadik'?!
(S. 168). Und id es wahr beim vierten Hauptdück: ,da

[ grind uns gleich in der erden Frage das blanke fchola-

| difche Totengerippe an'? (S. 162).

Alle diefe Ausdellungen follen dennoch nicht den
Wert und Erfolg des von wärmder Begeiderung getragenen
und durchaus gediegenen Buches in Frage dellen,
fondern nur zu eifrigem kritifchem Studium und ernder
praktifcher Erprobung feiner Urteile, Winke und Rat-
fchläge anregen. Rune lebhafte Diskuffion kann die Frucht
und den Segen diefer Arbeit nur fördern.

Frankfurt a. M. Bornemann.