Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1910 Nr. 23

Spalte:

720-721

Autor/Hrsg.:

Trésal, J.

Titel/Untertitel:

Les Origines du Schisme Anglicain (1509-1571) 1910

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

719 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 23. 720

Richter entworfenen fehr bezeichnenden Bilder wieder. Angelici will Heinrich VIII. nicht als ,Scheinkönig'
Vor allem aber bringt er Klarheit in den noch vielfach fondern als armfeliges Königlein kennzeichnen. Die
dunkeln Lebensgang Zieglers mit feinen wunderlichen Frage Riezlers S. 246: Sollte der Proteftantismus
Zickzackwegen, die von Ingolftadt nach Köln, weiter zu j vor (Bayerns) Volke Halt gemacht haben, weil dem
feinem früheren Lehrer Celtis nach Wien und dann nach ! Volksgeift feine mehr innerliche Richtung und
Mähren, nach Leipzig, dann wohl über Erfurt wieder ■ die Verwerfung aller finnlichen Elemente in der
zurück nach Wien und 1514 nach Ofen mit feiner Cor- ; Religion widerftrebt? ift des Nachdenkens wert,
vinusbibliothek führen. 1521—25 weilt er in Rom, wo der j Schottenloher beruft fichfür ihre Bejahung aufjak. Ziegler,
einfüge Verteidiger der römifchen Kirche gegen die 1 der fich Frömmigkeit und Gottesverehrung nicht denken
böhmifchen Brüder einer der fchärfften Gegner des könne ohne einen Gottesdienft, der die Herzen erhebt
Papfttums, vor allem Clemens VII. und des ganzen . und freudig fümmt, ftatt niederzudrücken (!). Ihm gegendamaligen
römifchen Kirchenwefens wird und felbft an über fteht eine große Zahl bayrifcher Theologen, die
Karl V. verzweifelt, als diefer fich mit dem Papft ver- I fich der Reformation angefchloffen haben und außerhalb
föhnt, fich von ihm krönen läßt und ihm Knechtsdienft I Bayerns wirkten, wie Steph. Agricola, Kafpar Güttel,
leifter. In Ferrara lernt er den kranken Georg von Leonh. Reiff, gen. Beyer, Arf. Seehofer und andere. Aber
Frundsberg kennen. Schottenloher weift nach, daß Rankes ; noch mehr zeugen die da und dort auftretenden AnAnnahme
unhaltbar ift, daß Ziegler Frundsberg auf feinem hänger der Reformation im Herzen Bayerns davon, daß
italienifchen Feldzug als Sekretär begleitet habe. In der Stammescharakter der Bayern in keiner Weife gegen
Ferrara und Venedig, das er grimmig haßt, mit wiffen- 1 den Proteftantismus immun war. Vgl. den Freundeskreis
fchaftlichen Arbeiten befchäftigr, knüpft er durch feinen j von Mich. Heydnecker, Beitr. z. bayr. K.G. XV, 1 ff., die
Freund Richter mit den deutfehen Proteftanten, mit j zahlreichen Opfer der Kelchbewegung und die Strau-
Wittenberg, mit Landgraf Philipp von Heffen und mit binger. Das einzige Hindernis für das fieghafte Eindringen
den Straßburgern an, die ihm die Mittel zur Rückkehr I des Proteftantismus in Bayern war die Politik der Herzoge

und eine forgenlofe Muße durch einen Jahresgehalt von
lOOfl. verfchaffen. Aber man fühlte fich beiderfeits ent-
täufcht. Ziegler fand die Verhältniffe in Straßburg anders,
als er fich vorgeftellt hatte. Hier war man nicht mehr
mit dem Abbruch des alten Wefens, das unrettbar am
Boden lag, fondern viel mehr mit der fchwierigen Frage
der Neuordnung der Kirche und Fertigung derfelben
in Lehre und Leben befchäftigt. Die alten Humaniften,
voran der haltlofe ehemalige Speierer Weihbifchof Ant.
Engelbrecht konnten fich in die neue fefte Ordnung
nicht finden. Butzers Einfluß war ihnen zu übermächtig.
Es kam zum Bruch auf der Synode Juni 1533. Ziegler
verbreitete in der Stille eine kleine Schrift, in welcher
er fich gegen die neue Kirchenverfaffung ausfprach, die
ihm nur zum Schutz der ihm anftößigen Prediger zu
dienen fchien. Butzer und Genoffen klagten nicht mit
Unrecht über Zieglers Undankbarkeit, der fich der Verantwortung
vor dem Rat entzog, nach Baden-Baden ging
und fortan mit den Proteftanten brach, aber feine papft-
feindliche Gefinnung fefthielt und fich zu den Kompromißkatholiken
hielt. So trat er in den Dienft des Markgrafen
Ernft von Baden, zu deffen Charakteriftik ZGOR XIX,
55ff. zu vergleichen ift, dann ging er nach Wien und
übernahm an der tiefgefunkenen Univerfität eine theologifche
Profeffur, wobei er biblifche Vorlefungen hielt.
Aber die Türkengefahr und die troftlofen Verhältniffe
der Univerfität ,in qua nulla et unitas et concordia', ,omnia
dissipata iacere ac /actione quadam perniciosa laborare
turbarique undique videmus1, (Epistolae miscellancae ad
Nauseam 417) trieben ihn c. 1544 weiter.

Der große Humanift fand eine fülle Ruheftätte bei
dem friedlich gefinnten humaniftifch gebildeten Bifchof
Wolfgang von Salm in Paffau, wo er noch bis zu feinem
Tod 1549 literarifch tätig war. Am Schluß gibt Schottenloher
ein Verzeichnis der gedruckten und handfehriftlich
erhaltenen Schriften und der Briefe und Widmungen des
vielfeitigen und begabten bayrifchen Gelehrten, der das
Denkmal wohl verdiente, das ihm Schottenloher mit feiner
Arbeit gefetzt hat, die uns aufs neue belehrt, daß die
eifiigften Stürmer häufig zu Bremfern werden, und daß
der Humanismus, fo Mark er in der Oppofition und

unter dem Einfluß der beiden Eck. Daß aber vielleicht
heute in Bayern ,die mehr innerliche Richtung' des Proteftantismus
im Volk weniger Verftändnis finden mag als
vor 300 Jahren, wäre nach der langen Einwirkung des
jefuitifchen Frömmigkeitsideals nicht überrafchend.

Stuttgart. G. Boffert.

Tresal, J., Les Origines du Schisme Anglicain (1509—1571).
(Bibliotheque de l'enseignement de l'histoire eccle-
siastique.) Paris, Librairie Victor Lecoffre 1908.
(XXIII, 460 p.) 8° fr. 3.50

In Nr. 9 diefes Jahres befprach ich den neuen,
zweiten Band von Tixeronts Histoire des Dognies.
Wie diefes Werk gehört auch das von Trefal zu einer
beachtenswerten katholifchen Sammlung von Monographien
, der ,BibliotIieque de l'enseignement de l'histoire
ecclesiastique'. In nüchterner guter Gelehrfamkeit ift
hier bis jetzt fchon eine ganze Reihe von belangreichen,
kirchenhiftorifchen Thematen behandelt. Die Sammlung
will einer Anregung Folge leiden, die Leo XIII. gegeben
hat (in einem Pontifikalfchreiben an die Kardinäle de Luca,
Pitra und Hergenröther, 1897). Der Standpunkt der Verlader
verbirgt fich nicht, er ift durchaus der klerikale,
aber er wird ohne Gehäffigkeit vertreten. Das Buch von
Trefal prunkt etwas mit den ,Quellen', die benutzt feien.
Ich zweifele nicht daran, daß der Verf. fie alle durchblättert
hat. Aber von tiefem Schöpfen ift keine Rede, kann
es nach Lage der Dinge in einem folchen knappen Buche
gar nicht fein. So, denke ich mir, foll der Hinweis auf
den enormen Apparat, den der Forfcher gegenwärtig für
die Zeit, die in Frage fteht, befitzt, andere zur Vertiefung
in die Spezialitäten anregen. Die Überficht, die Tr.
gibt, mag als (immerhin recht forgfältig gearbeiteter)
Rahmen für eine erhoffte Serie weiterer Studien gelten.
Das Buch umfaßt, nach einer kurzen Einleitung, die bis
auf die Wyclyffie und ihre Vorbereitungen zurückgeht,
die Periode von der Thronbefteigung Heinrichs VIII.
1509, bis zu der Exkommunikation Elifabeths 1570 und
der letzten Redaktion der 39 Artikel, bez. denjenigen
Negation fein mag, für die Pofition, für den Aufbau der Strafgefetzen für alle Untertanen der Königin, mit denen
Kirche nicht die nötige Kraft befitzt. das Parlament die Aktion des Papftes beantwortete,

Die Heimat des Martin Richter S. 33 Rebitz dürfte 1571. In diefem Jahre wurde die ,Kirche von England'
eher Reibitz A.G. Delitzfch fein, in deffen Umgebung definitiv gefetzlich .etabliert'. Ich finde die Schilderung
fich Richter finden (Buchwald Ordiniertenbuch 1, 534, der ftaatlichen Aktionen und Reaktionen unter Heinrich
844) als Redwitz. S. 156 Anm. ift Todischus Beiname und feinen zur Krone gelangenden drei Kindern, Eduard,
des Thomas Rhadinus von Piacenza, Wetzer und Welte, j Maria, Elifabeth, die Tr. gibt, recht klar und, foweit ich
KL. 10, 729. Z. will ihn als Mann phäakifchen Lebens- 1 fehe, im Tatbeftande als folchem richtig. Aber man
genuffes (Corcyrensis) bezeichnen. Reguli quantumvis 1 kann diefe Gefchichte zweifellos viel tiefer erfaffen, als