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Ausgabe:

1910

Spalte:

677-679

Autor/Hrsg.:

Greßmann u. a., Hugo

Titel/Untertitel:

Die Schriften des Alten Testaments, in Auswahl neu übers. u. für d. Gegenwart erklärt. 1. - 3. Lfg 1910

Rezensent:

Frankenberg, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 22. 678

fich eigentümlich zu verfärben beginnt, nicht zu reden I etwas anderes als ,eine höchft individuelle Angelegenheit'

von dem rein gefchichtlichen Intereffe, das Tie haben gewefen wäre! Natürlich ift unfere Erzählung ,religions-

zum Verfländniffe mancher eigentümlicher gefchichtlicher hiftorifch' von bedeutendem Intereffe. ,Da Hanna leife

Erfcheinungen auf andern Raum- und Zeitgebieten (Or- t betet, fo daß man ihre Stimme nicht hört, hält Eli fie

gien, Raferei, Dionyfien?, Mithradienft?), die gleichfalls in für trunken. Für den Frieder ift demnach das leife Ge-

urfprünglichen Eingeiftungsriten — denn das ift der bet etwas Seltenes und Ungewohntes; damals muffen

Sinn der Sache — zu wurzeln icheinen. Ellis erzählt laute Gebete durchaus die Regel gewefen fein.' Hier

fchon von .Klöftern' an der Küfte. Und auch Spieth er- ; ift jeder Satz falfch; nicht weil fie leife betet, hält Eli

wähnt ganz gelegentlich die ,Yehweklöfter'. Daß es fich t fie für trunken, fondern weil fie fich fo lange und fo

hier um Einrichtungen der Eingeiftung handelt, fieht man feltfam bei der Gottheit zu fchaffen macht; daß fie

aus Ellis. Wir wüßten gern genaueres darüber. Wenn ! leife betet, wird in einem Nebenfatze nur erwähnt,

diefe Dinge aber vorhanden find, fo muß man dann um den Irrtum des Priefters, er habe es mit einer Be-

auch das Maskenwefen erwarten, das überall das ge- trunkenen zu tun, erklärlich zu machen: hätte er ihr

naue Korrelat zu jenem ift. Ift das in den mittleren
Stämmen wirklich fo verfchwunden, daß faft gar nichts
mehr zu berichten warf — Aber nicht folche Fragen,
fondern der aufrichtige Dank für fo langen, fo uner

Gebet hören können, fo wäre diefer Irrtum ihm genommen
worden. Alle religionsgefchichtlichen Folgerungen,
die der Verf. zieht, find damit hinfällig. Überhaupt ift
er mit folchen P (abgerungen fehr fchnell fertig. Aus

müdeten und fo erfolgreichen Fleiß foll den Befchluß der Gefchichte I. Sam. 5 und aus der ähnlichen Er-
machen. Zählung bei Marcus diaconus aus chriftl. Zeit(!) wird

Göttinnen R. Otto. S: *3 gefchloffen: ,es fcheint, als ob derartige Motive

_° '___._1_ von dem Sieg des einen Gottes über den anderen ge-

,. ... f „ rade bei den Phililtern beliebt waren'; wer z. B. die fyr.
Die Schriften des Alten Teftaments in Auswahl neu uberfetzt acta marL ct sanct „elcfen hat> weiß> daß foiche Er-

und für die Gegenwart erklärt von Prof. Lic. Dr. Zählungen ganz gewöhnlich find. Eben fo kühn ift der
Hugo Greßmann, Prof. D. Herrn. Gunkel, Priv.-Doz. Schluß, der S. 35 aus einer ägyptifchen Parallele zu
Paft Lic Hans Schmidt und Prof. D. W. Stärk. (In Sam. 10, 17—27 gezogen wird. Unbegründet ift auch
etwa 28 Lieferungen.) 1.-3. Lfg. Göttingen, Vanden- *e Behauptung S 18 Stiftszelt und falomonifcher
, , „ ' ° ' t on 1 o Tempel waren eine Nachbildung des Himmels. Woher

hoeck & Ruprecht 1909. Lex. 8U Je — bo , der Verf_ 5, 25 weiß, Sam. fei jetzt gerade herabgekom-

Es ift fraglos ein glücklicher Gedanke, den Laien men von der Bama und wolle binnen kurzem zu ihr
durch eine gute Überfetzung der wichtigften Texte des zurückkehren, ift unerfindlich. Ebenfo falfch ift die Bealten
Teltaments dies ehrwürdige Buch von neuem in- hauptung S. 25, Sam. wäre, um feine Gälte zu ehren,
tereffant zu machen; auch haben fie nachgerade ein noch einmal in die Stadt geeilt und ihnen bis ans
Recht darauf, daß ihnen die feftftehenden ,Ergebniffe' Tor entgegen gegangen, um fie zu begrüßen. Der
der wiffenfehaftlichen Arbeit an diefem Buche möglichlt Grund, weshalb er zum Tore geht, an dem er Saul
nahe gebracht werden. Darin liegt aber auch zugleich trifft, ift ja deutlich angegeben, er ift auf dem Wege
ausgefprochen, daß man fich bei einem folchen Verfuche zur Bama; wenn das aber der Weg zur Bama ift, dann
möglichfte Zurückhaltung auferlegt und nur das bietet, find alle die Folgerungen des Verf. hinfällig. Ein ganz
was fich einer befonnenen Betrachtung als Ergebnis be- falfcher weichlicher Ton wird in die Saulsgefchichte
währt hat. Bei aller Zultimmung zu dem Zweck des I. Sam. 9 eingetragen durch die Betonung der ,Schönvorliegenden
Werkes muß ich doch ausfprechen, daß heit des Jünglings'. So häufig der Verf. unfre Gedanken
man diefe Zurückhaltung oft vermißt. Die Erklärungen auf den ,ausgefucht fchönen Jüngling' — das foll die
der Texte find oft nicht nur perfönlich, fondern zum uberf. von 31121 "TO-D fein! — hinlenkt, die herbe Erteil
ganz fubjektiv. Der gebildete Lefer muß aus der Zählung berichtet uns nur einmal über fein Äußeres, und
Lektüre der mir vorliegenden drei Lieferungen von den danach ift Saul ,weder Jüngling, weder fchön', fondern
Ergebniffen der wiffenfehaftlichen Arbeit eine ganz ver- nichts als ein robufter hoch gewachfener Gefeile; über
kehrte, zum minderten fehr einfeitige Anfchauung be- fein Alter wird gar nichts gefagt, nichts hindert uns, ihn
kommen. Die gut gemeinte Modernifierung der Ge- als reifen, verheirateten Mann vorzuftellen. Viel Unheil
fchichten, die ihm das alte Brot fchmackhafr. machen wird der Verf. in den Köpfen anrichten durch die lite-
foll, kann m. E. nur dazu dienen, den ganz eigentüm- j rargefchichtlichen Paralleln, durch die er feinen Lefern
liehen Charakter der Texte zu verdunkeln. Aber auch die Erzählungen des A. T. nahe bringen will. Wenn
abgefehen von diefen mehr auf Rechnung der Betrach- j das Wort Jofuas Jof. 10, 27 S. 38 ein .Zauberfpruch'
tungsart, der Schule, kommenden Fällen finden fich nicht ; genannt wird, der ,Sonne und Mond befchwöre, daß
wenige objektiv unrichtige Angaben. Es fei mir geftattet fie ftill flehen', fo ift das geradezu finnlos; denn der
zum Beweis für beides auf einige Beifpiele aus Heft 1 Zauberfpruch wirkt durch die geheimnisvolle Macht der
hinzuweifen. In der Behandlung des Jugendidylls Samuels ; rite angewandten Formel, ganz einerlei, wer fie fpricht;
heißt es S. 7: ,Wie für alle Priefter, fo war auch für ihn ; dort aber erfüllt Gott die gefprochenen Worte, weil fein
das linnene Schulterkleid charakteriftifch'. Samuel war ; Günftling fie fpricht, den er beim Volk in Refpekt fetzen
kein Priefter, fondern ein Tempelgeweihter; ebenfo wenig will. Ebenfo verkehrt ift das, was S. 61 über die redende
gibt es ein linnenes Schulterkleid. Der 13 Ttt* ift kein Efelin Bileams gefagt wird, im Märchen reden die Tiere,
Schulterkleid, fondern ein Schurz (daher ftets '3'K ISn), und in der Gefchichte Bileams redet ein Tier — wem
den der Priefter nicht etwa anlegt, .fobald er ein Ora- das genügt, die altteftamentliche Gefchichte allen Fünftes
kel erteilen wollte'! (S. 46). Die Stellung Samuels kann j der Literaturgattung des Märchens zuzuweifen, ja fie als
man nicht unrichtiger darfteilen, als wenn man fchreibt: I eine Gefchichte, die ,wie kaum eine andere geeignet ift,
,neben Samuel, dem angehenden Priefter, fungieren Hophni 1 fich das Wefen des Märchens klar zu machen' (S. 61)'
und Pinehas'(S. 7). Ganz irreführend find auch die Bemer- dem Studium zu empfehlen, dem ift in feiner Befangen-
kungen S. 8 über das Gebet der Hanna. Was werden nicht heit nicht zu helfen. Im Märchen reden alle Tiere, ohne
alles für Schlüffe auf die Frömmigkeit der Hanna ins- Unterfchied, ohne daß diefe Fähigkeit auffällt oder mo-
befondere und auf die Gefchichte des Gebetes allgemein : tiviert wird; in der Bileamsgefc'hichte dagegen öffnet
hier gezogen! ,Für fie ift die Religion durchaus nicht Jahve der Efelin für diefen Fall den Mund und läßt ein
Sache der Gemeinfchaft, des Stammes, fondern eine höchft Wunder gefchehen. Es ift mir unbegreiflich, wie man
individuelle Angelegenheit ihrer eigenen Seele' — als ob bei einem Erzähler, der ausdrücklich die wunderbare
die Not eines kinderlofen Weibes zu irgend einer Zeit Ausnahme motiviert, den naiven Geift des Märchens