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Ausgabe:

1910 Nr. 20

Spalte:

634

Autor/Hrsg.:

Surbled, Georg

Titel/Untertitel:

Die Moral in ihren Beziehungen zur Medizin und Hygiene 1910

Rezensent:

Ebstein, Wilhelm

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Seite 1

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633

Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 20.

634

fchen Schriftfteller infpiriert durch die Offenbarung, die Surbled, Dr. med. Georg, Die Moral in ihren Beziehungen

fie berichten oder deuten. Darauf beruht ,ihre unwan- ZUr Medizin und Hygiene. Berechtigte Überfetzunc nach

delbare rdtföfc-Autorität' (S. 76). Sie führt felber den zehnten AufI J£ der franzöflfchen A be. 4 ßande.

Lefer zum Erlebnis der Offenbarung, Hier bietet nun . n st

S. noch eine bedeutfame Behauptung an: .Sofern an I Hildesheim, F. Borgmeyer. 8« Je M. 2.50

einer Tatfache oder an einem Wort infpirierte Er- j «■ B4. Das organifche Leben. überfetzt von Dr. Albert

kenntnis gewonnen werden kann', find ,diefe Tatfache | Sleumer. 1909. (VIII, 208 S.) — 2. Bd. Das geiftig-fmnliche Leben.

und dies Wort als wirklich garantiert' (S. 62. 63). Oder I Überfetzt von Dr. Albert Sleumer. 1909. (VI, 205 S.) — 3. Kd

konkreter ausgeführt: ,Haben alfo die Apoftel an der Das gefchlechtliche Leben, t Teil. Coelibat und Ehe. Überfetzt

Auferftehung Chrirti durch Gottes Geht infpirierte Er- von Dr. med. Wilhelm Wilke. 1910. (XV, 209 S.) — 4. Bd.

kenntnis gewonnen, fo ift die Tatfächlichkeit der Auf- Das gefchlechtliche Leben. II. Teil. Die Lafter und Krankheiten.

erftehung hierdurch für jeden feflgeftellt, der das Zeug- ' Schwangerfchaft und Niederkunft. Das Kind. 1910. (VI, 202 S.).
nis des Geiftes im Wort der Bibel n?u.t' (S. 63) Man Das vorliegende Buch ift die Überfetzung der zehnten
wird zum minderten fragen dürfen ob hier nicht ein Auflage eines Werkes von Dr. med. Georg Surbled, Mitbeliebter
; Zirkelfchluß vorhegt: Die.durch den Geift ge- Hed der medizinifchen Akademie des heil. Lucas in
wirkte Tatfache allem hat die Fähigkeit, ge.ftgew.rktes ßaris fowie fonfli wiffenfchaftlicher Gefellfchaften.
Erlebnis zu garantieren Nun kommen auch für S. aber ßas Buch zerfa„t jn ßand der£n dag njfche
dennoch Zweifel an der Tatfächlichkeit der oben voraus- Leben> der 2 dag geifti flnnliche Leb der daf Cölibat
gefetzten Offenbarungstatfachen Das /eugnis des und die £he und endlich der d gefchlechtliche Leben
Geiftes im Wort der Bibel' (S. 63) foll diefe letzteren enthalt> Die bdden ^ ^ ^ jn D/DCrftA ^^n.
im Bewußtfein des Chriften wieder ficherftellen Man merj dje bdden letzten |n Dr Wühelm Wjlk Arzt m
wird aber noch weiter fragen dürfen, ob fo ltark (ub- Ziegenhals fjberfetzer gefunden. Der Referent ift nattir-
jektiviftifche Kriterien, wie das oben angedeutete, ge- Hch nur in def ß das ßuch ^ Arzt zu beurtejlen.
nügen zur Feftftellung hiftonfcher latfacheri, wie etwa ; Von diefem Gefichtspunkte aus follte man nach dem
der Auferftehung Jefu? Diefe Probleme follen hier nur ; gemejnfarnen Titel aller 4 Bände: ,Die Moral in ihren
angedeutet werden; fie zu erörtern ilt hier nicht Beziehungen zur Medizin und Hygiene' allerdings er-
der 9rt>' , ^ , . , ,-> j r a z r u u warten, daß fich fo manches nützliche Material für die
Dann aber fcheint dem Rez. das fyftemat.fche Pro- Befprechung ergeben würde. Man überzeugt fich aber
blem der Offenbarungsgrundlage nicht fcharf genug er- (ehr bald< daß hier der ß ,ff der Mofal yom v f ff
faßt und dargeftellt zu fein Einmal werden latfachen jn cinem engeren Sinne gefaßt ift, was übrigens als be-
als Offenbarung genannt; dann tritt an anderer Stelle fonderer Vorzug des Buches von den Überfetzern und
(S 26) wieder der Bericht von folchen h.ftonfchen Be- den iftlichen Approbationen angefehen wird. Es han-
gebenhe.ten als Offenbarung auf. Das fcheint auf den ddt fich nämHch^ vvie man bald gewahr wird, um die
erften Blick beftr.ckend, denn es vereinfacht das Problem Beziehungen der Satzungen der katholifchen Kirche zur

fehr, das Seeberg behandelt: die Autorität der Schrift.
In Wirklichkeit verdeckt das aber nur die Schwierigkeiten
; ohne fie zu löfen. Offenbarungsgrundlage ift
prinzipiell zu trennen von jeder Art von Wirkung der-
felben auf Empfangende, auch auf die neuteftament-
lichen Schriftfteller. Dieter Vorgang Seebergs fteht auf
derfelben Stufe wie der Verfuch M. Kählers: der fo-
genannte hiftorifche Jefus und der biblifche Chriftus.
Bei letzterem beruht freilich der Verzicht auf jene Trennung
auf bewußter Refignation.

Ferner haben die von S. vorgeführten Offenbarungstatfachen
noch einen fehr zufälligen Charakter. Man
vermag r/ar nicht recht einzufehen, warum gerade folche

medizinifchen Wiffenfchaft. Dr. med. Wilke betont aus
drücklich in feinem Vorworte zum 3. Bande, daß ein
ähnliches Werk, das in eingehender Weife alle den Beichtvater
, den aufmerkfamen gläubigen Arzt und die ge-
wiffenhaften ehrbaren Eheleute intereffierenden Gewiffens-
fragen der fexuellen Sphäre behandelt, in der deutfehen
Sprache noch nicht exifliere. Auch an manchen anderen
Stellen des Buches wird von geiftlicher Seite auf den
großen Nutzen hingewiefen, den gerade für die Geiftlichkeit
ein Buch ftiften werde, deffen Aufgabe es ift, die Lehre
der Kirche mit den Ergebniffen der finnfälligen Erfahrung
in erfreulichen Einklang zu bringen. Dagegen muß Referent
betonen, daß die Medizin ebenfo wie die anderen

>, ...... uiz .... 1/.... zuz.iiv ,tjv auucicil

Ereignlffe der ifraelitifchen Gefchichte oder gar der Naturwiffenfchaften doch Wirtenfchaften find, die unab-
Auferftehung Jefu Offenbarungstatfachen fein follen. j hängig von jeder Religionslehre und den Satzungen der
Das Kriterium hierfür ift nicht genügend herausgeftellt. 1 mar)njgfachen Glaubenformen fich entwickelt haben. Na-
Es kann freilich nur liegen in ihrer Wirkung auf auf- , turwiffenfehaft und Glauben fchließen fich nicht aus und
nahmebedürftige Seelen. In diefer Hinficht müßten fie ; können unabhängig nebeneinander exiftieren. Die Medizin

darf fich aber unter keinerlei geiftliches Joch beugen,
welcher Art es auch fei. An anerkannten und für Laien-
kreife beftimmten medizinifchen Schriften haben wir in
Deutfchland keinen Mangel, und das von dem ausgezeichneten
Arzt, dem Medizinalrat Dr. Wilhelm Camerer
herausgegebene Bockfche Werk vom gefunden und
kranken Menfchen kann in diefer Beziehung als vorbildlich
dienen. Es war alfo nicht nur abfolut unnötig,
bei den Franzofen deshalb eine Anleihe zu machen,
fondern es vermag auch der Referent auf Grund feiner
Kenntnisnahme des Surbledfchen Buches dasfelbe als
empfehlenswert nicht zu bezeichnen, weil es die Freiheit
der medizinifchen Wiffenfchaft in einfeitiger Weife be-
fchrankt und in enge Ferteln fchlägt, fowie insbefondere

prinzipiell als ethifche garantiert fein. Dann können
aber für den Chriften nicht mehr irgendwelche objektive
Tatfachen oder Gedankenkreife Offenbarungsgrundlage
fein, fondern das gefchichtliche Perfonleben Jefu
felbft, das wirkfam wird zu neuem Leben in den Seelen,
die dadurch berührt werden. Diefen Vorgang nebft
den Bedingungen feiner Möglichkeit zu befchreiben, ift
Aufgabe des fyftematifchen Theologen, ebenfo hat er
auch über den Wert und die Wahrheit des gewonnenen
gefchichtlichen Bildes des Lebens Jefu eine der Eigenart
hiftorifchen Erkennens angemeffene kritifche Rechenfchaft
zu geben.

Bei der prinzipiellen Differenzierung von Offenbarungsgrundlage
und dem, was bereits gefchichtliche

Wirkung derfelben ift, kompliziert fich dann auch das auch n&ncherz enthält, was nach feiner Anficht aus
Problem der Autorität der Schritt. einem Volksbuche ferngehalten werden follte.

Leeheim b. Darmftadt. W. Vollrath. Göttingen. Wilhelm Ebftein