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Ausgabe:

1910 Nr. 20

Spalte:

614-616

Autor/Hrsg.:

Wünsche, August

Titel/Untertitel:

Aus Israels Lehrhallen. V. Band 1910

Rezensent:

Bacher, Wilhelm

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6i3 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 20. 614

von einer chriftlichen Antike reden kann, zu befchränken. ! klare Scheidung des antiken und des chrifllichen volle
Die Verbindung von Heidnifchem und Chriftlichem hat | Anerkennung verdient. Man findet hier, was man kaum
ohne Zweifel ihre großen Vorzüge, und gerade dem Theo- unter diefem Titel erwartet, eine Einführung in die
logen wird die hier gebotene Zufammenfchau will- weitverzweigte Literatur der Paläftinapilger. Dabei wäre
kommen fein (wie denn in der neueren theologifchen freilich erwünfcht gewefen, das Alter des Auftauchens
Forfchung, z. B. bei Lucius, auf die vorchriftlichen der einzelnen Lokaltraditionen immer recht fcharf her-
Wurzeln zurückgegangen wird); um fo willkommener, vortreten zu laffen: die Cafa Santa in Loreto z. B. ge-
als Pfifter neben den Parallelerfcheinungen auch die j hört doch in eine ganz andere Atmofphäre als San
Differenzen zur Geltung bringt. Aber im Intereffe der I Giovanni e Paolo. Daneben darf man wohl auf die merk-
Darftellung hätte es ohne Zweifel gelegen, wenn der würdige Erfcheinung aufmerkfam machen, daß die by-
Verf. fich fchärfer konzentriert und Parallelen nur als , zantinifche Renaiffance des 9. und 10. Jahrhunderts felbft
folche geboten hätte. in der Heiligenlegende wieder auf antike Erinnerungs-

Das erfte Kapitel fucht im Anfchluß an die Königs- ftätten achtet: berühmte Einfiedler wie Paulus vom Berge
liften von Megara, Troizen, Achaia und Theffalien das Latros fuchten Höhlen auf, in denen einft Pythagoras
.Bodenftändigkeitsgefetz' zu begründen, das dann auch geweilt hatte; David von Mitylene .heiligt durch feinen
auf das Epos Anwendung findet, daß nämlich die Sage | Aufenthalt den Ida, den die Griechen für die Wohnung
fich immer an einen Kult anlehnt, der einem heimifchen des Zeus ausgaben', uff. — eine Erfcheinung, die einHeros
, bezw. Gott (viele Heroen find degradierte Götter, mal zufammenhängend unterfucht werden follte.
oft erfcheint der urfprüngliche Name als Epitheton I n dem letzten Kapitel VI nimmt Pf. Stellung zu
eines der Olympier, vgl. Ufeners Götternamen) dar- dem Problem der Urfprünge des Heroenkultes, wie es
gebracht wird; mit den Kolonien wandern die hei- zwjfchen E. Rohde einer-, Ed. Meyer, H. Ufener anderer-

mifchen Kulte: das ftellt die Sage als Wanderung des
Heros felber dar. Als religionsgefchichtlich wichtig
heben wir daraus hervor den Unterfchied einer Verehrung
qua Heros und qua Gott (S. 64): die Troizenier wollen
von einem Grab des Hippolytos nichts wiffen; als
himmlicher Fuhrmann ift er unter die Sterne und damit
unter die Götter verfetzt.

Näher an die Sache führt fchon das 2. Kapitel, in
dem der Verf. klar die verfchiedenen Formen darftellt, in
denen derAnfpruch auf die Reliquien eines fremden Heros
begründet wird: abgefehen von den aus der Ferne hergeleiteten
Ahnen mancher Prieftergefchlechter und Kultgründer
ift es teils die Flucht oder zufälliger Tod in

feits mit diametral entgegengefetzten Refultaten erörtert
worden ift: nicht heroifierte Ahnen (Rohde),
fondern depotentizierte Götter, fo entfcheidet fich auch
Pfifter. Wenn er dafür den Namen Euemerismus anwendet
, fo ift das mindeftens mißverftändlich; Euemerismus
ift ein Begriff nicht der Religionsgefchichte, fondern
der philofophifchen Religionstheorie; man darf ihn nicht
auf den Prozeß felbft anwenden, den er hypothetifch zur
Erklärung der religionsgefchichtlichen Erfcheinungen
poftuliert. Übrigens hätte gerade an diefem Punkt die
Berückfichtigung der chriftlichen Heiligenlegende, die
unzweifelhafte Fälle von Heroifierung gefchichtlicher
Menfchen bietet, den Verf. vor falfcher Verallgemeinerung

fremdem Land, teils Translation der Gebeine nach dem bewahren können: Götter fteigen ab — und auf. Noch
Tod, wozu fich als Unterform die Legende von wunder- | fteht ein 2. Halbband in Ausficht. Was wird er uns
barem Anslandgefpültwerden ftellt. Dazu kommen ; bringen?
die großen Wanderungslegenden, in deren allmählichem
Wachstum fich die Ausbreitung der geographifchen
Kenntniffe widerfpiegelt — hier ift befonders die Erörterung
über den Alexanderkult von allgemeinerem
Intereffe. Unter den verfchiedenen Gründen, aus denen

Straßburg. von Dobfchütz.

Mainzer, Dr. Moritz, über Jagd, Filchfang und Bienenzucht
bei den Juden in der tannäifchen Zeit. (Aus: Monatsein
Grab an zwei Orten lokalifiert wurde ift der durch fchrift füf Gefchichte und Wiffenfchaft des Juden-
die Johannesgraber m Ephefus vertretene ball überleiten, ,

daß zweierlei Überlieferungen über die Todesart, bezw. tums- 53- Jahrg. Heft 3-10.) Frankfurt a. M., J.
die Wunder am Grabe zwei verfchiedene Lokalitäten Kauffmann 1910. (78 S.) gr. 8° M. 3 —

verlangten. Die hier angereihte Betrachtung über ,den
fremden Heiligen' ift der Kompofition wie dem Inhalt
nach leider das mindeft gelungene Stück: nach der auf
Harnack fußenden Betrachtung über die Ausbreitung

Nach dem Mufter der Arbeiten von Vogelftein,
Rieger und Krengel über die Landwirtfchaft, über die
Handwerke und über das Hausgerät in der Mifchnah
hat Mainzer feine fleißige Arbeit angelegt und darin

der chriftlichen Miffion in den erften drei Jahrhunderten ; auch wirklich das ganze Thema behandelt, nicht nur

erwartet man intereffante Auffchlüffe über die dadurch
bewirkte Ausbreitung des lokalen Märtyrerkultes — aber
die Beifpiele, die Pf. bringt, gehören der Merowingerzeit
an! Und bei der Erörterung der Wanderungsfagen der
Apoltel verliert fich der Verf. fchließlich in eine zur
Sache gar nicht gehörige Unterfuchung des Verhältniffes
der Paulus-Akten zur Apoftelgefchichte des Lukas,
von der etwas phantaftifchen Erörterung einer pere-
grinatio Christi abgefehen. Hier mußte eben fcharf
herausgearbeitet werden, warum im Unterfchied von dem
antiken Heroenkult die Verehrung Chrifti fowie die der
Apoftel lokal nicht gebunden war. Es ift die neue Konzeption
vom Wefen Gottes und dementfprechend vom
Kultus (Joh. 4,21 f.), die gerade das ältefte Chriftentum von
jener antiken Bodenftändigkeit löft.

An die Sache felber heran führen uns Kap. III—V:
Heroengräber, Reliquien, Erinnerungsftätten aus der
Heroenzeit. Hier wird in fachlicher Ordnung ein überaus
reiches Material vorgelegt, mit vielen fehr wertvollen
Beobachtungen auch für die biblifche Philologie und

wie jene, einen ,Teil I'. Druck- oder Schreibfehler (z.
fr S. 36 gleich hinter einander: Dalmann, lUQiöt-q) find
leider nicht feiten. Im ganzen ift die Darfteilung klar,
die Kritik befonnen, das Thema erfchöpft.

Leipzig. Erich Bifchoff.

Wünlche, Aug., Aus Israels Lehrhallen. V.Band. Leipzig,
E. Pfeiffer 1910. (170 u. 143 S.) gr. 8°

M. 8.40; geb. M. 9.40

Der Midrafch Samuel. Zum erften Male nach der Buberfchen
Textausgabe ins Deutfche überfetzt. — Kleine Midrafchim: Neue
Pefikta und Midrafch Tadfche. Zum erften Male ins Deutfche überfetzt.
Mit unentwegter Energie arbeitet Wünfche an feiner
Überfetzung der verfchiedenen Erzeugniffe der agadifchen
Literatur weiter. In dem vorliegenden Hefte unterbricht
er die Bearbeitung der ,kleinen Midrafchim', denen er
die erften vier Bände feines neueften Sammelwerkes ge-
widmet hatte und bietet die Überfetzung eines ganzen
Archäologie" (z. B. über xriörrjg, xxl&tv) und für die i Midrafchwerkes dar, das in 32 Abfchnitten — man könnte

Hagiographie (wie die Dioskuren), wobei die befonnene und | fie Homilien nennen — ausgewählte Texte des biblifchen