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Ausgabe: | 1910 Nr. 21 |
Spalte: | 659-660 |
Titel/Untertitel: | Moses ben Maimon 1910 |
Rezensent: | Bischoff, Erich |
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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 21.
66c
Jahrgang 34 (1909) Nr. 16 von Edm. E. Stengel befprochen
wurde. — Seh. notiert zunächft einige Ergänzungen zur
Charakteriftik der Kanoniffenftifter von Keminade, Über-
waffer (Münfter), Möllenbeck, Dietkirchen, Gandersheim,
Ober- und Niedermünfter (Regensburg), Vilich, Nivelles,
Elten, Thorn, Buchau u. a. Es handelt fich ineift um
die urkundliche Feftftellung ihres kanonifch-kirchlichen
Charakters, im Unterfchied von dem eines monachifchen
Nonnenklosters (S. 43—54). Dann belegt Sch. feine Thefe
von der klerikalen Stellung der Diakoniffen-Äbtiffin durch
den Nachweis der Verwandfchaft der für folche Abtif-
finnen gebrauchten Ordinationsformeln mit den Gebeten,
die bei der Weihe von Diakonen und Diakoniffen üblich
waren. Darnach fcheint ein gefchichtlicher Zusammenhang
zwifchen der Stellung der Kanoniffen-Abtiffin und
dem Diakoniffenamt erwiefen zu fein —- führt doch die
Äbtiflin zuweilen auch den Namen ,diaconissa'. Es ift
Sch. ferner möglich, für das Vorkommen der ,Diakoniffen
' auch im Abendland einige Zeugniffe beizubringen;
fie reichen aber nur bis in das fechfte Jahrhundert zurück
. Wenn gallifche und fränkifche Synoden vom 4. bis
6. Jahrhundert Diakoniffen-Konfekrationen verbieten, fo
fetzt das zwar voraus, daß fie vorgekommen find, aber
bei dem fonftigen Schweigen der Quellen beweift das
wenig für die Verbreitung des Diakoniffenamts im Abendland
. Es bleibt jedenfalls eine Lücke für unfere An-
fchauung von der Entwicklung vom 4. bis zum 6. Jahr- I
hundert. Bedeutete zuerft die Entftehung des kirchlichen ;
weiblichen Diakonats im Orient eine engere Bindung des
Frauendienftes an den Klerus zur Erreichung ihrer Subordination
, fo diente im Abendland die Ablehnung ihrer
Ordination zur Abwehr des Eindringens der Frau in den
Klerus, im Grunde alfo demfelben Zweck. Je ent-
fchiedener diefe Abwehr war, defto mehr wurden die
frommen Frauen auf den ftillen Lebenskreis der Sankti-
monialen befchränkt, und es erfcheint dann leichtverftänd-
lich, wenn die Leiterin eines Sanktimonialen-Konviktes
den alten Namen und die Weiheformeln der ,Diakoniffin'
übernahm. Sch. hat aber nicht mehr beweifen können,
als daß Name und Ordinariatsform fich nur in den Kano-
niffenftiftern, nicht aber in den viel ftrengeren Nonnen-
klöltern fortfetzen. So ift feine Abhandlung für die
mittelalterlichen Verhältniffe felbft überzeugend; für die
Beziehungen der fpäteren Inftitutionen zu den frühchrift-
lichen bleiben viele Fragen noch offen. Eine Reihe von
Urkunden ift beigefügt, um einzelne Kanoniffenftifter zu
charakterifieren.
Wittenburg i. Wpr. Ed. von der Goltz.
Moses ben Maimon. Sein Leben, feine Werke und fein Ein- I
fluß. Zur Erinnerung an den fiebenhundertften Todes- |
tag des Maimonides herausgegeben von der Gefell -
fchaft zur Förderung der Wiffenfchaft des Judentums
durch Prof. W. Bacher, Dr. M. Brann, Prof. D.
Simonfen, unter Mitwirkung von Rabbiner Dr. J.
Guttmann. Band I. Leipzig, Buchhandlung G. Fock,
G. m. b. H. 1908. (VIII, 495 S.) gr. 8° M. 10 —
Der von der ,Gefellfchaft zur Förderung der Wiffenfchaft
des Judentums' durch Bacher, Brann und Simonfen I
herausgegebene ftarke Band enthält unter feinen 12 Ab- i
handlungen die folgenden theologifch befonders interef-
fanten: Der Einfluß der maimonidifchen Philofophie auf j
das chriftliche Abendland, von Jacob Guttmann (IV);
Beiträge zur Pentateuch-Exegefe Maimunis, vonS.Eppen-
ftein (IX, nur Proben); Charakteriftik der Ethik Maimunis, J
von Hermann Cohen (III); Charakteriftik und Inhaltsangabe
des Moreh Nebuchim, von Philipp Bloch (I); Plan
und Anlage des Mifchne Thora, von Bernh. Ziemlich (V);
Das Buch der Gefetze, Anlage, Inhalt und deffen Kritik
durch Nachmanides, von Moritz Peritz und Ferdinand |
Rofenthal (XI und XII). — Guttmanns Abhandlung ift
vornehmlich intereffant durch die Aufdeckung der oft
verblüffenden Zitate aus M. bei Wilhelm von Auvergne,
Alexander von Males, Vincenz von Beauvais, Albertus
Magnus, Thomas von Aquino, Bonaventura,,Roger Bacon,
Raimundus Lullus, Duns Scotus, Wilhelm von Occam,
Nikolaus von Cufa, die beiden Pico von Mirandola,
Reuchlin, Galatinus, Servet, Bodin, J. J. Scaliger und
Leibniz. Albertus und Thomas find naturgemäß am aus-
führlichften behandelt, aber auch alle anderen Beziehungen
meifterlich dargeftellt, was fich ja bei einem fo profunden
Kenner der Scholaftik wie Guttmann von vornherein erwarten
läßt.
Leipzig. Erich Bifchoff.
Cardauns, Ludwig, Zur Gefchichte der kirchlichen Unionsund
Reformbeftrebungen von 1538 bis 1542. Rom, Loe-
fcher & Co. 1910. (XIII, 311 S.) Lex. 8° M. 10.50
Einen wichtigen Beitrag zur Reformationsgefchichte
bietet L. Cardauns, der fich inzwifchen m. W. in Bonn
habilitiert hat, im vorliegenden 5. Bande der Bibliothek
des Kgl. Preußifchen Inftituts in Rom. Es handelt fich
um eine Reihe von Aktenftücken, die eine wertvolle
Ergänzung des von ihm ebenfalls herausgegebenen
letzten Bandes der Nuntiaturberichte bilden. Um die
religiöfe Einheit in Deutfchland zu retten, verfuchte man
um die Wende des 4. und 5. Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts
durch Religionsgefpräche eine Verftändigung
zu erzielen. Der kaiferliche Hof förderte folche Beftre-
bungen kräftigft. Aus dieler Zeit flammen die meift dem
Vatikanifchen Archiv entnommenen Schriftftücke.
Es handelt fich um Abmachungen, die Wicel und
Buzer 1539 auf dem Leipziger Religionsgefpräch trafen
(I), um Bedenken Fabris — es find mit feine letzten
Arbeiten — und Cochläus' für die Tage von Hagenau
und Worms (II—V. VI.). Verfchiedene Schriftftücke
(VII—IX) illuftrieren die Tätigkeit des vielgewandten
Bifchofs Naufea in der gleichen Periode. X—XIII, unter
welchen die Bedenken Morones und Albrechts v. Mainz
hervorragen, hängen eng zufammen mit der Reformtätigkeit
, die feit dem Pontifikate Pauls III. auch am
römifchen Stuhle fich bemerkbar machte. In Reformen
endete ja auch fchließlich das Beftreben, welches zuerft
eine Reunion der Kirchen beabfichtigt hatte.
In einem Punkte gleichen fich die Bedenken; fie
nehmen eine ablehnende Stellung zum Proteftantismus
ein. Auch fehlt überall das rechte Verftändnis für den
Unterfchied der Konfeffionen. Daß tiefgehende, religiöfe
Gegenfätze vorhanden waren, ward nicht klar.
Aber doch ift ein gewaltiger Unterfchied zwifchen
einem Mann wie Wicel, deffen ganzer Lebensgang auf
eine vermittelnde Tätigkeit hinwies, und dem ftarr am
Alten hängenden Fabri, zwifchen dem ftreitbaren Cochläus
und dem gefchmeidigen Bifchof Naufea. Und doch
wiederum kann von einem Nachgeben gegen proteftan-
tifche Forderungen bei Naufea ebenfowenig gefprochen
werden wie bei dem alles fchroff ablehnenden Fabri.
Es kann hier nicht Aufgabe fein, zu den einzelnen
Auifätzen oder einleitenden Bemerkungen viele Zufätze
zu machen. Abgefehen von dem 5. Auffatz, der die
Reformpläne am päpftlichen Hof unter Paul III. eingehender
befpricht, kam es dem Herausgeber doch wohl
nur darauf an, die zum Verftändnis nötigen Tatfachen
kurz aufzuführen. Das Fehlen mancher Belege erklärt
fich genugfam aus der Entfernung von den deutfehen
Bibliotheken. Es muß vielmehr an die Aufgabe der
Gefchichtsforfchung erinnert werden, welche folche Publikationen
immer wieder nahe legen. Die emfige For-
fchertätigkeit, die fich den erften Jahrzehnten des
16. Jahrhunderts widmete, follte auch den fpäteren
Jahren befchieden fein. Denn trotz mancher Spezial-