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Ausgabe:

1910 Nr. 2

Spalte:

38-41

Autor/Hrsg.:

Spitta, Friedrich

Titel/Untertitel:

Jesus und die Heidenmission 1910

Rezensent:

Bauer, Walter

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37 Theologifche Literaturzeitung 1910 Nr. 2. 38

nifchen identifch ift, nur daß die Monate anders benannt
find und der Jahresanfang anders angefetzt wird.
Auch diefe Vorausfetzung ift ficher verfehlt und kann
von dem Verfaffer nur auf fehr gewaltfame Weife durchgeführt
werden.

Schon auf den erften Seiten des Buches ftoßen wir
Schritt für Schritt auf folche Gewaltfamkeiten. Wenn
irgend etwas in der jüdifchen Gefchichte ficher ift, fo ift
es das Datum der Eroberung Jerufalems durch Pompeius,
63 v. Chr. Sowohl Jofephus [Antt. XIV, 4, 3) als Dio
Caffius (XXXVII, 11. 16) fixieren das Jahr durch Angabe
der Konfuln M. Cicero und C. Antonius. Weftberg aber
fetzt S. 2 f. die Eroberung aus Gründen, die dem gegenüber
nicht in Betracht kommen, in das Jahr 64, in welchem
nach feiner Berechnung der Verföhnungstag (10. Tifchri)
auf einen Sonnabend fiel, wie es bei der Eroberung
Jerufalems durch Pompeius nach Meinung des Verfaffers
der Fall war (aus den Quellen ergibt fich dies nur bei
unkritifcher Benutzung derfelben, f. dagegen meineGefch. I,
298 f). — S. 4 behandelt W.die Stelle BelL Jud. VI, 5, 3:
a&QoiZofityov rov Xaov XQoq rr)v xmv aqvfimv ioQrrjv,
öyöon 0 nv Eav&ixov firjvöq. Kr verfteht dies dahin, daß
das Feft der Azyma in jenem Jahre auf den 8. Xanthikus
fiel. Daraus foll fich ergeben, daß Jofephus den 8. Xanthi

eine Hauptthema des Verf., die biblifche Chronologie
nach Jofephus behandelt, wobei auch die Kalenderfrage
eine Rolle fpielt, z. B. S. 21: ,Die julianifchen Daten fürs
Jahr 590 v. Chr. (dies foll das Jahr der Zerftörung Jerufalems
durch Nebukadnezar fein) find natürlich von Jofephus
oder feinem Gewährsmann nachträglich errechnet
worden (!!). 17. Tammus = 10. Juli und 10. Ab
= 1. Auguft'. — S. 57—64: Sabbatjahre. — S. 64f. Pilatus'
Amtszeit. S. 65—75: topographischer Exkurs. S. 75—79:
Chronologie des Paulus. S. 79 k: Todesjahr des Jakobus.
Durch diefe letzten Erörterungen ift die zweite Haupt-
unterfuchung des Verfaffers, über das Todesjahr Jefu
Chrifti, S. 8off., vorbereitet. Auch hier fehlt es nicht an
Abfchweifungen und Überrafchungen. Abfchweifungen
z. B. S. 83—85 über Johannes den Täufer. S. 85: Wo lag
Aenon bei Salim? S. 103—Iii: Die aramäifchen Papyri
von Affuan. S. 113—124 über den Sabbat und deffen
Urfprung. S. 124—128: Polykarps und Pionius' Todesjahr.
Überrafchend find, bei dem Vertrauen, das der Verf.
fonft zur Tradition hat, manche fehr kritifche Anwandlungen
. So ftimmt er S. 83 Wellhaufen darin bei, daß
in der Grundfchrift des Evangeliums Johannis die Feft-
reifen gefehlt haben. S. 86 wird fehr fcharfe Kritik an
Lukas geübt: er hat das Konfulat des Quirinius 12 v.Chr.

kus des fyrifchen (julianifchen) Kalenders meine, da nach ' verwechfelt mit deffen Verwaltung von Judäa 6—7 n. Chr.
dem jüdifchen der 14. Xanthikus = Nifan genannt fein i In Wahrheit ift Jefus unter dem Konfulat des Quirinius
müßte. In Wahrheit fetzt Jofephus immer die mace- ; 12. v. Chr. geboren. Der Antritt feiner meffianifchen
donifchen Monate den jüdifchen gleich, alfo 14. Xanthi- j Laufbahn im Alter von 30 Jahren fällt daher 19 n. Chr.
kus = 14. Nifan (f. meine Gefchichte I, 756 f.). Auch ; /Ungefähr 10 Jahre dauerte feine (galiläifche) Wirkfamkeit
die angeführte Stelle fpricht nicht dagegen, denn es ift 1 im Verborgenen', bis er im 15. Jahre des Tiberius, 28/29
nicht gefagt, daß das Feft der Azyma am 8. Xanthikus ! n. Chr., feine gewaltige öffentliche Tätigkeit (in Judäa)
gefeiert worden fei, fondern nur, daß das Volk fich be- ; begann (S. 86). Die Überlieferung der Presbyter bei
reits zu diefem Fefte verfammelte. | Irenäus, daß Jefus damals 40—50 Jahre alt war, ift daher

Wenn ich fortfahren wollte, in diefer Weife alle un- 1 durchaus glaubwürdig (S. 87). In betreff des Todesglücklichen
Interpretationen des Verfaffers zu kritifieren, 1 tages Jefu verwirft W. die Darfteilung der Synoptiker
fo müßte ich feinem Buche ein folches von gleichem i und tritt fehr entfchieden für die Darfteilung des Johannes
Umfange gegenüberftellen. Die Vorausfetzung, daß bei ein, daß Jefus am 14. Nifan gekreuzigt worden ift.
den jüdifchen Daten überall der rechnungsmäßig fixierte ; Die Polemik W.s richtet fich hier namentlich gegen die
reformierte' Kalender vorauszufetzen fei, führt natürlich 1 Ausführungen Zahns in deffen Einleitung ins Neue Tefta-
in manchen Fällen zu richtigen Anfätzen, denn genaue | ment (f. überh. S. 130—161). Das Schlußrefultat in betreff
Vorausberechnung und genaue empirifche Beobachtung , des Todesjahres Jefu ift, daß Jefus am 3. April 33
werden nicht feiten das gleiche kalendarifche Refultat j n. Chr. gekreuzigt worden fei, weil nämlich zwifchen den
ergeben haben. Aber die konfequente Durchführung i Jahren 26 und 36, welche ausgefchloffen feien, nur im
feiner Vorausfetzungen ift dem Verfaffer nur möglich ; Jahre 33 der 14. Nifan auf einen Freitag gefallen fei
durch manche mehr als gewagte Aufftellungen, auch (S. 170). — Eine umfangreiche Beilage (S. 171—202) be-
durch nicht wenige Korrekturen in den Ziffern des handelt noch die Bifchofsliften bei Eufebius.
Jofephustextes. Obwohl unfer knappes Referat nur eine unvollkom-

Von dem Inhalt des Buches gibt der Titel nur eine mene Vorftellung von dem mannigfaltigen Inhalt des
annähernde Vorftellung, denn es wird vieles hereinge- Buches geben konnte, genügt es doch wohl, um zu zeigen,
zogen, was mit den beiden Hauptmaterien, der biblifchen j wie fehr der Verfaffer es liebt, eigene neue Wege zu
Chronologie nach Jofephus und dem Todesjahr Jefu, nur j gehen. Die Sicherheit, mit welcher er dabei auftritt,
in lofem Zufammenhang fleht. Der Mangel eines Inhalts- ; fleht im umgekehrten Verhältnis zu der tatfächlichen
verzeichniffes und der Mangel einer erkennbaren Dispo- j Gangbarkeit diefer Wege.

fition erfchwert die Überficht. Zuweilen find ganz dispa- 1 Göttincren. E. Schürer.

rate Materien lofe aneinandergereiht.— S. 9—13 bekämpft
der Verf. die herrfchende Anficht, daß der jüdifche Krieg
im Jahre 66 n. Chr. ausgebrochen fei. Er fetzt den
Beginn desfelben erft 67 n. Chr. Aber die gewöhnliche

Spitta, Prof. Dr. Friedrich, Jefus und die Heidenmiliion.

Gießen, A.Töpelmann 1909. (VIII, 116S.) gr.8° M.3.50

Anficht ift fchlechthin licher, nicht nur durch die Angabe Es wird wohl keinen Lefer geben, bei dem Spittas

des Jofephus, daß die Revolution im 12. Jahre Neros, ; Buch nicht ein ftarkes Gefühl der Bewunderung hinter-
65/66 n. Chr., ausbrach (B. J. II, 14, 4, Antt. XX, II, 1), ließe, das der Produktionskraft des Verfaffers in gleicher
fondern auch durch den Synchronismus der römifchen Weife gilt wie feinem glänzenden Scharffinn und feiner
Gefchichte: auf den Herbftfeldzug des Ceftius Gallus fouveränen Verachtung aller gelehrten Tradition. Jeder
folgt von Frühjahr bis Herbft der Feldzug Vefpafians in wird fich ihm für mancherlei Anregung dankbar verGaliläa
, dann abermals im Frühjahr und Sommer die [ pflichtet wiffen. Und nur mit einer Empfindung aufUnternehmungen
Vefpafians in Judäa und Peräa, worauf richtigen Bedauerns fieht man fich in die Lage verfetzt,
Vefpafian Vorbereitungen trifft zur Belagerung Jerufalems, ! in der Ref. fich befindet, das Wefentliche und Neue an
welche aber zunächft wegen des Todes Neros (f 9. Juni 68) den Aufftellungen Spittas ablehnen zu müffen.
nicht zur Ausführung kommt. Der Herbftfeldzug des Die Schrift gliedert fich in fechs Kapitel. Im erften

Ceftius Gallus fällt alfo notwendig 66 n. Chr. Weftberg zeigt Verf. daß an einer Reihe von Stellen bei den
hat fich dadurch irre leiten laffen, daß Vefpafian wegen 1 Synoptikern die Beziehung auf die Heidenwelt erft der
der Unficherheit der politifchen Zuftände den jüdifchen 1 fpäteren fynoptifchen Tradition angehört, nicht fchon
Krieg ein volles Jahr ruhen ließ. — S. 17—57 wird das ! der — in der Regel bei Lukas erhaltenen — urfprünglichen.