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Ausgabe:

1910 Nr. 2

Spalte:

43-51

Autor/Hrsg.:

Gradmann, Eugen

Titel/Untertitel:

Geschichte der christlichen Kunst 1910

Rezensent:

Hennecke, Edgar

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Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 2.

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nötig ift, z. B. S. 5, Z. 1 v. o. und öfter ftatt: .Worte des
R. Meir': ,fo fagt R. M.'; S. 5, Z. 7 v. o.: .vgl.' für: .denn
es ift getagt', bei Zitaten aus dem A. T.; S. 7 fetzt Str.
in die Diskuffion die Namen der Redenden ein, was
gerade eine charakteriftifche Eigenheit jüdifcher Ausdrucksweife
verwifcht. Krügers fjberfetzung in meinen
.Ausgewählten Mifchnatraktaten' verdient wiederholt der
Strackfchen gegenüber den Vorzug infolge ihrer durchgängigeren
Genauigkeit in der Wiedergabe des Textes,
fo z. B. S. 2, Z. 4, wo Krüger beide Male mit ,ftatt-
finden' überfetzt; ebenfo ift Z. 7 v. o. Krüger genauer,
während Str. .heimgekehrt ift' frei überfetzt; Z. 4 v. u.
klammert Kr. das .auch' mit Recht ein, ufw. In den Anmerkungen
, die Str. feiner Überfetzung beigefügt hat, ift
feine eigene Arbeit ebenfo deutlich wie feine Abhängigkeit
von Hoffmanns Überfetzung des Traktats und in
einigen Kleinigkeiten von Krüger. Ungerechtfertigt ift
Str.s Urteil über Krügers Überfetzung (S. 7), daß fie
,wertlos' fei, während W. Bacher (Deutfche Lit.-Zeitung
1907, Nr. 23) Krügers Überfetzung als .verdienftlich' bezeichnet
hat. Nach S. 8 will Str. ,bald noch andere
Mifchnatraktate in gleicher Bearbeitung folgen laffen,
zunächft die auf das Gerichtsverfahren und die Rechts-
wiffenfchaft bezüglichen'. Es wäre fehr zu wünfchen,
daß Str. dann noch mehr als bisher die Intereffen der
Theologie, befonders der neuteftamentlichen For-
fchung, an diefen Mifchnatraktaten berückfichtigte und
nicht in erfter Linie philologifche Intereffen verfolgte.
Die Beziehungen diefer Traktate vor allem zum Neuen
Teftament müffen klar zutage treten und den Theologen
bequem vorgelegt werden, dann wird Str. die Erfahrung
machen, daß feine Mifchnatraktate mehr als bisher für
die theologifche Forfchung fruchtbar gemacht werden.

Gotha. Fie big.

Kraus, Franz Xaver, Gelchichte der chriltlichen Kunlt. In

zwei Bänden. Zweiter Band. Die Kunft des Mittelalters
und der italienifchen Renaiffance. Zweite
(Schluß-)Abtheilung. Italienifche Renaiffance. Fortgefetzt
und herausgegeben von Jofeph Sauer. Mit
Titelbild in Farbendruck, 320 Abbildungen im Text
und einem Regifter zum ganzen Werke. Freiburg i. B.,
Herder 1908. (XXII, 857 S.) Lex. 8° M. 19 —

Gradmann, Dr. Eugen, Gefchichte der chriltlichen Kunlt.
Herausgegeben vom Calwer Verlagsverein. Mit 320 Abbildungen
. Calw & Stuttgart. Verlag der Vereinsbuchhandlung
, 1902. (VI, 616 S.) gr. 8°

M. 10—-; geb. M. 12 —

A. Mit dem Erfcheinen der zweiten Hälfte der zweiten
Abteilung des zweiten Bandes von Kraus im Vorjahr
wurde an mich die Anfrage wegen einer Befprechung des
ganzen Werkes geftellt, die ein Mitarbeiter, dem die vorangehenden
Bände überwiefen waren, unterlaffen hatte.

Es begreift fich, daß die Aufgabe hinfichtlich der
früheren Bände nicht mehr die Anziehungskraft auszuüben
vermochte, die fie bei deren Erfcheinen ausgeübt
hätte (I: 1896; Iii: 1897; II 2, 1: 1900; II 2, 2: 1908. Mit
der Herausgabe des Schlußbandes ift der Titel von II 2, 1
[vgl. II 1] geändert, d. h. gekürzt, und eine Vereinigung
der beiden Schlußhälften zu einem Bande eingetreten.)
Zumal der I. Band, deffen Neuauflage vorausfichtlich
1910 erwartet werden kann, darf bei dem kräftigen Vordringen
der Forfchung feit feinem erften Erfcheinen in
vieler Beziehung als veraltet gelten. Ihn den Bedürf-
niffen der Gegenwart entfprechend zu ergänzen, wird
für den Herausgeber keine leichte Aufgabe fein, da es
fich doch darum handelt, neue Ergebniffe in allen
Zweigen der Forfchung einzufügen, ohne der Eigenart
der Darftellung des hochgefchätzten Verfaffers im Rahmen

| des monumentalen Ganzen Abbruch zu tun. Es ift aber
Jofeph Sauer in Freiburg, Kraus' langjähriger Wirkungs-
ftätte, nach deffem Tode (28. Dez. 1901) bereits gelungen,
den Schlußband mit liebevollem und kongenialem Ver-
ftändniffe zu Ende zu bringen. Sein Vorwort gibt einen
Überblick über das Leben und die Leiftungen des Hifto-
rikers, Archäologen und Kunftäfthetikers; freilich: ,der
Hiftoriker und Archäologe fleht immer im Vordergrund;
in der Betonung des inneren Gehaltes der Monumente
liegt feine Hauptbedeutung und eine gewiffe Reaktion
I gegen die rein technifche und äfthetifche Betrachtungsweife
. Groß und vielleicht einzig daftehend in der Gegenwart
war er in der Beiziehung des ganzen kulturgefchicht-
j liehen Enfembles, aus dem heraus ein Kunftwerk ver-
ftanden werden will, in der Verwertung der Liturgie im
weiteften Sinne des Wortes zur Erklärung der Monumente
, in der liebevollen Berückfichtigung des religiöfen,
den künftlerifchen Schaffungsgeift unaufhörlich befruch-

j tenden Volksgeiftes......wie ficher und gründlich er

das ganze alte und mittelalterliche Feld des künftlerifchen
1 Wirkens beherrfchte, das zeigt einigermaßen der Literaturüberblick
, den er alljährlich für die beiden großen Perioden
im „Repertorium für Kunftwiffenfchaft" veröffentlichte'
(S. VIII. IX) und— fügen wir hinzu— ftets in vornehmem,
j durch Weitblick, Klarheit und Unparteilichkeit ausgezeich-
| netemTone zu halten wußte. Einem folchenForfcher mußte
z. B. Wilperts fpitzige, von Selbftüberfchätzung zeugende
; Darftellungsweife abflößend fein (vgl. dort 1898, S. 203 f.),
j und daß er die Freiheit des Blickes und Unbeftechlichkeit
des Urteils auch gegenüber den Zuftänden feiner Kirche
fich zu bewahren wußte und die modernen Reformbewegungen
im Katholizismus anbahnen half, hat ihm die
Achtung und Anerkennung weitefter Kreife eingetragen
; (vgl. Hauviller, Franz Xaver Kraus. Ein Lebensbild aus
i der Zeit des Reformkatholizismus, 2. Ausg., München
1905). ,Ihrer Art und Richtung nach ift diefe „Kunft-
gefchichte" das letzte Fazit aus der Entwicklung und
den Beftrebungen des Verfaffers' (Sauer, S. V) und vermöge
der Vollftändigkeit des darin verarbeiteten, un-
I geheure Belefenheit zeigenden Quellen- und Forfchungs-
| materials wohl geeignet, als Abfprungsftelle für jede
Einzelforfchung zu dienen, die in den Bereich des un-
i geheuren Stoffes fällt.

Kraus' bisherige Arbeiten verteilten fich auf alle Gebiete
, die in dem vorliegenden Rahmen feiner Kunft-
gefchichte zur Darftellung kommen. Für das chriftliche
Altertum hat er de Roffi's Forfchungen in Deutfchland
zur Kenntnis gebracht und in der zweibändigen ,Real-
; Encyklopädie der chriftlichen Altertümer' (1882. 1886)
eine Fundftätte archäologifcher, kunft- und kirchen-
gefchichtlicher Mitteilungen gefchaffen. die noch jetzt in
vieler Hinficht wertvoll ift. Überhaupt war es fein Be-
ftreben, die kunftgefchichtlichen Forfchungen unmittelbaren
der Kirchengefchichte dienftbar zu machen. Für
das Mittelalter hat er Infchriften und Gemälde der füd-
j liehen und mittleren Rheingegenden in monumentalen
Veröffentlichungen vorgelegt und fchließlich, in den
neunziger Jahren, zwei Werke über Dante heraus-
! gegeben, die fein tiefes Verftändnis der Renaiffance
; bezeugen. So wird es begreiflich, daß bei dem An-
wachfen des Stoffes in dem Maße, als fie dem Höhe-
j punkt zueilt, es nicht möglich gewefen ift, der Ge-
I fchichte der chriftlichen Kunft die urfprünglich in
! Ausficht genommene Ausdehnung bis zur Gegenwart
I (I S. 5) zu geben. Der Umfang war urfprünglich auf
nur zwei Bände von je 40 Bogen berechnet gewefen,
wurde aber fchon in Band I überfchritten, und II 1 zeigte
bereits, daß der angelegte Rahmen derart gefprengt
wurde, daß das Werk ein anderes Ausfehen gewann.
So werden wir nur bis zur italienifchen Hochrenaiffance
und ihren unmittelbaren Ausläufern geführt, ohne felbft
j über die großen Zeitgenoffen des Nordens Eingehenderes
I zu erfahren. Daß hier eine empfindliche Lücke vorliegt,