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Ausgabe:

1910 Nr. 23

Spalte:

711-712

Autor/Hrsg.:

Ehrlich, Arnold B.

Titel/Untertitel:

Randglossen zur hebräischen Bibel. Textkritisches, Sprachliches und Sachliches. 2. Bd.: Leviticus, Numeri, Deuteronomium. 3. Bd.: Josua, Richter, I. u. II. Samuelis 1910

Rezensent:

Frankenberg, Wilhelm

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/-II

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 23.

712

Es ift felbftverftändlich, daß ein Rezenfent bezüglich
der Einzelurteile in zahllofen Fällen dem Verf. nicht
zuftimmen kann; dazu find der Punkte, die wiffenfchaft- j
lieh umftritten find, doch gar zu viele. Doch darauf j
kommt es bei der Beurteilung des Werkes als eines
Ganzen nicht an. Auf zweierlei aber möchte ich hinweifen
, worin der Verf. bei einer Neubearbeitung wohl, j
ohne prinzipielle Änderung feines Standpunktes, eine
beffernde Hand anlegen könnte. Bei der Behandlung
der Propheten könnte die zeitgefchichtliche Bedeutung
ihrer Wirkfamkeit doch etwas ftärker gewürdigt werden,
fo daß der Schein vermieden würde, als fei die mef- '
fianifche Weisfagung bei ihnen doch mehr oder weniger
die Hauptfache; in der jetzigen Form der Ausführung
kommt das, was S. 131 f. prinzipiell ausgefprochen ift,
daß nämlich die Propheten in erlter Linie auf ihre Zeit- j
genoffen einwirken wollen, doch nicht genügend zu
feinem Recht. Und fodann paffen die erften Kapitel
(§ 1—3) nicht recht in den Aufbau des Buches hinein.
Der Verf. behandelt hier die Urgefchichte (befonders j
Schöpfung, Sündenfall und Sündflut). In die hiftorifche j
Entwicklung paffen diefe Ausführungen nicht, weil die
hier zum Ausdruck kommenden Gedanken nicht die der
vormofaifchen Zeit find. Im Rahmen des Ganzen ver-
ftändlich werden diefe Ausführungen doch nur dann,
wenn fie am richtigen hiftorifchen Platz gegeben werden
, nämlich etwa in Verbindung mit § 19 (Einfluß des
prophetifchen Zeugniffes auf das Volksleben). Auch die
Behandlung der Patriarchengefchichten würdebeffer bei der
Befprechung des Jahwiften und Elohiften vorgenommen.
Dadurch würde zugleich das Bild des religiöfen und fitt-
lichen Erkenntnisftandes etwa im 9. und 8. Jahrh. ganz
wefentlich bereichert werden können.

Halle a. S. C. Steuernagel.

Ehrlich, Arnold B., Randgloffen zur hebräilchen Bibel. Text-
kritifches, Sprachliches und Sachliches. Zweiter und
dritter Band. Leipzig, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung,
gr. 8«

2. Bd. Leviticus, Numeri, Deuteronomium. 1909. (355 S.) M. 8—.
— 3. Bd. Jofua, Richter, I. u. II. Samuelis. 1910. (346 S.) M. 8—.

Der zweite und dritte Band der Randgloffen zur
hebr. Bibel umfaßt textkritifche, fprachliche und fachliche
Bemerkungen zu den Büchern Levit. bis II. Sam. Wieviel
in der Erklärung des Textes des Alten Teftaments noch
zu tun ift, wie fehr wir im Verftändnis der einfachften
Stellen noch zurück find, wie wenig angebracht die felbft-
zufriedene Genügfamkeit unferer Kommentare ift, wird
jeder vorurteilslofe Lefer aus diefem Buche merken. Es
ift mir zum Vorwurf gemacht worden, daß ich den Wert
diefes Werkes zu hoch eingefchätzt hätte. Ich kenne
die Fehler desfelben fehr wohl und habe fie auch nicht
verfchwiegen; wer aber Willen und Fähigkeit zum Lernen
nicht verloren hat, wird dankbar anerkennen, daß das
Werk eine Fülle neuer Beobachtungen und unter ihnen
fehr viele zweifellos richtige enthält. Die religionsge-
fchichtlichen Anfchauungen des V. find freilich oft felt-
fam und die fouveräne Verachtung, mit der er die Arbeit
der Schule links liegen läßt, macht ihn einfeitig; aber
wie gern nimmt man diefe Einfeitigkeit mit in den Kauf
bei einem Manne, der die Sprache des A. T. fo verlieht,
befonders in einer Zeit, in der die grammatifche Bildung
darnieder liegt. Sehr beherzigenswert ift was Band 3,
S. 180 über den Wert refp. den Unwert der LXX gefagt
wird. Fraglos wird die griechifche Uberfetzung viel zu
fehr bei den Unfern überfchätzt, obwohl der Verf. hier und
da in feiner Mißachtung zu weit geht. In I. Sam. 6
ftreicht er mit Recht die Maufe neben den Penbeulen
vgl. S. 187. I. Sam. 14, 33 lieft er für arn3Ü richtig n^TlVnb
ebenda Vers 36 EID; und DTO für "nDil und ebtt, für
13ÜJ1 in V. 39 rflyi. Schon in dem hebr. Werk war I. Sam.

5,4 richtig erklärt; natürlich hat fich niemand von den
Unfern um dies Werk bekümmert, und der letzte Über-
fetzer hat wieder das finnlofe ,nur fein Rumpf war ihm
geblieben'. Aus der Fülle der Konjekturen und neuen
Erklärungen hebe ich nur folgende hervor: Jof. 2,17. 19.
Jud. 3,15. 6,4. 9,9. 12,1. I. Sam. 9,5. 2,20. 6,5. 19,11.
20,19. 29. 21,12. 14. 25,10. II. Sam. 2,16. 18,12. 13. 4,1.
I. Sam. 25,31. 22,18. Seine Kritik an Wellhaufen ift, trotz
des befferen fprachlichen Verftändniffes einzelner Stellen,
doch zumeift unglücklich, vgl. I. Sam. 14,41. 25,22, 10.7.
Die Stelle Mifchnah Joma 6,4 in Bd. 2, S. 57 ift falfch
verftanden; nicht den Führer zaufen dort die Gaffenjungen
am Bart, fondern den Sündenbock felbft um feinen Gang
zu befchleunigen. Schwerer als die nicht feltenen Irrtümer
— Lev. 16,21. Jof. 7,13. 21. 9,2. 10,6. 14,8 (x;a
11 ms) 18,11. Jud. 6,34. 13,15. I Sam. 10, 1. 7. 14,41.
17,26. (vgl. den Text v. 30) 26, 20 ufw. —wiegt die ethifche
Entgleifung, die der Verf. fich auf S. 54, Bd. 3 zu Schulden
kommen läßt. Mit Beleidigungen kann man nichts fördern
, die Wiffenfchaft am wenigften, wohl aber der Sache,
die man vertritt, bei Vielen fchaden. Die ,Erbärmlichkeit'
in der altteftamentlichen Wiffenfchaft ift in erfter Linie
eine Folge der allgemeinen fchlechten philologifchen
Vorbildung, unter der nicht nur die Theologen feufzen,
und des Mangels an Achtung vor dem Verftand der
Alten, denen man alles zutraut.

Ziegenhain, Bez. Caffel. Frankenberg.

Biichler, Principal of the Jews' College Dr. ph. A.: The
Political and the Social Leaders of the Jewish Community ,
of Sepphoris in the Second and Third Centuries. (Pu-
blication No. 1.) London, Jews' College, o. J. [1909].
(92 p.) 80

Nach einer Einleitung, die von den rabbinifchen
Quellen für das Thema B.s handelt, fpricht er in fünf
Kapiteln von 1) den Führern der jüdifchen Gemeinde in
Sepphoris, 2) von den jüdifchen amtlichen Richtern in
Sepphoris im 2. und 3. Jahrhundert, 3) von den Reichen
der jüdifchen Gemeinde in Sepphoris, 4) von der Bevölkerung
von Sepphoris in ihrem Verhältnis zu den Rab-
binen, 5) von dem Unterhalt der Gelehrten in Sepphoris.
B. bietet eine Fülle von Ausfprüchen derjenigen Rabbineri
dar, die in Sepphoris, diefer bedeutenden Stadt Galiläas,
nordweftlich von Nazareth, gelebt haben, und fchließt
aus diefen Ausfprüchen, auch den anonymen, auf die
I politifch-fozialen Verhältniffe der jüdifchen Gemeinde
diefer Stadt in den erften drei Jahrhunderten. Er weift
, nach, daß vor ca. 130 in Sepphoris reiche Leute an der
Spitze der jüdifchen Gemeinde ftanden und diefe den
Römern gegenüber vertraten, daß diefe führenden Kreife
j wenig Gefetzeskenntnis befaßen, auch fittlich nicht befonders
hoch ftanden. Ferner fchildert er, wie infolge
der Hadrianifchen Verfolgungen fich mehr und mehr die
i Schriftgelehrten in Sepphoris anfiedelten und dadurch
eine Oppofition gegen die Reichen gefchaffen wurde,
die zugleich einen Gegenfatz der meift armen Scbriftge-
lehrten gegen jene weltlichen Vornehmen darfteilte. Ein
reichhaltiger und forgfältig angefertigter Index erhöht
i den wiffenfehaftlichen Wert diefes Buches, das es ver-
' dient, ins Deutfche überfetzt zu werden. Wenn B. S. 3
die Angaben des Jofephus ablehnt, fo ift das infofern
! nicht berechtigt, als er dem Jofephus mancherlei hätte
entnehmen können, was die rabbinifchen Angaben er-
1 gänzt. B. hätte Schürer, Gefchichte des jüdifchen Volkes
II4 S. 209 ff. nachlefen und verwerten follen. Er hätte
dann bei Schürer a. a. O. S. 211 auch die Stelle Kid-
dufchin IV 5 gefunden, deren Behandlung ich in feinem
! Buch vermiffe.

Gotha. Fiebig.